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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 51.1902 (Nr. 514-526)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16553#0024
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20

Meggendorfer-Blätter, Nünchen

„5akra l ksab' i schon wieder ein' Dampf oder is das bloß so a moderne G'schrift.. .1"

Der Uevolver.

reifbarer Nebel lag auf dem ksäusermeere, als ein sorgfältig gekleideter
junger Mann in einer der weniger frequentierten Gassen der Residenzstadt
unruhig auf und ab ging. Lr hatte den jdelzkragen seines tvinterrockes
aufgeschlagen, so daß nur das schmale Profil des Gesichtcs sichtbar war. Lr wollte
»icht erkannt werden.

Mt gespannter Neugierde lugte er durch den milchweißen Schleier des Nebels auf ein
Geschäftslokal, das sich auf der anderen Seite der Gasse befand. Aber es gingen noch

G

immer Leute hinein. Lndlich schien der
Letzte das Lokal verlassen zu haben. Mt
hastigen Schritten eilte er dem Laden zu,
indem er zugleich bestrebt war, den in der
Brusttasche seines Rockes versteckten
Revolver sich handlich zu machen.
Schon war er an der Türe, als er durch
diese sehend noch einen Aunden erblickte.

Mt hochklopfendem lherzen stürzte
er auf die andere Seite des Trottoirs
zurück und verschwand im Meere des
Nebels.

Aber nach wenigen Mnuten erschien
er wieder und begann von neuem die
unstäte Promenade. Ls war ihm heiß
geworden, und er wischte den perlenden
Schweiß von der heißen Stirne. lvieder
lugte er hinüber, aber die helläutende
Alingel verriet ihm, daß das beobachtete
Geschäftslokal noch immer nicht leer war.

Von dem nahen Vome verkündeten
acht Schläge, daß der Abend herange-
brochen sei.

„Verdammt," murmelte der junge Mann,
„das Geschäft wird bald geschlossen, und
ich kann noch immer nicht hinein, allein
mit dem Alten sein. Um zehn Uhr muß
ich das Geld erlegen. Ls ist eine Lhren-
schuld. vie Summe ist zwar klein, aber
ich kann sie mir nicht anders beschaffen. Ich
muß das Geld haben, auch um den Preis."

Der junge, elegante Uiann verlang-
samte seine Schritte, er versank in Nach-
denken.

„Was würde mein guter Dnkel sagen,
wenn er erführe, was ich mit dem von
ihm zum Geschenke erhaltenen Revolver
getan habe. Lr brachte ihn mir von
seiner Amerikareise mit. Mt welch lieben
lvorten erklärte er mir die großsn vorteile
dieser kostbaren Verteidigungswaffe. Und
nun? Es ist schrecklich, wohin mich mein
Leichtsinn treibt. lvas würde die Mutter,
mein nobeldenkender Vater, was würde
Elvira sagen, wenn sie von meiner Tat
Aunde erhielten. Von mir dem reichen
Sprößling der vornehmen Familie l Aber
sie werden, sie dürfen es nicht erfahren.
Niemand darf mich erkennen, niemand
auch sehen. lvenn ich mit dem Alten
drinnen nur allein sein könnte. Linmal
drinnen, ziehe ich schnell den Revolver
heraus, in wenigen Momenten ist es ge-
schehen, dann siürze ich zur Türe hin-
aus, in den alles verdeckenden, dichten
Nebel. lvenn es nur zu Lnde wäre!

lvieder klingelt es an der Türe.
Iemand kam heraus. Der junge Mann
näherte sich der Türe und blickte in das
Innere des Geschäftslokals. Ver Alte
war allein. Nochmals blickte der junge
Mann nach allen Seiten, ob niemand
sich nähere. So weit er sehen konnte, war
die Gasse leer.
 
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