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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 49.1902 (Nr. 588-600)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16551#0075
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Zeitschrift für Humor und Auuft

7f


jenigen jungen lqerren, die er zunachst einer solchen Lchand-
ihat für fähig hielt. Von diesen kümmerte sich indessen keiner
uni ihn, jeder schien vielmehr mit seiner Arbeit vollständig be-
schäftigt zu sein. Lr tänzelte noch einmal durch die Reihen der
jdulte und als er sich uinwendete, bemerkte er zu seiner nicht
geringen Wut, daß offcnbar hinter seinem Rücken, so ein frecher
Nensch sich das vergnügen erlaubte, fdapierchen auf den Boden
zu streuen, nur damit er, der tferr Buchhalter, sich ärgern sollte.
Das konnte aber der ganzen Sachlage nach nur der Lommis
Müller gewesen sein, dem es allcrdings zuzutrauen war.

Auf diesen stürzte er sich nun auch. „kferr," schrie er ihn
an, „Sie erfrechen sich, mich verhöhnen zu wollen?" Müller,
ein höchst phlegmatisches Bierhuhn, warf ihm einen seiner kalt-
blütigen Froschblicke zu, schüttelte seinen semmelblonden Aopf
und fuhr fort, seine Seiten zu addieren, ohne zu fragen oder
sich in ein weiteres Gesxräch einzulassen.

„ksaben Sie »nch verstanden?" brüllte nun der gereizte
Fangerle.

„vier und sieben elf, dreizehn, siebzehn," murinelte der
Angeredete, der sich durchaus nicht irre machen ließ.

„Sie werd' ich zum Reden bringen, 5ie lherrchen, Sie! Ich
werde nnn doch dcn lherrn Direktor bitten."

„Ach lherrjesses — na, so was Bäses," hörte man ganz
deutlich aus dem ksintergrunde, während Fangcrle in hastiger
Lile die Thüre ins Schloß warf und die Treppen hinabraste.

Der zweite Direktor war im allgemeinen kein Freund
solcher Geschichten, aber er mußte schließlich dem Drängen nach-
geben und dem Buchhalter in den Saal folgen.

Dort angekomnien, setzte er sofort eine strenge Inquisitor-
miene auf. „Meine lferren," sagte er sehr ernst, „ich bedauere,
daß solche vorkonininisse überhauxt möglich sind in einem
Bureau. Sie würden besser in die Volksschule xassen." Alles
hatte sich von den Sitzen erhoben und horchte. „Nun erklären
Sie mir, lferr Buchhalter, wie war die Sache?"

„Die Sxezies facti war so, lferr Direktor, hier stand ich.
Gerade so wie jetzt. Mein Wort, kein Fetzchen zwischen hier
und der lVand. Gerade so wie jetzt. Und nun — er durch-
maß, um die Schandthat inöglichst deutlich zu veranschaulichen,
mit feierlichen Schritten den lveg — als ich so gegangen war,
nicht wahr, drehte ich niich xlötzlich um, gerade da, wo ich jetzt
bin," — das that er auch — „und sehen Sie."

lveiter konnte er nicht mehr reden. Lr blieb mit geöffnetem
INunde wie versteinert stehen und starrte auf die vier oder fünf
Fetzen, die zwischen ihm und dem Direktor auf der Strecke lagen.
Ulenn ein lNeteorstein vor der Nase ihm in die Suppenschüssel
geslogen wäre, hätte er kein intelligenteres Gesicht machen
können. Nur einen Augenblick übrigens währte diese Stimmung,
denn es brach ein solcher Sturm von kseiterkeit urplötzlich los,
an dem auch der Direktor sich beteiligte, daß die Spannung
dadurch gewaltsam zerrissen wurde.

Aber man darf nicht glauben, daß die lvut Fangerles
durch die Fröhlichkeit, die er erregte, etwa sich vermindert hätte.
Lr fuhr sofort eiligst in seine Tasche, zog eine lfandvoll Schnitz-
chen heraus und nun ging ihm auch mit einem Schlage eine
elektrische Belcuchtung auf. Lr brauchte ja nur das Gesicht
seines Aollegen zu betrachten, die kleinen, boshaften Aeuglein,
die voll unverhohlenster Gcnugthuung blitzten wie die eines
alten Aobolds; ein halh Blinder hätte aus den Falten und
Runzeln, die in zuckender Bewegung nur zu' deutlich das Ueber-
maß von Schadenfreude verricten, das mühsam genug sich
zurückhielt, cinen unzweifelhaften Schluß anf den Attentäter
zichen können.

Fangerle konnte sich nicht niehr länger bändigen. Lr trat
mit drei raschen Schritten an Fink heran und warf ihm, was

er an Schnitzchen in der lhand hatte geradewegs in das Gesicht.

Darüber kam es natürlich zu einer ziemlich erregten Aus-
einandersetzung, da Fink behauxtete, Fangerle habe vermutlich
so lange Papiere aufgehoben und in seinen Rock gesteckt, bis
deren Gewicht von selbst ein Loch gebohrt hätte, eine Lüge,
über deren Unverschämtheit dem Fangerle die ksaare sichtlich zu
Berge standen.

Der Direktor begriff, daß man die beiden Aampfhähne ini
Interesse des Betriebos räumlich trennen müsse, was auch geschah.
Damit war wenigstens die Uiöglichkeit abgeschnitten, daß diose
Aomödie der Aollogialität vielleicht gar noch zu einem blutigen
Ausgang gedieh.

Den kfaß aber bewahrten sich die beiden wie ein lheilig-
tum. U)o immer sie sich trafen, da grinste der eine und der
andere schnitt ein Gesicht, als wenn er einen Liter Essig hinter
die Binde gießen müßte.

Ia, die lqerren Aollegenl Ach lherr Iesses — nee so
was Bäses!

MWrarichtes Sprichwort.

eteiltes Leid ist halbes Leid!"

Der Böse denkt 's voll Schadenfreud'

Und fällt er, wird er sich befleißen,

Benützend seines Sturzes Schwnng,

Iur eigenen Befriedigung

Auch andero mit sich zu reißen. W.

Äin (Llown-Kigert-Duess.

Lin Zirkusscherz in sechs Bildern.
 
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