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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 49.1902 (Nr. 588-600)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16551#0038
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^IIeggenüorfer-BIäller, München


Der nerhängnisvoLe Mndkoß.

„Vas willst Du denn da?"

„Am Sonntag haben wir Airines, und —"

„Und?"

„Da will ich tanzen!"

„Tanzen? 5ehr gutl Meine lserren Aameraden, haben Sie gehört?
Nikola Lckerskorn, daß größte Nilpferd der Armee, der nicht rechtsum und
linksum unterscheiden kann, mill tanzenl lfahahal — Aber mit wem denn,
wenn ich fragen darf, lherr Lckerskorn?"

„Mit meinem Mädchen!"

Die Norxoralschaft brach in ein brüllendes Gelächter aus.

„Ach Du Regimentskamell" rief Brauwciler; „hast Du auch schon ein
Mädchen? Das Ungeheuer möchte ich sehenl"

„Die muß nnndestens einen Buckel haben," rief der lange Müller.

„U—u—und T—T—Triefaugen u-u—nd f—f— fuchsige lfa—!sa—
ksaare," meinte der stotternde Rütters.

„Nikola, ist's vielleicht eine doxpelte lvitwe mit zwölf Uindern?" sragte
der schieläugige Aroner und drehte das Gesicht zu Brauweiler, um Nikola an-
schauen zu können.

„lhat sie auch was an den Füßen?" forschte der säbelbeinige Euler und
machto mit seinem breiten Achusterdaumen die pantomime des Geldzählens.

„lfaltet das Maul!" sagte Lckerskorn grollend; er schien nicht übel Lust
zu haben, die 5chönheit seiner Dame wie weiland der edle Don tiZuirote hand-
greiflich zu beweisen.

„Ihr könnt quatschen, was ihr wollt. Ich fahre!"

Da lag der Fehdehandschuh.

„Mr wollen über die Sache nicht weiter reden, meine lherren," sagte
Brauweiler in verbissenem Zorn; „wenn ein Mensch sich partout unglücklich
machen will, dann hat er dazu ein Recht als Mensch. Aber wenn er dabei
sechzehn Mitmenschen auch hereinreiten will, dann haben die auch ein Recht
als Menschen, sich das nicht gefallen zu lassen. Und darum, lferr Nikola Lckers-
korn, erkläre ich Ihnen im Namen der zweiten Aorxoralschafti Wenn Sie am
Sonntag das Revier verlassen wollen, dann leiden wir das nicht. vom lvecken
bis zum Zaxfenstreich werden sich zwei Mann wie das böse Gcwissen an Ihre Fersen
heften. Dnrch Ihre Schuld müssen wir brummen, und Sie brummen mitl"
(Bravol)-

Als der Sonntagabend horandämmerte, erklärte Braumeiler die Polizei-
aufsicht über Nikola sür aufgehoben.

„Niggela Lggerschkorn," sagte er höhnisch, Nikolas obcrrheinische Mnnd-
art nachahmend, „laaf uff de Rermes! Danz pulka mit dei Mädche l
pulka, pulka, trallerallalla
Danz der scheene Nigge - Niggela!"

Die andern wiederholten den imxrovisierten vers mit Stampsen und
kfändeklatschen.

„Tritt ihr aber mit Deinen sdontons nicht aus die Leichdörner!"

„Laß sie nur uicht auf den Buckel fallen, sonst kriegt der Tanzboden
ein Loch!"

„v—v—Nerbrenn D—D—Dir n—n—n—nicht die xo-xo—pockige
Na—Na—Nase an der f—f-fuchsigen Pe—Perücke!"

Nikola saß, den Roxf in die lfand gestützt, auf der kantigen Lisenstange,
die den Rand seines Bettes bildete, stierte auf den Fußboden und ließ schweigend
die Flut von Nohn und Sxott über.sich ergehen. Zum Glück verließen seine
Vuälgeister nach und nach die Stube, um in der Aantine den Rest des ver-
pfuschten Sonntags totzuschlagen. Brauweiler nahm cin Buch aus seinem
Sxind und vertiefte sich in die ergreifende Geschichte von „Näherin und Fürsten-
sohn." Lben war er an die rührende Stelle gekommen, wo die Näherin Amalic
sich als die verwechselte Tochter des steinreichen Grasen Dalldors entpuppt und
die dicknäsige Tomtesse Melanie als das Aind der alten Birnen-Annemaric,
da unterbrach er seine Lektüre und hob lauschend den Aopf. Lr hatte etwas
wie schmorzliches Stöhnen vernommen. Lr trat zu Nikola und beugte sich uieder.
Richtig! In den Rrebsaugen blinkten zwei dicke Thränen.

Der gutherzige Brauweiler legte seinen Arm um die Schulter des Unglück-
lichen und sagte weich:

„Nikola, sei vernünftig! Blase was aufdie Airmesl Noch vierhundertzwei-
unddreißig, dann hoißt die Parole: bseimat! Dann gibt's auch noch Airmes genng!"
 
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