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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 51.1902 (Nr. 514-526)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16553#0046
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Meggendorfer-Blätter, INünchen

Wenn man rechnet.

Humoreske von C. A. Hennig.


Der Bauamtsaffessor !sülsen traf eines
Tages seinen Freund, den Adjunkten
Schmidt. Nachdem die üblichen Fragen nach
dem beidcrseitigen Besinden zur allgemeinen Zu-
friedenheit erledigt waren, sagte der Adjunkt
plötzlich! „Apropos, lieber Freund, ich wüßte etwas

für Dich. lvärc ich nicht erst so ein armseliger Adjunkt,
so würde ich mich selber daran machen."

Der Bauamtsasseffor spitzte die Dhren.

„lhat sie Geld?" fragte er.

„Natürlich," erwiderte Schmidt,
nicht empfohlen habe». Sie ist die
Tochter einer Lederhändlerswitwe
und kriegt, soviel ich weiß, fünfzig-
bis sechzigtausend Mark mit."

„Das läßt sich hörenl Und ihr
Alter?"

„Ttwa siebzehn Iahre."

„Alle Wetter, das ist ein Fall
mie geschaffen für mich."

„Gut, dann werde ich Dich bei
Gelegenheit einführen. vielleicht
nächsten Sonntag."

„Ie eher, desto besser. Und,
wenn aus der Gcschichte etwas wird,
sollst Du mich nicht undankbar finden."

„Du scheinst ja bereits bis über
die Vhren verlicbt zu sein?" scherzte
Schmidt.

„verschuldet willst Du wohl
sagen," dachte kjülsen, sagte es aber
nicht; denn alles brauchen selbst die
besten Freunde nicht zu wissen.

Als die beiden Genosfen sich ge-
trennt hatten, eilte kjülsen in größter
Ljast nach lhause, nahm einen Groß-
Foliobogen und fing an zu rechnen.

„Mnfzigtausend hatte er gesagt,
vielleicht auch sechzigtausend. Gut,
nehmen wir das letztere an, die
Zahl sieht runder aus. Zehntausend
Ulark habe ich Schulden, kjochzeit
und Aussteuer muß selbstredend die
Schwiegermutter bestreiten, bleiben
also fünfzigtausend Mark. Die geben
zu vier prozent zweitausend Mark
Zinsen, dazu mein Gehalt mit
zweitausendzweihundert Mark, gibt
in Summa viertausendzweihundert

respektables Linkommen. ihurra,
wie nur irgendwasl Ljülsen, ich

Mark. Das ist ein ganz
die Sache ist so glatt,
gratuliere Dirl"

Ls war etwa acht Tage später und zwar an einem Non-
tag. Lr, sein Freund Schmidt, Frau Lmmerich, die Lederhänd-
lerswitwe und Fräulein Paula, die Tochter, waren gestern mit-
sammen in einem Aonzertgarten gewesen, bei welcher Gelegen-
heit Adjunkt Schmidt seinen Frcund kjülsen bei dec ^amilie
Emmerich eingeführt hatte. bjülsen hatte sich rasch mit den bei-
den Damen vertraut geinacht und dabei zu seiner großen Be-
friedigung wahrgenommen, daß Mama Emmerich eine Dame
in den besten Iahren war. Und
darum saß er heute, am Ulontag,
wiederum vor einem Groß-Folio-
bogen und rechnete abermals.

„Wenn die Tochter sechzig-
tausend lNark mitbekommt, ?nußte
die Ulutter sicher ein Nermögen von
hundertzwanzigtausend Nlark besitzen,
das nach Abzug von zehntausend
Ulark Schulden eine Rente von vier-
tausendvierhundert Mark abwerfen
würde, seinen Gehalt dazu macht
sechstausendsechshundert. Frau Lm-
inerich war ungefähr vierzig Iahre
alt, er dreiunddreißig, mithin sieben
Iahre Unterschied. Doch, was machte
das? Ls werden noch viel un-
gleichere Lhen geschloffen und die be-
wußte Dame war ja eine noch außer-
ordentlich lebenslustige Persönlichkeit.
Fräulein paula war erst siebzehn
Iahre alt, vor zweiundzwanzig bis
vierundzwanzig Iahren brauchte sie
nicht zu heiraten, es blieb ihm also
bis dahin die volle Rente und viel-
leicht fand man für paula einen
Freier, der auf jegliche UUtgift l)cr-
zicht leistete.

Glühend vor Aufregung addierte
der Affessor die lange Zahlenreihe,
machte einen Strich darunter und er-
hielt als Resultati die Altel

Frau Lmmerich war allerdings
ein wenig erstaunt, als nach etwa
sechs wochen der flotte, schmucke
Bauamtsasseffor um ihre kjand an-
hielt. Line Weile saß sie sprachlos,
dann aber schlug ihr Ljerz stürmisch.
 
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