Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 50.1902 (Nr. 601-613)

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16552#0012
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
8

Meggenöorfer-Blätter, München


„Vb er wohl zu uns will?" sagte Frau
Bergmann, welche dem gruseligen Natur-
schausxiele durchs Fenster zusah. Doch da
wurde auch schon die Glocke gezogen, und
wenigc Minuten danach stand ein trotz der
triefenden Gewandung eleganter, hübscher
junger Mann vor der Familie Bergmann.
In höflichen Worten entschuldigte er sein
Lindringen und bat um Unterkunftz bis das
wetter vorüber sei. Lr stellte sich als
thans Wagner, Architekt, vor und gab an,
sich auf der 5uche nach einem Sommerlogis
in der ihm unbekannten Gegend verirrt zu
haben und könne nun in diesem Unwctter
nicht mehr weiter.

Lserr und Frau Bergmann hießen ihn
ahnungsvoll willkommen, und da das abscheu-
liche Wetter nicht nachließ, so boten sie ihm
Gastfreundschaft für die kommende Nacht.
bsans Wagner nahm mit Freuden das liebens-
würdige Anerbieten an, und als er dann im
Laufe der heiter verfließenden Unterhaltung
erwähnte, er komme aus gamburg, warfen
ihm seine Gastgeber so merkwürdig an-
deutungsvolle Blicke zu, daß er unwillkürlich
in verwirrung geriet.

Aha, dachte Lserr Bergmann, der das
wohl bemerkt hatte, jetzt hat er sich verraten!
Es war gar kein Zweifel — Willy Striese
inkognito.

Ls war am andern Tage natürlich
keine Rede mehr davon, daß Magner
die villa verließ, um sich irgend-
wo ein Unterkommen zu
suchen; Berg-
manns rechneten
es sich ja zur Lhre
an, einen so lieben
Gast in ihrem
kseim zu beher-
bergen, und sie
thaten dies mit
so liebevoller kserz-
lichkeit, daß ksans
kvagner sich bald
heimisch unter
diesen ihm doch
so völlig fremden
Nlenschen fühlte.

Und erst 'kläthe, dieses entzückende Ulädchenl
von Tag zu Tag liebte sr sie mehr, und er
las in ihren Augen, daß sie seine Liebe er-
widerke. Aber wie konnte er, der heute
Unbemittelte, es wagen, um dieses vermögen-
de Uiädchen zu werben, wenngleich ihm
seine Aenntnisse, sein Fleiß und seine Intelli-
genz die glücklichsten Ausfichten für die Zu-
kunft verhießen?

Und doch war es ihm, als ob der Lltern
Augen voll kvohlgefallen auf ihm ruhten,
wenn er mit kläthe am Arm dahinschritt
oder in vertraulichem Gesxräch mit ihr bei-
sammensaß. Ia, es schien ihm sogar, daß
sie mit einer gewissen Geflissentlichkeit eine
Annäherung an Aäthe begünstigten. kvenn
nur bei alledem das Benehmen des guten
alten kserrn nicht gar so rätselhaft gewesen
wäre. Namentlich wenn die Rede auf
kjamburg kam, quittierte cr diesen Umstand
mit einem so vielsagenden, geheimnisvollen
Lächeln — einfach unbegreiflich. Doch hatten
diese 5onderbarkeiten nichts Abweisendes, im
Gegenteil, sie schienen eher darnach angetan,
ihn aufzumuntern, und mehr wie einmal,
wenn Papa Bergmann so schelmisch heraus-
fordernd mit den Augen zwinkerte, war
kians kvagner nahe daran, alles zu gestehen.
Doch immer wieder hielt ihn der Gedanke
an seine Rechtlosigkeit, in diesem kiause als
Freier aufzutreten, davon ab. Lines
Tages indes,
als es zwischen
den beiden
Nlenschenkindern
zu einer end-
lichen Aus-
sxrache ge-
kommen war, faßte
kjans den Lntschluß,
mit Bergmann zu
reden. Von seiner
Iustimmung hing ja
nunmehr sein ganzes
Lebensglück ab. Allen
Nkut zusammenneh-
mend, trat er am
andern Tage mit
feierlicher lNiene tn

/L

E.
 
Annotationen