Zeilschrift für k)umor und Auust
69
Lyperbel,
— „Jst Ihr vetter eigentlich noch immer so mager?"
— „Na, ich sage Ihnen, und zudem kriegt er eine Glatze . . , er sieht jetzt aus, wie
ein Spazierstock nüt einem Elfenbeinknopfl"
Die Äerren Kollegen.
Humoreske von I. Merkl.
an sollte es eigentlich für unmöglich halten; aber was so zwei richtige Aollegen
I I. stnd, die hassen sich ein ganzes Menschenalter hindurch nüt unverminderter
Zähigkeit, sitzen sich zwanzig und dreißig Iahre gegenüber, Tag für Tag,
ohne eine Silbe zu reden und sich gegenseitig ein freundliches wort zu gönuen. wenn
ich an solche Aäuze denke, fallen inir iinmer die beiden Buchhalter ein, die in einer
großen Bank ein Dezennium hindurch jdult an j)ult zusaminenarbeiteten. Fink hieß
der eine, Fangerle der andere. Fink war ein Dberbayer, Fangerle ein Sachse; der
erstere ein alter Iunggeselle, der gerne den Naturburschen markierte, Fangerle ein sehr
empfindlicher, spröder Schöngeist, der an Formen einen übertriebenen Gefallen fand und
ein sehr xutzsüchtiges, eitles therrchen war. 2lls die beiden sich das erste Nkal sahcn,
drückten sie sich die tjand, und iin selben Augenblick wußten sie, daß sie sich nicht leiden
konnten. Fink sprach zu sichi „Ein widerwärtiger, fader Mensch," Fangerle dachte sich:
„Mit diesem Bauern soll ich verkehren — neel" Dann verbeugten sie sich, begaben sich
an ihren platz und schwiegen. Tine lVoche sagten sie Norg'n und Morjen zu einander
und dann nichts mehr. Denn inittlerweile hatte schon das Gewitter stattgefunden,
das in der Luft lag. plötzlich eines Abends war es ausgebrochen. Man hörte zwei
Stiminen iin Bureau, die sich zu überschreien trachteten, einen derben Baß, der iiiit
A)ucht und dröhnender Gewalt einsetzte, und ein dünnes Tenörchen, das spitze Ivorte
dazwischen warf und inühsain durch den Tonschwall durchzudringen suchte.
Seit jenem Unglückstag, der aber in den Sternen geschrieben stand und kommen
mußte, war der Feldzug eröffnet, und von da ab sannen beide darauf, sich auf eine
unangreifbare Uleise das Leben sauer zu machen. Fink wählte hiezu dio derberen
kUittel, Fangerle aber hielt sich an die Taktik der Nadelstiche, die ihm vorzügliche
Dienste leistete.
So wußte er zum Beispiel den bekannten und beliebten Streit um das Fenster
auf eine fast künstlerische Art auszunützen. Fink war in der Regel ein hitziger Ulensch,
der keine höheren UILrmegrade erdulden konnte. Stieg die Temperatur über fünfzehn
Grad, so riß er das Fenster auf, ohne lang zu fragen, ob es den übrigen paßte
oder nicht.
Fangerle dagegen fror beständig und fürchtete sich vor' dem Zug. Also schellte
er jedesmal dem Diener, beauftragte ihn, das Fenster zu schließen und blickte über das
jdult hinweg auf scineu Feind, der mit dunkelrotem Aopf auf die vor ihm liegenden
Zahlen stierte, von eincm Fuß auf den andern tanzte und mit geblähten Backen die
Luft von sich blies wie eine überheizte Ukaschine den Dampf.
Fink wiederum rächte sich auf eine ebenso angenehme wie geniale Art. Ieden
Ukorgen gegen halb elf Uhr entnahm er den Taschen seines Rockes cin mächtiges
paket, das einen umfangreichen kalten Aufschnitt enthielt nebst zwei Broten, die
allein schon für cine kleinere Familie genügt hätten. La. t schmatzend und mit einem
Behagen, in dem ein gutes Urittel Ljeuchelei steckte, verschlang er die Nkcnge Fleisch,
ohne jemand auch nur ein Stückchen anzubieten. (.Zorisetzung nächste Seite.)
69
Lyperbel,
— „Jst Ihr vetter eigentlich noch immer so mager?"
— „Na, ich sage Ihnen, und zudem kriegt er eine Glatze . . , er sieht jetzt aus, wie
ein Spazierstock nüt einem Elfenbeinknopfl"
Die Äerren Kollegen.
Humoreske von I. Merkl.
an sollte es eigentlich für unmöglich halten; aber was so zwei richtige Aollegen
I I. stnd, die hassen sich ein ganzes Menschenalter hindurch nüt unverminderter
Zähigkeit, sitzen sich zwanzig und dreißig Iahre gegenüber, Tag für Tag,
ohne eine Silbe zu reden und sich gegenseitig ein freundliches wort zu gönuen. wenn
ich an solche Aäuze denke, fallen inir iinmer die beiden Buchhalter ein, die in einer
großen Bank ein Dezennium hindurch jdult an j)ult zusaminenarbeiteten. Fink hieß
der eine, Fangerle der andere. Fink war ein Dberbayer, Fangerle ein Sachse; der
erstere ein alter Iunggeselle, der gerne den Naturburschen markierte, Fangerle ein sehr
empfindlicher, spröder Schöngeist, der an Formen einen übertriebenen Gefallen fand und
ein sehr xutzsüchtiges, eitles therrchen war. 2lls die beiden sich das erste Nkal sahcn,
drückten sie sich die tjand, und iin selben Augenblick wußten sie, daß sie sich nicht leiden
konnten. Fink sprach zu sichi „Ein widerwärtiger, fader Mensch," Fangerle dachte sich:
„Mit diesem Bauern soll ich verkehren — neel" Dann verbeugten sie sich, begaben sich
an ihren platz und schwiegen. Tine lVoche sagten sie Norg'n und Morjen zu einander
und dann nichts mehr. Denn inittlerweile hatte schon das Gewitter stattgefunden,
das in der Luft lag. plötzlich eines Abends war es ausgebrochen. Man hörte zwei
Stiminen iin Bureau, die sich zu überschreien trachteten, einen derben Baß, der iiiit
A)ucht und dröhnender Gewalt einsetzte, und ein dünnes Tenörchen, das spitze Ivorte
dazwischen warf und inühsain durch den Tonschwall durchzudringen suchte.
Seit jenem Unglückstag, der aber in den Sternen geschrieben stand und kommen
mußte, war der Feldzug eröffnet, und von da ab sannen beide darauf, sich auf eine
unangreifbare Uleise das Leben sauer zu machen. Fink wählte hiezu dio derberen
kUittel, Fangerle aber hielt sich an die Taktik der Nadelstiche, die ihm vorzügliche
Dienste leistete.
So wußte er zum Beispiel den bekannten und beliebten Streit um das Fenster
auf eine fast künstlerische Art auszunützen. Fink war in der Regel ein hitziger Ulensch,
der keine höheren UILrmegrade erdulden konnte. Stieg die Temperatur über fünfzehn
Grad, so riß er das Fenster auf, ohne lang zu fragen, ob es den übrigen paßte
oder nicht.
Fangerle dagegen fror beständig und fürchtete sich vor' dem Zug. Also schellte
er jedesmal dem Diener, beauftragte ihn, das Fenster zu schließen und blickte über das
jdult hinweg auf scineu Feind, der mit dunkelrotem Aopf auf die vor ihm liegenden
Zahlen stierte, von eincm Fuß auf den andern tanzte und mit geblähten Backen die
Luft von sich blies wie eine überheizte Ukaschine den Dampf.
Fink wiederum rächte sich auf eine ebenso angenehme wie geniale Art. Ieden
Ukorgen gegen halb elf Uhr entnahm er den Taschen seines Rockes cin mächtiges
paket, das einen umfangreichen kalten Aufschnitt enthielt nebst zwei Broten, die
allein schon für cine kleinere Familie genügt hätten. La. t schmatzend und mit einem
Behagen, in dem ein gutes Urittel Ljeuchelei steckte, verschlang er die Nkcnge Fleisch,
ohne jemand auch nur ein Stückchen anzubieten. (.Zorisetzung nächste Seite.)