Meggendorfer-BIätter, München
Zllustriertes Äitat.
Aus Göthes „Faust."
Fläschchen dort den Augen ein Magnet?"
Leöenöe Lieder.
tzumoresko von Franz Balke.
^^wei jung gebratene Tauben kalt,
Lin Mädchen achtzehn Iahre alt,
Wem das nicht gefallen inag,
Oer ist ein Narr auf sein Lebtag.
5o sagt ein alter volksspruch, dessen umfassende Weisheit
der junge Privatdozent Dr. Bergner erst seit ungefähr vierzehn
Tagen erkannt hatte. Zwar hatte er Tafelrunden nie verachtet,
aber so ein Mädchen von achtzehn Iahren, so ein blühendes,
herziges Geschöpf, das hatte er bisher ängstlich gemieden. Und
so war er doch innner noch ein halber Narr geblieben, bis —
rvie gesagt — vor zwei wochen. Da war ihm eine weisheit
gekommen, die von seinen gewöhnlichen Studien ziemlich ab-
seits lag.
Dr. Bergner hatte sich regelrecht in seine Tonsine verliebt.
— Sie war cigentlich eine weitläustge verwandte seiner Stief-
tante, da aber Bergner sür diesen komplizierten verwandtschafts-
grad keine spezielle Bezcichnung sand, so nannte er die bsolde
nach bewährtem Rezept „Lousine." Sie hatte fünf Wochen
elterlichen Urlaub erhalten und war nach Leixzig gekommen,
uin dic Lousine ihrer Mutter, Bergners Stieftante, zu be-
suchen; sie wollte sich Leipzig einmal ordentlich ansehen
und sich bei Gelegenheit auch ein wenig amüsieren.
Der junge Doktor war gleich beim ersten Anblick in
das liebreizende, achtzehnjährige Lottchen total verschossen.
Niemand freute sich mehr darüber als Tante bsiller. Wir
wollen von vorn herein verraten, daß sie alle bsebel in
Bewegung gesetzt hatte, um das süße Tete-a-tete und eine
spätere verbindung der beiden herbeizuführen. — So
schnell, wie sie dachte, ging die Sache nun nicht. Die
Uleine war streng erzogen und glich in ihrer ängstlichen
Sittsamkeit einer unantastbaren, jungfräulichen Göttin.
Ls schien wenigstens so. Dr. Bergner war ein ruhiger,
denkender Gelehrter, dessen bserz nicht so leicht mit dem
verstande durchging. Ls war wohl schnell entslammt, aber
er hütete dieses Feuer sorglich, wie die Priesterinnen der
Vesta. Aein Nlort verriet die entfesselte lherzensglut.
Der junge Dozent war aus dem Boden der wissenschaft
ein schneidiger Uämxfer — im blühenden Garten der
Liebe wandelnd, verriet er eine fast kindliche Schüchtern-
heit. Tante bsiller, die nicht anders war, wie alle Tanten,
die sür teure Anverwandte eine Partie vermitteln, suchte
ihm durch allerhand Aniffe das Geständnis zu erleichtern
— vergebens. Der hoffnungsvolle Iünger der Gelehr-
samkeit blieb in Liebessachen ein Dilettant.
Lottchen war ihm sehr zugetan. Tiefer jdurxur uber-
zog ihre wangen, wenn sie in Bergners NLHe war. Sie
war ein gesundes, liebes, fröhliches Ding, durch dessen
Seele zum erstenmale ein heimlich süßes Zittern ging.
Bergner ahnte davon nichts. Das xrächtige Lousinchen
neckte sich zwar oft mit ihm, beobachtete aber doch eine
gewisse Zurückhaltung, so daß der Aermste nicht einmal —
ein Aüßchen wagte. Tin Aüßchen — ach ja> — — wie
oft hatte er daran gedacht — aber wie konnte er.
Ls schien, als hielt er es mit jenem Burschen, der da singt:
Die Aüss' mach'n Flecken,
Mei' Muatta hat's g'sagt;
Drum nehm' i' mi' gewalti'
Vorm Rüssen in achtl
vorderhand begnügte sich der Doktor damit, die
Geliebte recht oft zu sehen, mit ihr zu xlaudern und mit ihr
Uonzerte und Theater zu besuchen.-
Lines Zlbends wurden im großcn, festlich erleuchteten
zoologischcn Gartensaal „Lebende Lieder" vorgeführt. Man
unterhielt sich vortrefflich. was man da sah und hörte war
etwas Neues, etwas ganz Allerliebstes. Dr. Bergner saß mit
der Angebeteten in den vorderen Reihen. Bcide genossen ein
xaar herrliche Stunden. Diese Lieder, dencn dnrch ontsxrechende
Dekoration der Bühne, durch Uostümierung und dezentes Spiel
der Uünstler echtes Leben eingehaucht wurde, waren entzückend.
Nlie lauschte da Lottchen, dio unerfahrene Uleinstädterin; wie
eifrig ließ es sich der junge Gelehrte angelegen sein, ihr diese
musikalische Plastik zu erläutern. — Ziegenhirt und Ziegenhirtin
— Niozarts „Bändchen" — Uunst bringt Gunst — Der rote
Sarafan — Marquis und Marquise — Boim Schach — und wie
die reizenden Nummern des reichhaltigen jdrogamms alle lauteten,
gaben einen interessanten, unerschöpslichen Gosprächsstoff. —
Lin Liedchen brachte beide in einc köstliche verlegonheit.
Ls war die letztc Nummer dos ersten Teiles und hieß „Nach
der Tanzstunde." — Ein junger, bis über die Vhren verliebter
Zllustriertes Äitat.
Aus Göthes „Faust."
Fläschchen dort den Augen ein Magnet?"
Leöenöe Lieder.
tzumoresko von Franz Balke.
^^wei jung gebratene Tauben kalt,
Lin Mädchen achtzehn Iahre alt,
Wem das nicht gefallen inag,
Oer ist ein Narr auf sein Lebtag.
5o sagt ein alter volksspruch, dessen umfassende Weisheit
der junge Privatdozent Dr. Bergner erst seit ungefähr vierzehn
Tagen erkannt hatte. Zwar hatte er Tafelrunden nie verachtet,
aber so ein Mädchen von achtzehn Iahren, so ein blühendes,
herziges Geschöpf, das hatte er bisher ängstlich gemieden. Und
so war er doch innner noch ein halber Narr geblieben, bis —
rvie gesagt — vor zwei wochen. Da war ihm eine weisheit
gekommen, die von seinen gewöhnlichen Studien ziemlich ab-
seits lag.
Dr. Bergner hatte sich regelrecht in seine Tonsine verliebt.
— Sie war cigentlich eine weitläustge verwandte seiner Stief-
tante, da aber Bergner sür diesen komplizierten verwandtschafts-
grad keine spezielle Bezcichnung sand, so nannte er die bsolde
nach bewährtem Rezept „Lousine." Sie hatte fünf Wochen
elterlichen Urlaub erhalten und war nach Leixzig gekommen,
uin dic Lousine ihrer Mutter, Bergners Stieftante, zu be-
suchen; sie wollte sich Leipzig einmal ordentlich ansehen
und sich bei Gelegenheit auch ein wenig amüsieren.
Der junge Doktor war gleich beim ersten Anblick in
das liebreizende, achtzehnjährige Lottchen total verschossen.
Niemand freute sich mehr darüber als Tante bsiller. Wir
wollen von vorn herein verraten, daß sie alle bsebel in
Bewegung gesetzt hatte, um das süße Tete-a-tete und eine
spätere verbindung der beiden herbeizuführen. — So
schnell, wie sie dachte, ging die Sache nun nicht. Die
Uleine war streng erzogen und glich in ihrer ängstlichen
Sittsamkeit einer unantastbaren, jungfräulichen Göttin.
Ls schien wenigstens so. Dr. Bergner war ein ruhiger,
denkender Gelehrter, dessen bserz nicht so leicht mit dem
verstande durchging. Ls war wohl schnell entslammt, aber
er hütete dieses Feuer sorglich, wie die Priesterinnen der
Vesta. Aein Nlort verriet die entfesselte lherzensglut.
Der junge Dozent war aus dem Boden der wissenschaft
ein schneidiger Uämxfer — im blühenden Garten der
Liebe wandelnd, verriet er eine fast kindliche Schüchtern-
heit. Tante bsiller, die nicht anders war, wie alle Tanten,
die sür teure Anverwandte eine Partie vermitteln, suchte
ihm durch allerhand Aniffe das Geständnis zu erleichtern
— vergebens. Der hoffnungsvolle Iünger der Gelehr-
samkeit blieb in Liebessachen ein Dilettant.
Lottchen war ihm sehr zugetan. Tiefer jdurxur uber-
zog ihre wangen, wenn sie in Bergners NLHe war. Sie
war ein gesundes, liebes, fröhliches Ding, durch dessen
Seele zum erstenmale ein heimlich süßes Zittern ging.
Bergner ahnte davon nichts. Das xrächtige Lousinchen
neckte sich zwar oft mit ihm, beobachtete aber doch eine
gewisse Zurückhaltung, so daß der Aermste nicht einmal —
ein Aüßchen wagte. Tin Aüßchen — ach ja> — — wie
oft hatte er daran gedacht — aber wie konnte er.
Ls schien, als hielt er es mit jenem Burschen, der da singt:
Die Aüss' mach'n Flecken,
Mei' Muatta hat's g'sagt;
Drum nehm' i' mi' gewalti'
Vorm Rüssen in achtl
vorderhand begnügte sich der Doktor damit, die
Geliebte recht oft zu sehen, mit ihr zu xlaudern und mit ihr
Uonzerte und Theater zu besuchen.-
Lines Zlbends wurden im großcn, festlich erleuchteten
zoologischcn Gartensaal „Lebende Lieder" vorgeführt. Man
unterhielt sich vortrefflich. was man da sah und hörte war
etwas Neues, etwas ganz Allerliebstes. Dr. Bergner saß mit
der Angebeteten in den vorderen Reihen. Bcide genossen ein
xaar herrliche Stunden. Diese Lieder, dencn dnrch ontsxrechende
Dekoration der Bühne, durch Uostümierung und dezentes Spiel
der Uünstler echtes Leben eingehaucht wurde, waren entzückend.
Nlie lauschte da Lottchen, dio unerfahrene Uleinstädterin; wie
eifrig ließ es sich der junge Gelehrte angelegen sein, ihr diese
musikalische Plastik zu erläutern. — Ziegenhirt und Ziegenhirtin
— Niozarts „Bändchen" — Uunst bringt Gunst — Der rote
Sarafan — Marquis und Marquise — Boim Schach — und wie
die reizenden Nummern des reichhaltigen jdrogamms alle lauteten,
gaben einen interessanten, unerschöpslichen Gosprächsstoff. —
Lin Liedchen brachte beide in einc köstliche verlegonheit.
Ls war die letztc Nummer dos ersten Teiles und hieß „Nach
der Tanzstunde." — Ein junger, bis über die Vhren verliebter