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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 49.1902 (Nr. 588-600)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16551#0028
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III eg g e n d o r s e r - B l ä t t e r, IIIünchen

Das letzte Mittel.

-„Mhall" - --

Bendemann geht an seinen Stainmtisch zurück, und be-
richtet das Lrfolglose seiner Lxxedition.

„Selbstverständlich warten Sie," sagen die andern, „wir
wollen Ihuen noch Gesellschaft leisten."

Bald ist der thut wieder vergessen und von neneni tobt der
wissenschaftliche Aainpf.

Ls schlägt elf Uhr. „Donnerwetter schon elf Uhr," sagt
einer der Iserren, „jetzt ist s aber höchste Zeit, daß ich nach Lsause
komme."

„Resi, ist denn mein Isut noch nicht da? Sehen Sie doch
einmal sämtliche Isüte im Lokal nach, vielleicht ist ein andrer
über ihn gehängt worden," ruft Bendemann der Kellnerin zu.

„Es ist absolut nichts zu finden," berichtet diese nach einiger
Zeit erfolglosen Suchens.

Liner nach den andern verabschiedet sich, schließlich sitzt
Bendemann allein am Tische. Lr ist schon recht ärgerlich, ein-
mal wegen des bsutes, und dann, weil er nicht zur bestimmten
Zeit nach ksause kommt.

Zn seiner stillen Wut trinkt er ein Seidel nach dem andern,
raucht eine Tigarre nach der andern. Sein Zustand wird schon
etwas bedenklich. U?ie er nun sicht, daß sich das ganze Lokal
allmählich leert, er schließlich ganz allein ist, und rücksichtslos
Stühle mit lautem Gepolter auf die Tische gestellt werden, ge-
rät er in einen Zustand gelinder Raserei.

„Resi, zum Teufel noch einmal, ist denn mein Lsut noch
nichl da," schreit er.

Resi hat'aber auch schon Schlaf und ist durch das lange

Ihersitzen Bendemanns und seiner fortwährenden Fragerei nach
dem Isute ebenfalls ziemlich gereizt.

„Wenn er da wär', hätt' ich ihn Ihnen schon längst gebracht,
kann überhaupt nicht begreifen, was für ein Lsel den alten
Deckel mitgenommen hat."

IRethusalem, ein alter Deckel!

Sonne stehe still im Thale Gibeon.

Bendemann rast.

Dor lVirt kommt,"erkundigt sich was los ist; der sdrofessor
ist ein alter Stammgast, er muß rücksichtsvoll gegen ihn sein.
Der thausknocht, die Rellnerin, der piccolo, der Schenkkellner
müssen mit Stöcken nnd Besen untex sämtliche an der lVand
befindlichen Sitze fahren; umsonst Methusalem ist nicht zu finden.

Bendemann sieht das Nutzlose seines Isersitzens ein, und
entschließt sich mit dem an der wand hängenden Lsut nach
thause zu gehen.

Um den Professor nur bald loszukriegen, stürzt sich der
Ulirt eilfertig auf den 6ut und will ihn Bendemann Lberreichen,
da sieht er die eingenähte Visitenkarte. bsastig zieht er sclbe
hervor, um doch wenigstens dem sdrofessor den Eigcntümer des
bsutes nennen zu können und liest: Professor lh. Bendemann.

„U)a-wa — — was?" ruft Bendemann und sieht

selber nach. fUnd beim Nachsehen fällt es ihm wie Schuppen
von den Augen, und er erinnert sich des vormittägigen ksutkaufes.
Ltwas Unverständliches murmelnd, verläßt er, der spöttischen
Blicke und Bemorkungen allerAnwesenden nicht achtend, das Lokal.

Vor soinem bsause angelangt, sieht er Licht im Schlafzimmer.
Seine Frau, über das außergewöhnlich lange Ausbleiben ihres
Mannes besorgt, erwartet ihn.

„Na, das kann gut werden," stöhnt der arme Gelehrte und
klettert, vom ungewöhnlicheiVGenusse des vielen Bieres und
der vielen Ligarren berauscht, die Treppe hinauf.

„Bendemann, so spät und noch dazu in diesem Zustande!"
ruft ihm seine Frau entgegen.

„Sei um Gottes willon ruhig, liebe Amalie, morgen erzähle
ich Dir alles," wehrt Bendemann ab und schläft, kaum ins Bett
gekrochen, ein.

Am andern Tag erwachte unser Professor später wie ge-
wöhnlich. Auch verspürte er gewaltige Ropf- und Magenschmorzen.
Nach dem Genusse des zehnten Glases kohlensaueren Masfers,
referierte er seiner Gattin, in allerdings etwas gedrückter
Stimmung die Erlebnisse des gestrigen Abonds.

„Abor Bendemannl rief seine Frau gedchnt.

„Genug," sprach der Professor plötzlich mit einer Lnergie,
die seine Gattin nicht von ihm gewohnt war, „sxrich mir kein
Ivort mehr; und dieses Unglücksmöbel," dabei schlcuderte er
den schönen neuen Schlapphut wütend in die Lcke, „kommt
mir nie mehr unter die Augen." Dann versetzte er dem armen
länt noch einen Fußtritt, schritt feierlich zum Aasten, holte
seinen Methusalem hervor, stülpte ihn übor den Aopf und
machte, von seiner Fran Abschied nehmend, seinen gewohnten
Morgenspaziergang.

Das war die Auferstchung Methusalems.

Frau Professor Bendemann war eine vernünftige Frau;
sie hat es nie wieder versncht ihrem Manno einen ncnen lsut
aufzudrängen, sie kaufte sich für das Geld lieber selber einen.

Professor Bendemann lebt heute noch und mit ihm sein
Methusalem; eine Folge hatte die Lsutgeschichte aber doch:
Bendemann, des schrecklichen Abends gcdenkend, hat seine
Stammkneipe verlegt, in den roten Dchsen geht er nicht mehrl

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, bcide in Tßlingon bei Stuttgart.
In Vesterreich-Ungarn für kserausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in NAen I.
Vrrlag von I. F. Schrribrr in Münchrn und Etzlingrn.
 
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