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INeggendorfer-Blätter, München
Zie Danrenraöfahrhose.
Line Aleinstadtskizze von O. Jegevl.
n Sumpfbausen, einen, mittleren StÄdtchen mit zehn
V tfonoratioren erster und fünfen zweiter Güte, herrschte
? große Aufregung. Line eminent fortschrittliche Neuig-
keit hatte das in dieser Beziehung gewiß nicht ver-
wöhnte Lrdenfleckchen heimgesucht, ein Stein des Anstoßes
war in den friedlichen tveiher kleinbürgerlichen Alltagslebens
gefallen und zog seine Areise —: Die erste Damenradfahr-
hose hatte sich am Pfingstsonntag vormittag, noch dazu wäh-
rend der Airchzeit, in langsamem Takt über den Sumpf-
hausener Marktplatz bewegt und hatte die Andacht der in der
Airche versammelten lfonoratiorendamen in der ,/grLblichsten
Uleise verletzt.
Das ging nämlich folgendermaßen zu:
Als besagte Damenradfahrhose in Begleitung einer männ-
lichen Radfahrhose über den Marktxlatz strampelte, steuerte eben
die Frau Notarin, die ihre lfaarwickel
am hohen Festtag ucl masorerri Osi ^lo-
riam eine Viertelstunde länger liegen
lassen zu müssen glaubte, etwas verspätet
der Kirche zu, sah das augenscheinlich
direkt aus der lsölle importierte Ungetüm,
beeilte sich, daran Anstoß zu nehmen und
dann rasch in der Airche die übrigen
Damen zu alarmieren.
Im Nu waren die verschiedenen
kserren, die sich schon auf den Alängen der
Vrgel in mehr oder weniger himmlische
Lsöhe erhoben hatten, durch den mächtigen
Utagnetismus weiblicher Lrdenschwäche in
den Bann der ebenso unerhörten als in-
teressanten Neuigkeit gezogen. Leise Tritte
huschten aber- und abermals zur Uirchen-
thüre, jede wollte das Wunder mit eigenen
Augen schauen. Wohlgemerkt: Die Sumpf-
hausener Damen hatten „niedere" Be-
grisfe von Anstand und Sitte insofern,
als sie die oberste Anstandsgrenze bei Damen laut Aaffeegeneral-
versammlungsbeschluß vom >. IV. qq zwei Finger breit oberhalb
des Anöchels festgelegt hatten.
Das ahnungslose sremde Radlerpaar hatte eben bei einer
alten Bbstlerin am Nlarkte Ihalt gemacht, und so konnte denn
die Llsternschar unter der Airchthüre bequem den seltenen
Vogel ins Areuzfeuer seiner giftigen Blicke nehmen. Lndlich
kam der in höchster Sxannung erwartete kritische Aloment des
Aufstiegs. Sie sahen, wie sich ein zierliches Großstadtfüßchen
slink, mit einer weichen und doch schwungvollen Bewegung,
graziöser als ein Rußhändchen, auf den Rücken des geliebten
Stahlrößleins erhob. Der liebe
Gott mußte seine Freude daran
haben, jedenfalls größere Freude
als an den — keineswegs er-
bauten an der Airchthüre kle-
benden—Lästerkätzchen, die einen
Teil des Gottesdienstes versäumt
hatten, um eine in ihren Augen
noch dazu höchst anstößige Sache
mit anzusehen — und die auch
jetzt, in die Airche zurückgekehrt,
nicht für drei jdfennig Andacht
mehr zu heucheln wußten.
Der bjerr Pfarrer konnte
nicht begreifen, warum gerade
heute, bei seiner schönen Pfingst-
predigt so viele Damen anschei-
nend eine Indisposition verspürt
hatten und beschloß im stillen,
den Aonditor ins Gebet zu
nehmen.
Nach der Airche, auf dem
Ularktplatz, fand man noch nicht
die richtigen worte für dasjunerhörte Schausxiel, und da es außer-
dem Lssenszeit war, beschloß man, das wichtige Lreignis als
Tagesordnung für die gleich nach Tisch anberaumte Generalver-
sammlung der fünf radfahrenden bjonoratiorendamen aufzustellen.
Die Illänner Sumxfhausens, denen die brennende Frage als
lrors ä^oenvre aufgetischt wurde, verhielten sich natürlich aus
materiellen — Pardonl — ästhetischen Rücksichten ablehnend
gegenüber der Damenradfahrhose, mit Ausnahme des bjerrn
Bezirksarztes, der eben einen Aufsatz über Frauenreformkleidung
in der Uledizinischen wochenschrist gelesen hatte.
INeggendorfer-Blätter, München
Zie Danrenraöfahrhose.
Line Aleinstadtskizze von O. Jegevl.
n Sumpfbausen, einen, mittleren StÄdtchen mit zehn
V tfonoratioren erster und fünfen zweiter Güte, herrschte
? große Aufregung. Line eminent fortschrittliche Neuig-
keit hatte das in dieser Beziehung gewiß nicht ver-
wöhnte Lrdenfleckchen heimgesucht, ein Stein des Anstoßes
war in den friedlichen tveiher kleinbürgerlichen Alltagslebens
gefallen und zog seine Areise —: Die erste Damenradfahr-
hose hatte sich am Pfingstsonntag vormittag, noch dazu wäh-
rend der Airchzeit, in langsamem Takt über den Sumpf-
hausener Marktplatz bewegt und hatte die Andacht der in der
Airche versammelten lfonoratiorendamen in der ,/grLblichsten
Uleise verletzt.
Das ging nämlich folgendermaßen zu:
Als besagte Damenradfahrhose in Begleitung einer männ-
lichen Radfahrhose über den Marktxlatz strampelte, steuerte eben
die Frau Notarin, die ihre lfaarwickel
am hohen Festtag ucl masorerri Osi ^lo-
riam eine Viertelstunde länger liegen
lassen zu müssen glaubte, etwas verspätet
der Kirche zu, sah das augenscheinlich
direkt aus der lsölle importierte Ungetüm,
beeilte sich, daran Anstoß zu nehmen und
dann rasch in der Airche die übrigen
Damen zu alarmieren.
Im Nu waren die verschiedenen
kserren, die sich schon auf den Alängen der
Vrgel in mehr oder weniger himmlische
Lsöhe erhoben hatten, durch den mächtigen
Utagnetismus weiblicher Lrdenschwäche in
den Bann der ebenso unerhörten als in-
teressanten Neuigkeit gezogen. Leise Tritte
huschten aber- und abermals zur Uirchen-
thüre, jede wollte das Wunder mit eigenen
Augen schauen. Wohlgemerkt: Die Sumpf-
hausener Damen hatten „niedere" Be-
grisfe von Anstand und Sitte insofern,
als sie die oberste Anstandsgrenze bei Damen laut Aaffeegeneral-
versammlungsbeschluß vom >. IV. qq zwei Finger breit oberhalb
des Anöchels festgelegt hatten.
Das ahnungslose sremde Radlerpaar hatte eben bei einer
alten Bbstlerin am Nlarkte Ihalt gemacht, und so konnte denn
die Llsternschar unter der Airchthüre bequem den seltenen
Vogel ins Areuzfeuer seiner giftigen Blicke nehmen. Lndlich
kam der in höchster Sxannung erwartete kritische Aloment des
Aufstiegs. Sie sahen, wie sich ein zierliches Großstadtfüßchen
slink, mit einer weichen und doch schwungvollen Bewegung,
graziöser als ein Rußhändchen, auf den Rücken des geliebten
Stahlrößleins erhob. Der liebe
Gott mußte seine Freude daran
haben, jedenfalls größere Freude
als an den — keineswegs er-
bauten an der Airchthüre kle-
benden—Lästerkätzchen, die einen
Teil des Gottesdienstes versäumt
hatten, um eine in ihren Augen
noch dazu höchst anstößige Sache
mit anzusehen — und die auch
jetzt, in die Airche zurückgekehrt,
nicht für drei jdfennig Andacht
mehr zu heucheln wußten.
Der bjerr Pfarrer konnte
nicht begreifen, warum gerade
heute, bei seiner schönen Pfingst-
predigt so viele Damen anschei-
nend eine Indisposition verspürt
hatten und beschloß im stillen,
den Aonditor ins Gebet zu
nehmen.
Nach der Airche, auf dem
Ularktplatz, fand man noch nicht
die richtigen worte für dasjunerhörte Schausxiel, und da es außer-
dem Lssenszeit war, beschloß man, das wichtige Lreignis als
Tagesordnung für die gleich nach Tisch anberaumte Generalver-
sammlung der fünf radfahrenden bjonoratiorendamen aufzustellen.
Die Illänner Sumxfhausens, denen die brennende Frage als
lrors ä^oenvre aufgetischt wurde, verhielten sich natürlich aus
materiellen — Pardonl — ästhetischen Rücksichten ablehnend
gegenüber der Damenradfahrhose, mit Ausnahme des bjerrn
Bezirksarztes, der eben einen Aufsatz über Frauenreformkleidung
in der Uledizinischen wochenschrist gelesen hatte.