M e g g en d o rf er-B l ät t er, München
er Aalif Abu Muhammed langweilte sich in seinem
Prachtdiwan ganz entsetzlich. Lben hatte er den Groß-
vezier weggeschickt, weil er ihm nicht behagte, und so
saß der Beherrscher des Morgenlandes allein auf seinen j?ol-
stern und kaute gedankenlos an der kostbaren Bernsteinspitze
seines Nargileh. L>a kam ihm plötzlich der Gedanke, seine Schatz-
kammer zu besichtigen. Lr legte den Schlauch seiner Wasser-
pfeife zur 5eite und begab sich durch eine kleine, verborgene
Thüre, von deren Oorhandensein nur er wußte, in den langen,
engen Gang, welcher unter der Lrde fortlaufend in die 5chatz-
kammer führte. Durch eine gleichfalls geheime Thüre trat er ein.
Lr war schon seit Iahren nicht mehr bei seinen Schätzen ge-
wesen, kümmerte sich auch nie darum, ihm war es genug, daß
er hörte, er sei der reichste Fürst des INorgenlandes. Tr ver-
traute vollständig seinem Großvezier. dem er die Schlüssel zur
Schatzkammer übergeben hatte und dessen Lhrlichkeit und Un-
eigennützigkeit überall gerühmt wurde. bseute, nach langen
Iahren, stand der Aalif wieder in dcn wohlbekannten Räumen.
Starr vor Erstaunen sah er sich um. Ueberall blickten ihm die
leeren Mände entgegen und in den Schränken und Trnhen
fand sich kein Denar. Der Aalif glaubte zu träumen. Als er
sich aber von der UArklichkeit überzeugt hatte, eilte er nach der
geheimen Thüre zurück, um den Diebstahl zu verkünden und
nach den Dieben fahen zu lassen. Bei dem verborgenen Gange
angekommen, blieb er jedoch stehen und strich sich langsam durch
seinen langen, weißen Bart. Lr überlegte: das Schatzgewölbe
war sicher und fest gebaut und besaß außer der geheimen Thürc
nur einen einzigen Lingang, bei welchem die Thüren wohl-
verwahrt und die Schlösser, wie er sich überzeugte, nicht im
mindesten verletzt waren. §s konnte deshalb nur derjenige,
welcher die einzigen Schlüssel zum Schatzgewölbe besaß, der
Dieb sein; also niemand anderes als sein Großvezier. Dem
kserrscher wurde nun das Ganze klar: im sesten Vertrauen,
daß er nie seine Schätze zu sehen wünschte, noch wünschen
werde, hatte dor Großvezier seine Schatzkammer geplündert,
und würde es bei seinem Tode oder boi sonst einem Anlasse
schon so eingerichtet haben, daß nicht der geringste verdacht
auf ihn gefallen wäre; das war um so wahrscheinlicher, da an
seiner Lhrlichkeit nicmand zweifelte.
Der Aalif kannte seinen vezier als den schlauesten Fuchs
in seinein Reiche und war daber im vorhinein üborzeugt,
daß eine etwaige Untersuchung zu nichts geführt hätte. Schließ-
lich brauchte er ihn wirklich notwendig, denn da er sich selbst
nie uin die Regierungsgeschäfte gekümmert hatte, so lagen diese
allein in der bsand seines veziers, und der Aalif konnte darin
mit ihm wohl zufrieden sein. Er beschloß daher, ohne den
Großvezier wegen seiner Schätze zur Rechenschaft zu ziehen,
und ohne ihn von seinem Amte zu entfernen, zu sehen, wie
er auf irgend eine weise wieder zu seinen Schätzcn koinme.
In seine Gedanken vertieft, ging der Aalif, wie er ge-
kommen, in sein Gemach zurück, nahm sein Nargileh znr bsand
und grübelto, in die blauen, duftenden Rauchwölkchen gehüllt,
stunden- und stundenlang vor sich hin. Der Leibsklave trat
einigemale vor seinen lherrn, um seine Befehle entgegenzu-
nehmen, aber der Aalif achtete seiner nicht und fuhr fort in
sinnendor Stellung zu verharren, bis es Abend ward. Lr hatte
sich vergebens angestrengt und kein Mittel gefunden, unauf-
fällig seine Schätze wieder zu erlangen. Ietzt war er des Nach-
denkens müde und beschloß, sich etwas zu zerstreuen. Er ließ
daher seinen Großvezier zu sich kommen. Demütig, wie immer,
trat der Gerufene ein, warf sich vor seinem lherrn auf die Lrde
und fragte nach seinen Befehlen. Dor Ralif betrachtete sich
den zu seinen Füßen Liegenden sehr aufmerksam. Das lhaupt
tief auf den schweren, kostbaren Teppich gesenkt, verharrte der
vezier in seiner Stellung, die so recht sein dürftiges Gewand
zeigte, das grell gegen die vornehme Umgebung abstach.
„vezier," begann endlich der Ralif, „ich ließ Dich rufen,
damit Du mir ein Nlittel zur Ierstreuung vorschlagen sollst.
Alles langweilt mich hier. lvie wäre es, wenn wir verkleidet
einen Spaziergang durch die Straßen der Stadt machen
würden?"
Der Vezier>, der stch bei der Anrede seines lherrn erhobcn
hatte, verbeugte sich tief: „lherr, wenn Du nicht den vorschlag
selbst gemacht hättest, würde ich ihn Deiner Geneigthcit em-
pfohlen haben, denn er ist der beste, um die lvolken des
llnniutes von Deinem Angosichte zu verscheuchen."
„Also kleide Dich schnell um, wir gehen durch das kleine
Thor gegen die Stadt," sprach der Aalif und klatschte in die
lhände, um seinen Sklaven zu rufcn.
lvenige lllinuten später hatten die beiden, als Aauflente
verkleidet, den jdalast im Rücken und wanderten langsam der
Stadt zu. lfier herrschte noch reges Leben und Treiben. Lben
kam eine Aarawane die breite Straße längs des Tigris herauf-
gezogen. voran ritt auf schnellem Reitkamel der Mhrer, ge-
folgt von dem langen Zuge der hochbeladenon Aamele, deren
kleine Glocken hell in der reinen Abcndluft klangen. Den
Tieren zur Seite schritten die braunen Treiber, kräftige lvüsten-
gestalten, dic durch ihr Geschrei die Aamele zu rascherem Gange
antrieben. Iahlreiche Bewohner der Stadt, welche der kühle
Abend verlockt hatte, einen Spaziergang am llfer des Stromes
zu machen, sahen neugierig den Linzug der Aarawane in eine
der geräumigen lserbergen an. Auf dem Flnsse selbst schossen