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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 50.1902 (Nr. 601-613)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16552#0039
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Zeitschrift für Humor und Auust

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Das Gespräch der beiden kserren drehte sich um das Ccheater
und hatte damit ein Gebiet getroffen, auf dem auch der an-
dächtige Lauscher sich nicht völlig sremd fühlte. Im Gegenteih
das lag ihm sogar! thatte er doch den „Schlafwagenkontrolleur,"
„Im weißen Rößl," den „Raub der 5abinerinnen" und die
übrigen Schoßkinder der modernen Bühne zu wiederholtenmalen
genossen und seinen litterarischen Geschmack an ihuen geläutertl
Rein wunder also, daß er der Lntwicklung des Gesprächs
eifrig Gehör gab!

Leider sprachen die beiden nur von unbekannten Stücken,
von solchen, in denen der ältere kferr einige nicht uuwesentliche
dramatische Oerstöße entdeckt zu haben behauptete.

„Dramatisch?" — wiederholte lherr Rogatus leise und
ungläubig. „Dramatisch?" kvar das wirklich das kvort gewesen,
oder sollte er sich verhört haben? Diese infamen Billardkugeln l
Deshalb auchl . . „Grammatisch" mußte es vielleicht heißen
natürlich grammatisch! Das hatte er ja auf der Schule häusig
gehört . . . Schon wollte er sich dabei beruhigen, als der
Sprecher in zusammenhängender Redc scinen Russpruch be-
gründete, iudem cr fortfuhr:

„Seheu Sie, liebster Doktor, mas nützen mir alle diese au
sich trefflichen Lharakterzeichnungen, all dicse viel gepriesene
kvirklichkeitskuust unserer modernen Stückc mit ihrem Drum
und Dran, wenn ich keine ksandlung habe. Denn das Drama
ist und bleibt doch immer das Drama —"

„Dramal" tönte es wehmütig in lferrn Rogatus uach. Also
doch „dramatisch," nicht „grammatisch I" Aber „Drama," ja,
was war denn das? Bergebens mühte er sich ab, die geheimsten
Tiefen seiner Erinnerung zu ergrüuden — keine Ahnung . . .
Das beunruhigte ihn noch mehr . . . Drama! Immer wieder
fiel das ominöse Schlagwort, und jedesmal durchfuhr es ihn
wie ein INesserstich. Drama l.. Ls klang so schön, so weich, so voll
— und uicht zu wissen, was es bedentete! Drama! . . . Berr Roga-
tus spielte mehr und mehr die Rolle eines modernen Tantalus.

So ging es nicht länger. Lr war fest entschlossen, diesen
(!?ualen ein schnelles Lude zu bereiten, auf die kjerren zuzutreten
und um eine Lrklärung zu bitten, als wider Lrwarten seine
auf die Folter gespannte Wißbegierde eine völlige Genugtuung
fand durch die Worte:

„Sehen Sie, die lserren sollten meines Lrachtens stets im
Auge behalten, daß schon durch den Namen „Drama" die kjand-
luug hinlänglich bcdingt ist. Deun was heißt Drama? Sandlung,
nichts als Ljandlungl"

lserr Rogatus kam in versuchung, dem Sprecher um den
kjals zu fallen wegen dieser Aufklärung, dic ihm so unwillkürlich
zu teil geworden war.

„Drama heißt lhandlung!" jubeltc es in ihm, und beglückt,
beseligt wandte er sich den häuslichen Penaten zu.

„Meun das Zeug in Flaschcn ist, neunt man's zweckmäßig
Dito — Drama heißt kjandlung," so tönte es in ihm uach, als
er durch die stillen Straßen schritt, so resümierte er, als er die
schwere Türe seines Banses öffnete, den vcrklärten Blick nach
oben gerichtet.

Ilnd da — als die schwere jdforte sich ächzend und knarrend
in ihren rostigen Angeln drehte, durchzuckte ihn plötzlich mit
blitzartiger Schnclle ein Gedanke, der ihn völlig in Anspruch
uahm. Line höchst sinnreiche Idee, die allmählich zum festen,
greifbaren Entschlnsse iu ihm reifte! Illit lllühe vormochte er
das gestörte Glcichmaß seiuer Seele in ciucm ergiebigen Schlum-
mer wiederzufinden.

Ljerr Rogatus hat niemand zum lllitwisser seiner Idee
gemacht. Aber mit innigem Behagcn war er Zeuge, wie sich
am folgcndeu Vormittag die Leute vor seincm lhause zusammen-
scharten, die Aöpfe schüttelten, die kjälse reckten und dic Augen
verdrehten.

Dcr Gruud dieses seltsamen Schauspiels war nichts Ge-
ringeres als die plötzliche llmwandluug, die seit wenigen Stunden
mit dem Firmenschilde des Flaschenbierhändlers auf dessen Ge-
heiß vor sich gegangen war.

Dasselbe hatte von jetzt ab die weit klangvollere Fassuug:
„Felir Rogatus, Dito-Drama."

Radl'ergluck.

vo» Max Schlotz.

Fesches lllädel — radclt halt,
August sieht sie — gleich verknallt.

Lndlich kann er's — zwar nicht gut,

Doch die Sehnsucht, -— daher lNut.
 
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