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Meggendorfer-Blätler, Blünchen
Auf der
stockend und zögernd, so kam doch nach und nach die Unter-
haltung in Fluß. Und wcihrend sie nüteinander plauderten,
betrachteten sie sich gegenseitig, und jo länger sie sich an-
sahcn, desto mehr Gefallen sanden sie aneinander. Fräulein
Llsbeth hatte eine mittelgroße, schlanke Figur, sehr schöne
braune Augen, ein sehr feingoschnittenes sdrofil und einen
ent " 'enden kleinen Uiund mit blendend weißen Zähnen.
Ntit besonderer Genugthuung konstatierte Leutnant von
kseyden, der sehr rnel ivert auf Aeußerlichkeiten legte,
daß die junge Dame sehr gut angezogen war. ilnd dieselbe
Lntdeckung nmchte Fräulein Llsbeth bei ihrem Vis-a-vis.
Sie sah ihm sofort den Vffizier in Livil an, aber er trug kein
„Räubercivil," sondern war nach der neuesten Nlode gekleidet
und seine frische, elegante Erscheinung kam zur vollsten Geltung.
Lrst als der Schasfner auf einer der nächsten Stationen
die Billets coupierte und sie darauf aufnierksam machte, daß
sie in Lsamburg eine halbe Stunde Aufenthalt hätten, erfuhren
sie, daß sie beide dasselbe Reiseziel hatten. Zuerst leuchteten
seine Augen freudig auf, dann aber sah er sie ganz traurig an.
„lvas haben Sie denn nur?" erkundigte sie sich, als sie
seinen mit einemmal so ganz voränderten Gesichtsausdruck
bemerkte.
„Sie thun mir entsetzlich leid, gnädiges Fräulein. Sie
kennen die Stadt, die Sie aufsuchen wollen, noch nicht. Ich
kann Ihnen nur ratein noch ist es Zeit, kehren Sie um. Ls
ist bei uns tödlich steif und entsetzlich langweilig — selbst die
Auswanderung der Ratten und Nläuse nimmt bei uns von Iahr
zu Iahr zu, selbst denen ist es bei uns zn stumpfsinnig. Fremde
kommen nie zu uns. Linmal war ein Geschäftsreisender bei
uns in der Stadt — nach vierundzwanzig Stunden wnrde der
Nlann geisteskrank und floh unter Zurücklassung seiner Nluster-
koffer davon. Noch einmal rate ich Ihnen: kehren Sie nm."
Sie hatte ihm belustigt zugehört, nun sagte sie ganz ernsti
„Ihre Schilderung, selbst wenn sie etwas übertrieben ist, stimmt
mich traurig — ich hatte mich sehr auf die Stadt gefreut. Ich hatte
auf viel vergnügen, viele Feste, auf viele Amusements gehofft."
„Da reisen Sie wohl zuin Besuch einer Freundin nach Z.?"
fragte er; „na, daß die Ihnen die Stadt in allen Regenbogen-
farben schilderte, nur um Sie dahin zu locken, ist ja schließlich
kein lvunder, gnädiges Fräulein; aber ich wette mit Ihnen,
daß Sie den Aoffer gar nicht erst auspacken, sondern gleich
wieder abreisen."
„Die lvette verlieren Sie ganz sicher," widersprach sie; „drei
Iahre bleibe ich sicher dort, vielleicht auch vier." ^
„Ach Du barmherziger löimmell" stöhnte er, „drei Iahre
wenigstens? da häben Sie sicher bei irgend einer tvfsiziers-
odcr höheren Beamtenfamilie eine Stellung als Lrzieherin der
Ainder angenommen und sich auf so lange Ieit kontraktlich
binden inüssen? Na, ich bin begierig, wie lange Sie es aus-
halten?"
Für einen Augenblick dachte sie daran, ihm den Irrtum,
in dem er sich befand, zu nehmen, dann aber verwarf sie den
Gedanken wieder.
„Sie leben doch auch dort?" sagte sie, „und wie es nach Ihren
Schilderungen den Anschein hat, doch auch schon längere Zeit."
„Allerdings!" stimmte er ihr bei, „ich bin dazu verurteilt,
dort in Garnison zu stehen, ich bin Vffizier — von ljeyden ist
mein Name. Aber Ihnen, gnadiges Fräulein, kann ich es ja
sageni die Tage des Unglücks sind für mich gezählt. Ich war
auf Urlaub und habe die Ieit dazu benützt, nm mit einem
entfernten verwandten, der zum UUlitärkabinett kommandiert
ist, unter vier Augen bei einer Flasche Sekt ein ernstes lvort
zu reden. Der Nkann sah schließlich ein, daß ich ineiner geistigen
und leiblichen Auflösung entgegengehe, wenn ich noch länger
in Z. bleibe. Lr hat füc mich zu thun versprochen, was er
nur irgend thun kann — ich denke, spätestens in sechs kvochen
bin ich in einer großen Stadt. Na, die werden im Regiment
Augen machen, wenn meine versetzung herauskommt — vor-
her dürfen sie natürlich nichts davon erfahren, sonst sind sie im-
stande und vereiteln mir meinen plan. Ganz besonders freue
ich mich auf das Gesicht meines Vberst — ich glaube, der wird
den Schmerz mich zu verlieren, gar nicht überwinden."
„Sind Sie bei dem kserrn Vberst so gut angeschrieben?"
Lr lachte laut auf: „Im Gegenteil, gnädiges Fräulein; er
kann mich auf den Tod nicht leiden< ich bin ihm zu flott, zu
lustig, nicht ernsthaft genug. kvas weiß ich alles. Aber kein
Ntensch kann sich doch anders machen, als er nun einmal ist,
da stimmen Sie mir doch bei?"
Das that sie, dann aber brachte sie das Gespräch etwas
gewaltsam auf andere Dingei sie durfte nach ihrer Nteinung
seine militärischen bserzensergüsse nicht länger anhören, ohne
ihm zu sagen, wer sie sei und das wollte sie nicht. In bsamburg
trennten sich ihre ivege — Zwar erlaubte sie ihm noch, ihr iin
ivartesaal Gesellschaft zu leiston, dann aber stieg sie, als der
Zug gemeldet rourde, in ein Damen-Loupö, während er die
Zlbteilung für Raucher aufsuchte. Trotzdem er sich nun dem
Genuß der lang entbehrten Ligarre hingeben konnte, war er
zuerst böse, daß er seiner schönen Reisebegleiterin nicht mehr
(äonsetzumz Scitc 8Z.)
Krmstschüht'.
Aunstschützei „Line komische Gesellschaft dasl Der da kann den Stöpsel von der Flasche nicht herunterkriegen, die Alte ist
nicht imstande, die Brezel zu zerbrechen, und der dort sagt, er darf nicht rauchen und zünd' sich doch das Pfeiferl an!
Meggendorfer-Blätler, Blünchen
Auf der
stockend und zögernd, so kam doch nach und nach die Unter-
haltung in Fluß. Und wcihrend sie nüteinander plauderten,
betrachteten sie sich gegenseitig, und jo länger sie sich an-
sahcn, desto mehr Gefallen sanden sie aneinander. Fräulein
Llsbeth hatte eine mittelgroße, schlanke Figur, sehr schöne
braune Augen, ein sehr feingoschnittenes sdrofil und einen
ent " 'enden kleinen Uiund mit blendend weißen Zähnen.
Ntit besonderer Genugthuung konstatierte Leutnant von
kseyden, der sehr rnel ivert auf Aeußerlichkeiten legte,
daß die junge Dame sehr gut angezogen war. ilnd dieselbe
Lntdeckung nmchte Fräulein Llsbeth bei ihrem Vis-a-vis.
Sie sah ihm sofort den Vffizier in Livil an, aber er trug kein
„Räubercivil," sondern war nach der neuesten Nlode gekleidet
und seine frische, elegante Erscheinung kam zur vollsten Geltung.
Lrst als der Schasfner auf einer der nächsten Stationen
die Billets coupierte und sie darauf aufnierksam machte, daß
sie in Lsamburg eine halbe Stunde Aufenthalt hätten, erfuhren
sie, daß sie beide dasselbe Reiseziel hatten. Zuerst leuchteten
seine Augen freudig auf, dann aber sah er sie ganz traurig an.
„lvas haben Sie denn nur?" erkundigte sie sich, als sie
seinen mit einemmal so ganz voränderten Gesichtsausdruck
bemerkte.
„Sie thun mir entsetzlich leid, gnädiges Fräulein. Sie
kennen die Stadt, die Sie aufsuchen wollen, noch nicht. Ich
kann Ihnen nur ratein noch ist es Zeit, kehren Sie um. Ls
ist bei uns tödlich steif und entsetzlich langweilig — selbst die
Auswanderung der Ratten und Nläuse nimmt bei uns von Iahr
zu Iahr zu, selbst denen ist es bei uns zn stumpfsinnig. Fremde
kommen nie zu uns. Linmal war ein Geschäftsreisender bei
uns in der Stadt — nach vierundzwanzig Stunden wnrde der
Nlann geisteskrank und floh unter Zurücklassung seiner Nluster-
koffer davon. Noch einmal rate ich Ihnen: kehren Sie nm."
Sie hatte ihm belustigt zugehört, nun sagte sie ganz ernsti
„Ihre Schilderung, selbst wenn sie etwas übertrieben ist, stimmt
mich traurig — ich hatte mich sehr auf die Stadt gefreut. Ich hatte
auf viel vergnügen, viele Feste, auf viele Amusements gehofft."
„Da reisen Sie wohl zuin Besuch einer Freundin nach Z.?"
fragte er; „na, daß die Ihnen die Stadt in allen Regenbogen-
farben schilderte, nur um Sie dahin zu locken, ist ja schließlich
kein lvunder, gnädiges Fräulein; aber ich wette mit Ihnen,
daß Sie den Aoffer gar nicht erst auspacken, sondern gleich
wieder abreisen."
„Die lvette verlieren Sie ganz sicher," widersprach sie; „drei
Iahre bleibe ich sicher dort, vielleicht auch vier." ^
„Ach Du barmherziger löimmell" stöhnte er, „drei Iahre
wenigstens? da häben Sie sicher bei irgend einer tvfsiziers-
odcr höheren Beamtenfamilie eine Stellung als Lrzieherin der
Ainder angenommen und sich auf so lange Ieit kontraktlich
binden inüssen? Na, ich bin begierig, wie lange Sie es aus-
halten?"
Für einen Augenblick dachte sie daran, ihm den Irrtum,
in dem er sich befand, zu nehmen, dann aber verwarf sie den
Gedanken wieder.
„Sie leben doch auch dort?" sagte sie, „und wie es nach Ihren
Schilderungen den Anschein hat, doch auch schon längere Zeit."
„Allerdings!" stimmte er ihr bei, „ich bin dazu verurteilt,
dort in Garnison zu stehen, ich bin Vffizier — von ljeyden ist
mein Name. Aber Ihnen, gnadiges Fräulein, kann ich es ja
sageni die Tage des Unglücks sind für mich gezählt. Ich war
auf Urlaub und habe die Ieit dazu benützt, nm mit einem
entfernten verwandten, der zum UUlitärkabinett kommandiert
ist, unter vier Augen bei einer Flasche Sekt ein ernstes lvort
zu reden. Der Nkann sah schließlich ein, daß ich ineiner geistigen
und leiblichen Auflösung entgegengehe, wenn ich noch länger
in Z. bleibe. Lr hat füc mich zu thun versprochen, was er
nur irgend thun kann — ich denke, spätestens in sechs kvochen
bin ich in einer großen Stadt. Na, die werden im Regiment
Augen machen, wenn meine versetzung herauskommt — vor-
her dürfen sie natürlich nichts davon erfahren, sonst sind sie im-
stande und vereiteln mir meinen plan. Ganz besonders freue
ich mich auf das Gesicht meines Vberst — ich glaube, der wird
den Schmerz mich zu verlieren, gar nicht überwinden."
„Sind Sie bei dem kserrn Vberst so gut angeschrieben?"
Lr lachte laut auf: „Im Gegenteil, gnädiges Fräulein; er
kann mich auf den Tod nicht leiden< ich bin ihm zu flott, zu
lustig, nicht ernsthaft genug. kvas weiß ich alles. Aber kein
Ntensch kann sich doch anders machen, als er nun einmal ist,
da stimmen Sie mir doch bei?"
Das that sie, dann aber brachte sie das Gespräch etwas
gewaltsam auf andere Dingei sie durfte nach ihrer Nteinung
seine militärischen bserzensergüsse nicht länger anhören, ohne
ihm zu sagen, wer sie sei und das wollte sie nicht. In bsamburg
trennten sich ihre ivege — Zwar erlaubte sie ihm noch, ihr iin
ivartesaal Gesellschaft zu leiston, dann aber stieg sie, als der
Zug gemeldet rourde, in ein Damen-Loupö, während er die
Zlbteilung für Raucher aufsuchte. Trotzdem er sich nun dem
Genuß der lang entbehrten Ligarre hingeben konnte, war er
zuerst böse, daß er seiner schönen Reisebegleiterin nicht mehr
(äonsetzumz Scitc 8Z.)
Krmstschüht'.
Aunstschützei „Line komische Gesellschaft dasl Der da kann den Stöpsel von der Flasche nicht herunterkriegen, die Alte ist
nicht imstande, die Brezel zu zerbrechen, und der dort sagt, er darf nicht rauchen und zünd' sich doch das Pfeiferl an!