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eggenöorfer - Blälter, München
der Liebes-Lkstase.
lispelst: ,ja?' — G, dann komm an mein lferz, Geliebte, und laß
Dich umarmen — der ksiinmel streue Rosen auf unsern Bundl- —
Aul N)as habe ich da gemachtl?"
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Die Uneigennühigen.
tzumorerke von Jean Häusiler.
/R/s war im Iahr dreitausend. — Die Lehre voin Ueber-
inenschen und ähnliches waren längst abgetan, und dafür
hatte die Theorie des Altruisinus (Selbstlosigkeit, Näch-
stenliebe) sich iminer mehr und mehr überzeugend Bahn gebrochen.
Zuletzt war ein Professor aufgestanden, der die Llehre von der
Selbstüberwindung und selbstlosen Lsingabe an den Nächsten mit
solcher Rraft und Logik aufstellte, daß alles volk ihm jauchzend
zufiel und seine Lehre ins Praktische zu übersetzen begann.
Der Student Trinkaus war ausgegangen, wie dessen Wirtin
den Schneider versicherte, der, einen neuen Anzug auf dem Arin
tragend, den Studenten zu sprechen wünschte.
„kserr Trinkaus ist nicht zu ksause. Sie koinmen gewiß
wieder, ihn zn inahnen?"
„I wo denken Sie hin, Frau Nachbarin! Ich will ganz
das Gegenteil. Ich las gestern in der Zeitung einen Aufsatz
des berühmten kserrn jdrofessors L über seine nsuen großarti-
gen Ideen von Nächstenliebe — und da bin ich so überzeugt
worden, daß ich von jetzt ab nur noch dein von ihin gexredigten
Lvangelium der Uneigennützigkeit nachleben will. Ich bringe
demnach Lserrn Trinkaus seine sämtlichen quittierten Rechnungen,
einen neuen Anzug, dainit er nicht nötig hat, sich zu einem
andern Schneider zu beinühen, und noch fünfzig Mark bar,
für die er sich einmal ordentlich amüsieren soll. Der gute Nensch
— er hat's ja so nötig! Und ich will gern darben, wenn ich
nur weiß, daß mein Nächster sein Vergnügen hat."
„Ach ja," sagte die Zimmerwirtin und zerdrückte sich heim-
lich eine Zähre. „Ich bin auch für die neue Idee eingenom-
men, daß ich meinem Mann gestattet habe, von jetzt ab jeden
Abend auszugehen und heimzukommen, wann es ihm beliebt.
Und wenn er auch einmal hie und da im Areise von jungen
Ulädchen ein wenig über die Stränge schlägt, was schadet es
schließlich? Ich will ja gern allein zu ksause bleiben und mich
langweilen, wenn ich nur weiß, daß mein lieber Mann im
muntern Areise sich wieder jung fühlt."
Unter diesen und ähnlichen Gesprächen trennten sie sich.
Als der Schneider nach ksause kam, erschrak er aber doch.
Lr hatte vergessen, daß heute ein Mechsel für eine Tuchrechnung
fällig war und daß ihm die fünfzig Ukark nun zur Unzeit fehl-
ten. Lr rannte sxornstreichs zum Tuchhändler und trug ihm
seine Sache vor.
„Regen Sie sich nicht weiter darüber auf, lieber Lserr Zick,"
sagte der Tuchhändler, „Sie haben gehandelt als wackerer Ntann.
Und da ich mich von ähnlichen Ideen leiten lasse und damit
Sie sich davon überzeugen, behändige ich Ihnen hiermit den
quittierten Wechsel, für den ich eine Zahlung übcrhaupt nicht
annehme. Außerdem steht Ihnen von jetzt ab jederzeit so viel
Kredit zur verfügung, wie Sie wollen. Ich will ja gern mein
Geld zusetzen, wenn ich nur woiß, daß es Ihnen dadurch gut geht."
Der Schneider empfahl sich dankend; dem Tuchhändler aber
stel nachträglich ein, daß selbst das größte jdortemonnaie bald
leer wird, wenn immer nur daraus entnommen und nichts wieder
hineingetan wird.
Sinnend ging er zu seinem Bankier, kserrn Aaron Levy,
und setzte ihm auseinander, was der Seele Schmerz sei.
„Beruhigen Sie sich," sagte kserr Aaron Levy, „auch ich bin
überzeugter Anhänger der neuen Lehre geworden. Soeben habe
ich Zirkulare verschickt, wonach ich allen denjenigen, die mir
etwas schuldig sind, ihre Schulden erlasse und ihnen mein übriges
vermögen ebcnfalls zur verfügung stelle. Ich will ja gern
jdleite machen, wenn ich nur weiß, daß mcine Aunden Nutzen
davon ziehen. Und ferner habe ich meinem Aassierer, der, wie
gestern zufällig ans Tageslicht kam, mir Iahre hindurch größere
Beträge veruntreut hat, in echt christlicher Liebe verziehen. Ich
habe nämlich angenommen, daß er seine verfehlten Börsen-
spekulationen mit meinem Gelde nur deshalb gemacht hat, da-
mit meine Aonknrrenten etwas verdienen. Und donen gönn' ich's!
— Die guten Lente — sie haben ja das Oerdienen so notwendig."
Der Tuchhändler wußte vor Froude kaum, wie ihm geschah.
Auf dem Aorridor draußen wäre er fast mit einem Boten aus
dem Ntinisterium zusammengostoßen. kserr Aaron Levy wurde
eggenöorfer - Blälter, München
der Liebes-Lkstase.
lispelst: ,ja?' — G, dann komm an mein lferz, Geliebte, und laß
Dich umarmen — der ksiinmel streue Rosen auf unsern Bundl- —
Aul N)as habe ich da gemachtl?"
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Die Uneigennühigen.
tzumorerke von Jean Häusiler.
/R/s war im Iahr dreitausend. — Die Lehre voin Ueber-
inenschen und ähnliches waren längst abgetan, und dafür
hatte die Theorie des Altruisinus (Selbstlosigkeit, Näch-
stenliebe) sich iminer mehr und mehr überzeugend Bahn gebrochen.
Zuletzt war ein Professor aufgestanden, der die Llehre von der
Selbstüberwindung und selbstlosen Lsingabe an den Nächsten mit
solcher Rraft und Logik aufstellte, daß alles volk ihm jauchzend
zufiel und seine Lehre ins Praktische zu übersetzen begann.
Der Student Trinkaus war ausgegangen, wie dessen Wirtin
den Schneider versicherte, der, einen neuen Anzug auf dem Arin
tragend, den Studenten zu sprechen wünschte.
„kserr Trinkaus ist nicht zu ksause. Sie koinmen gewiß
wieder, ihn zn inahnen?"
„I wo denken Sie hin, Frau Nachbarin! Ich will ganz
das Gegenteil. Ich las gestern in der Zeitung einen Aufsatz
des berühmten kserrn jdrofessors L über seine nsuen großarti-
gen Ideen von Nächstenliebe — und da bin ich so überzeugt
worden, daß ich von jetzt ab nur noch dein von ihin gexredigten
Lvangelium der Uneigennützigkeit nachleben will. Ich bringe
demnach Lserrn Trinkaus seine sämtlichen quittierten Rechnungen,
einen neuen Anzug, dainit er nicht nötig hat, sich zu einem
andern Schneider zu beinühen, und noch fünfzig Mark bar,
für die er sich einmal ordentlich amüsieren soll. Der gute Nensch
— er hat's ja so nötig! Und ich will gern darben, wenn ich
nur weiß, daß mein Nächster sein Vergnügen hat."
„Ach ja," sagte die Zimmerwirtin und zerdrückte sich heim-
lich eine Zähre. „Ich bin auch für die neue Idee eingenom-
men, daß ich meinem Mann gestattet habe, von jetzt ab jeden
Abend auszugehen und heimzukommen, wann es ihm beliebt.
Und wenn er auch einmal hie und da im Areise von jungen
Ulädchen ein wenig über die Stränge schlägt, was schadet es
schließlich? Ich will ja gern allein zu ksause bleiben und mich
langweilen, wenn ich nur weiß, daß mein lieber Mann im
muntern Areise sich wieder jung fühlt."
Unter diesen und ähnlichen Gesprächen trennten sie sich.
Als der Schneider nach ksause kam, erschrak er aber doch.
Lr hatte vergessen, daß heute ein Mechsel für eine Tuchrechnung
fällig war und daß ihm die fünfzig Ukark nun zur Unzeit fehl-
ten. Lr rannte sxornstreichs zum Tuchhändler und trug ihm
seine Sache vor.
„Regen Sie sich nicht weiter darüber auf, lieber Lserr Zick,"
sagte der Tuchhändler, „Sie haben gehandelt als wackerer Ntann.
Und da ich mich von ähnlichen Ideen leiten lasse und damit
Sie sich davon überzeugen, behändige ich Ihnen hiermit den
quittierten Wechsel, für den ich eine Zahlung übcrhaupt nicht
annehme. Außerdem steht Ihnen von jetzt ab jederzeit so viel
Kredit zur verfügung, wie Sie wollen. Ich will ja gern mein
Geld zusetzen, wenn ich nur woiß, daß es Ihnen dadurch gut geht."
Der Schneider empfahl sich dankend; dem Tuchhändler aber
stel nachträglich ein, daß selbst das größte jdortemonnaie bald
leer wird, wenn immer nur daraus entnommen und nichts wieder
hineingetan wird.
Sinnend ging er zu seinem Bankier, kserrn Aaron Levy,
und setzte ihm auseinander, was der Seele Schmerz sei.
„Beruhigen Sie sich," sagte kserr Aaron Levy, „auch ich bin
überzeugter Anhänger der neuen Lehre geworden. Soeben habe
ich Zirkulare verschickt, wonach ich allen denjenigen, die mir
etwas schuldig sind, ihre Schulden erlasse und ihnen mein übriges
vermögen ebcnfalls zur verfügung stelle. Ich will ja gern
jdleite machen, wenn ich nur weiß, daß mcine Aunden Nutzen
davon ziehen. Und ferner habe ich meinem Aassierer, der, wie
gestern zufällig ans Tageslicht kam, mir Iahre hindurch größere
Beträge veruntreut hat, in echt christlicher Liebe verziehen. Ich
habe nämlich angenommen, daß er seine verfehlten Börsen-
spekulationen mit meinem Gelde nur deshalb gemacht hat, da-
mit meine Aonknrrenten etwas verdienen. Und donen gönn' ich's!
— Die guten Lente — sie haben ja das Oerdienen so notwendig."
Der Tuchhändler wußte vor Froude kaum, wie ihm geschah.
Auf dem Aorridor draußen wäre er fast mit einem Boten aus
dem Ntinisterium zusammengostoßen. kserr Aaron Levy wurde