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M eg g e nd o r f e r - B l ä t t e r, Nünchen
sie nius; nüt diesem Zug gekonnnen sein, aber außer Ihnen ist
niemand ausgestiegen. tfaben Sie die junge Dame nicht in
bsaniburg oder sonst auf einer Station geseheni niittelgroße, sehr
schöne braune illugen, eiu sehr feingeschnitteues sdrofil —"
kfeydeu hörte gar nicht mehr zu, mit eineminal gingen ihm
die Augen auf — uun wußte er, wem er gegenüber gesessen
und wem er sein tferz ausgeschüttet hatte. tvenn aber das
jnnge Mädchen zu lhaus etwas davon erzählte, daß er sich ver-
setzen lassen wollte, daun wurde sicher nichts daraus, der Gbcrst,
mit dem er sehr schlecht stand, obgleich die Aommandeuse ihn
sehr protegierte, wnrde ihm die Oersetzung, die fast einer Be-
lohnung gleich kam, nicht gönnen und sie verhindern.
Da kam ihm ein rettender Gedankc.
„Gehen 5ie nur nach 6aus, Flotow und melden 5ie dem
Rommaudeur, seine Tochter wäre uicht initgekomnieu. 2ie sehen
ja, cs ist niemaud ausgestiegen, uud da fährt der Iug ja auch
schon wieder ab."
Der Adjutant war sehr erschrocken: „Ls wird der jungen
Dame doch hoffentlich kein Unglück zugestoßen sein, ich will
sofort zu dem Lserru Gberst — es muß gleich telegraphiert werden."
Und fort war er, ohne auch nur daran zu denken, sich die
Blumen, die lheyden immer noch in der lhand hielt, zurückgeben
zu lassen. Aaum war er gegangen, da stürzte bfeyden auf den
Stationsvorsteher zu, dem er persönlich bekannt wari „Sie
müssen sofort den Zug umkehren oder wenn das nicht möglich
ist, auf der nächsten Station halten lassen. Besorgen 5ie dann
sofort eine Draisine, ich fahre hinterher — Fräulein von Rosen-
berg, die Tochter des lherrn Mberst befindet sich im Zug, sie
sollte hier aussteigen, vielleicht hat sie geschlafen,
vielleicht hat der Schaffner vergessen, die Toupe-
thüre zu öffnen, was weiß ich. Auf jeden Fall
muß die junge Dame heute abend noch zu ihren
Lltern gebracht werden. Geschieht das nicht, so
müssen Sie die Folgen tragen. Sie kennen ja
den lherrn Vberst."
Und ob der noch jugendliche Stationsvor-
steher den kannte. Im Frühjahr hatte er cine
Landwehrübung in der Garnison gemacht und
dabei den bferrn Gberst keniien gelernt — der
verstaud keinen Spaß. Und schließlich war der
lferr Gberst doch auch die lfauptperson hier in
der ganzen Stadt: dcm zu liebe konnten die
bestehenden Bestimmungen schon etwas milder
gehandhabt werden.
Der Zug mußte halten — auf soiner Pfeife
gab der Stationsvorsteher das Zeichen: ,Zug
halt/ aber es war zu spät, der Iug war bereits
nm die Lcke verschwunden, das Signal konnte
nicht mehr gehört werden.
„Also telegraphieren Sie nach dcr nächsten
Station und bestellen Sie sofort eine Draisinel"
Gehorsam kam der Stationschef dieser 2luf-
forderung uach, und eine kleine Viertelstunde
später fuhr die Draisine so schnell es nur irgend
ging nach der nur wenige Uilomcter entsernten
Station, auf der der Zug hielt. Alle Reisenden
waren in großer Aufrogung, niemand wußte,
um was es sich handelte — Fräulein Llsbeth abor
schwamm in Thränen, sie hatte erfahren, daß I.
bereits passiert sei, und sie sürchtete sich in einer
ihr wildfremden Stadt aussteigen und dort die
Racht in einem lsotel verbringen zu müssen. Mit Schrecken
hatte sie auch bemerkt, daß ihre Barmittel fast am Lnde waren,
was sollte nun werdeu?
Da erschien Leutnant von kfeyden — wenige Worte genügten
znr Aufklärung — und gleich darauf fuhren bcide auf der Draisine
nach I. zurück. „Ach so, ja richtig, die Blumen hatte ich ja ganz
vergessen," sagte lherr von lheyden und überreichte Fräulein Lls-
beth den Strauß, „zwar bin ich nicht beauftragt, Ihnen den-
selbcn zu überbringen, aber ich denke, Sie werden ihn nicht
zurückweiscn, weil er aus nieinen lhänden koninit. Aber Leute,"
mahnte er die Arbeiter, „laßt euch doch Zeit, fahrt nicht so
schnell, ein gutes Trinkgeld gibt es anch so."
Und ininier wieder mahnte er: „Fahrt doch langsam —
fahrt doch langsam" und sonderbarerweise widersprach Fräulein
Tlsbeth nicht: sie fühlte sich an der Seite des schönen Gffiziers
so sicher, so ruhig, so glücklich, daß sic am liebsten stundenlang
neben ihm gesessen und seincn Worten gelauscht hätte.
lvas die beiden auf der Draisine miteiiiander sprachen,
hörte niemand — was sie sich aber erzählt hatten, wurde allen
klar, als sechs Wochen später Leutnant von kfeyden seine Ber-
lobung mit Fräulein von Rosenberg an demselben Tag ver-
öffentlichte, an dem seine versetzung in eine große Garnison
bekannt gegeben wurde.
Trotz aller Uameradschaft gönnte niemand dem Leutnant
von Lfeyden die schöne Braut — am meisten aber ärgerte sich
die Tischgesellschaft darüber, daß sie aus der Strafkasse noch
das Berlobungsbouquet bezahlt hatte — denn heimlich verlobt
hatten sich die beiden schon auf der Draisine.
Des Dichlers Kohn.
vater: „Ra ivart' aber, Du bist ja, wie ich aus Deinen Zeuguissen crsehe,
schon wieder durchgefallen."
Söhnchen: „Mir scheint, Du auchl"
Vcrantwortlicher Redakteur: lliax Schreiber. Druck von I. F. Schreibcr, beido in Lßlingen bei Stuttgart.
In G c st e r r e i ch--A n g ar n für bferausgabe und Redaktion verantwortlich: Robort Mohr in tvien I.
Verlag vvn I. F. Schreiber in München und Etzlingen.
M eg g e nd o r f e r - B l ä t t e r, Nünchen
sie nius; nüt diesem Zug gekonnnen sein, aber außer Ihnen ist
niemand ausgestiegen. tfaben Sie die junge Dame nicht in
bsaniburg oder sonst auf einer Station geseheni niittelgroße, sehr
schöne braune illugen, eiu sehr feingeschnitteues sdrofil —"
kfeydeu hörte gar nicht mehr zu, mit eineminal gingen ihm
die Augen auf — uun wußte er, wem er gegenüber gesessen
und wem er sein tferz ausgeschüttet hatte. tvenn aber das
jnnge Mädchen zu lhaus etwas davon erzählte, daß er sich ver-
setzen lassen wollte, daun wurde sicher nichts daraus, der Gbcrst,
mit dem er sehr schlecht stand, obgleich die Aommandeuse ihn
sehr protegierte, wnrde ihm die Oersetzung, die fast einer Be-
lohnung gleich kam, nicht gönnen und sie verhindern.
Da kam ihm ein rettender Gedankc.
„Gehen 5ie nur nach 6aus, Flotow und melden 5ie dem
Rommaudeur, seine Tochter wäre uicht initgekomnieu. 2ie sehen
ja, cs ist niemaud ausgestiegen, uud da fährt der Iug ja auch
schon wieder ab."
Der Adjutant war sehr erschrocken: „Ls wird der jungen
Dame doch hoffentlich kein Unglück zugestoßen sein, ich will
sofort zu dem Lserru Gberst — es muß gleich telegraphiert werden."
Und fort war er, ohne auch nur daran zu denken, sich die
Blumen, die lheyden immer noch in der lhand hielt, zurückgeben
zu lassen. Aaum war er gegangen, da stürzte bfeyden auf den
Stationsvorsteher zu, dem er persönlich bekannt wari „Sie
müssen sofort den Zug umkehren oder wenn das nicht möglich
ist, auf der nächsten Station halten lassen. Besorgen 5ie dann
sofort eine Draisine, ich fahre hinterher — Fräulein von Rosen-
berg, die Tochter des lherrn Mberst befindet sich im Zug, sie
sollte hier aussteigen, vielleicht hat sie geschlafen,
vielleicht hat der Schaffner vergessen, die Toupe-
thüre zu öffnen, was weiß ich. Auf jeden Fall
muß die junge Dame heute abend noch zu ihren
Lltern gebracht werden. Geschieht das nicht, so
müssen Sie die Folgen tragen. Sie kennen ja
den lherrn Vberst."
Und ob der noch jugendliche Stationsvor-
steher den kannte. Im Frühjahr hatte er cine
Landwehrübung in der Garnison gemacht und
dabei den bferrn Gberst keniien gelernt — der
verstaud keinen Spaß. Und schließlich war der
lferr Gberst doch auch die lfauptperson hier in
der ganzen Stadt: dcm zu liebe konnten die
bestehenden Bestimmungen schon etwas milder
gehandhabt werden.
Der Zug mußte halten — auf soiner Pfeife
gab der Stationsvorsteher das Zeichen: ,Zug
halt/ aber es war zu spät, der Iug war bereits
nm die Lcke verschwunden, das Signal konnte
nicht mehr gehört werden.
„Also telegraphieren Sie nach dcr nächsten
Station und bestellen Sie sofort eine Draisinel"
Gehorsam kam der Stationschef dieser 2luf-
forderung uach, und eine kleine Viertelstunde
später fuhr die Draisine so schnell es nur irgend
ging nach der nur wenige Uilomcter entsernten
Station, auf der der Zug hielt. Alle Reisenden
waren in großer Aufrogung, niemand wußte,
um was es sich handelte — Fräulein Llsbeth abor
schwamm in Thränen, sie hatte erfahren, daß I.
bereits passiert sei, und sie sürchtete sich in einer
ihr wildfremden Stadt aussteigen und dort die
Racht in einem lsotel verbringen zu müssen. Mit Schrecken
hatte sie auch bemerkt, daß ihre Barmittel fast am Lnde waren,
was sollte nun werdeu?
Da erschien Leutnant von kfeyden — wenige Worte genügten
znr Aufklärung — und gleich darauf fuhren bcide auf der Draisine
nach I. zurück. „Ach so, ja richtig, die Blumen hatte ich ja ganz
vergessen," sagte lherr von lheyden und überreichte Fräulein Lls-
beth den Strauß, „zwar bin ich nicht beauftragt, Ihnen den-
selbcn zu überbringen, aber ich denke, Sie werden ihn nicht
zurückweiscn, weil er aus nieinen lhänden koninit. Aber Leute,"
mahnte er die Arbeiter, „laßt euch doch Zeit, fahrt nicht so
schnell, ein gutes Trinkgeld gibt es anch so."
Und ininier wieder mahnte er: „Fahrt doch langsam —
fahrt doch langsam" und sonderbarerweise widersprach Fräulein
Tlsbeth nicht: sie fühlte sich an der Seite des schönen Gffiziers
so sicher, so ruhig, so glücklich, daß sic am liebsten stundenlang
neben ihm gesessen und seincn Worten gelauscht hätte.
lvas die beiden auf der Draisine miteiiiander sprachen,
hörte niemand — was sie sich aber erzählt hatten, wurde allen
klar, als sechs Wochen später Leutnant von kfeyden seine Ber-
lobung mit Fräulein von Rosenberg an demselben Tag ver-
öffentlichte, an dem seine versetzung in eine große Garnison
bekannt gegeben wurde.
Trotz aller Uameradschaft gönnte niemand dem Leutnant
von Lfeyden die schöne Braut — am meisten aber ärgerte sich
die Tischgesellschaft darüber, daß sie aus der Strafkasse noch
das Berlobungsbouquet bezahlt hatte — denn heimlich verlobt
hatten sich die beiden schon auf der Draisine.
Des Dichlers Kohn.
vater: „Ra ivart' aber, Du bist ja, wie ich aus Deinen Zeuguissen crsehe,
schon wieder durchgefallen."
Söhnchen: „Mir scheint, Du auchl"
Vcrantwortlicher Redakteur: lliax Schreiber. Druck von I. F. Schreibcr, beido in Lßlingen bei Stuttgart.
In G c st e r r e i ch--A n g ar n für bferausgabe und Redaktion verantwortlich: Robort Mohr in tvien I.
Verlag vvn I. F. Schreiber in München und Etzlingen.