Aeitschrifl sür 1)uinor und Aunst
8s
)m Iabre 2002.
waren, so verursachte ihm doch der äußerst scharfe
Ton der Abhandlung einiges Unbehagen, denn die
,Fremdwortritter^ wurden als schwachsinnige, be-
dauernswerte Geschöxfe hingestellt. Nach einer
weile warf er die Ieitschrift heftig auf den Tisch.
„Euatsch! — Ich inöchte wahrhaftig einmal
wissen, wie weit der Blödsinn nach hundert Iahrcn
gediehen ist. Oa darf jedenfalls kein vernünftiger
Mensch mehr den Mund auftun!" Brummend legte
er sich auf die Seite, um ein kleines Nickchcn zu
machen. 5ein Wunsch wurde ihin vom Traumgott
erfüllt, und Goldstein stand plötzlich in einer präch-
tigen Straße einer riesengroßen Stadt — —
Lr fragte einen Oienstmann nach der ksaltestelle
für Taxameter.
„Taxameter?" wiederholte der Mann verwundert.
Lrst aus der ärgerlichen Lrklärung des kjerrn wußte
er, was dieser wollte. „Ah — 5ie meinen einen
Uhrwagen? Die stehen gleich hier oben an der
Lcke beim Strähler Lockenfeld?"
„Pardon — was ist der Uiann?"
„Strählerl — Lin großes Geschäftl"
„Strähler, Strähler ... hml . . . soll ich da-
runter einen Friseur verstehen?" — T>er Oienst-
mann lächelte.
„verehrter Ljerr, Sie spaßen wohl nur — wer
sagt denn heutzutage sol"
Goldstein gab ein reichliches Trinkgeld und ging
kopfschüttelnd weiter. An der Lcke stieg er in einen
eleganten wagen und war sroh, als er nach kurzer
Fahrt in einem vornehmen kjotel die Sxeisekarte
studieren durfte. Lin wütender ksunger xlagte ihn. —
Aomische Menschenl Auch der Droschkenkutscher
hatte ihn nicht verstehen wollen. Lr kannte nicht
ein einziges kjotel, nur Wirts- und SxeisehLuser. —
„Pikkolol" Der Aleine schien nicht zu hören.
„pikkoloooll"
„verzeihung mein kserr," bemerkte einer der zu-
nächst sitzenden Gäste — „das versteht niemand hier!
Sind Sie Italiener, wenn ich fragen darf?"
„Ium Donnerwetter, was sällt Ihnen ein —
wollen Sie foppen?" brauste Goldstein auf.
„Durchaus nicht, mein kserr! — Geh her, Bürschel,
der kserr will jedenfalls bedient sein!"
„Mas habt ihr denn für Zeug auf dem Alenu?"
fuhr der Aommerzienrat den Aellner an. „Das
sind ja alles unbekannte Gerichte? — Bring mir
ein Rumpsteak!"
„Bitte um Lntschuldigung — das haben wir
nichtl"
„Das — haben wir nicht? Rufe den ,Vber'I"
Das Bürschel verschwand. —
„Vber — sagen Sie mal — kriege ich ein Rump-
steak hier oder nicht?"
„Ich bitte — ich verstehe nicht — was wün-
schen Sie?"
„kseiliger Simson, sind Sie taub? Lin
Rumpsteak!"
Vber und Unter sahen sich ratlos an.
Dcm zorngeröteten Goldstein wurde bald übel
vor ksunger.
„Lin gebratenes Rückenstück vom Rinde
— kann ich das bekommen?" schrie er. Der
Vber atmete auf.
„Sehr wohl, mein kserr! Bürschel — ein Rind-
schnitzel für dcn kserrnl" Der Aommerzienrat
blickte den überfeinen Aellner nicht gerade sreund-
lich an. Rindschnitzel — so ein Blech! Ls war
also wirklich schon so weit, daß man durch die
Sprachreinigung langsam verhungern konnte.
„Geben Sie mir schnell den Adreßkalenderl"
„Tut mir leidl"
„U)as — da liegen ja drei dicke Adreßbücher vor
Ihrer werten Nase. — Iawohl, da — sehen Sie
denn nicht?"
„Sie dürften höflicher sein, bester kserrl — wir
nennen das wohnungsanzeigerl" — Goldstein be-
trachtete verdutzt die Aufschrift des ihm gereichten
Bandes.
„wohnungsanzeiger sür zweitausendundzwei?"
„Der neuestel"
Dem Aommerzienrat wurde sast unheimlich zu
Ulute, und er sah sich scheu in dem xrunkvollen,
mit großen, rätselhaften Gemälden ausgeschmückten
Gastzimmer um. — Als er gesxeist hatte, erhob sich
der kserr, der ihn vorhin angesxrochen hatte und bat
um die Lrlaubnis, bei ihm platz nehmen zu dürfen.
— Goldstein konnte nicht gut abschlagen, denn der
kserr war ausgesucht höflich und liebenswürdig.
„kjochmeister Borchardtl" stellte er fich vor.
„Aommerzienrat Goldsteinl — Sie nennen sich
lsochmeister?" begann Goldstein nach einigem Räu-
spern das Gespräch.
„Iawohl — ich leite eine Schulel"
„Ach so — Rektorl"
„So sagte man vor hundert Iahrenl — Ls
wundert mich, daß Sie die Lhrenbenennung Ihrer
Vorväter noch nicht umgetauscht haben. Sie sind
ksandelsrat, nicht wahr?" — Der Gefragte nickte
mit dem Aopfe. Lr kam sich immer dümmer vor.
„Sxielen Sie Augelbrett, kserr kjandelsrat?"
„Line Partie Billard?"
Der lsochmeister lächelte ein wenig spöttisch.
„Wenn Sie es so nennen wollen . . ."
„Nein, nein, ich dankel Ich bin heute gar uicht
disponiert, komme mir vor, als hätte ich mich in ein
neues Sakulum verirrt. Ich muß in eine andere
Atmosphäre — könnten wir nicht ein bißchen pro-
menieren und uns irgendwo amüsieren?"
„Bitte gütigst zu verzeihen, lserr lsandelsrat —
ich verstehe nicht recht . . Sie seufzen auch so —
sind Sie leidend? vielleicht ist es Ihnen angenehm,
wenn wir ein Stündchen spazieren gehen und uns
dann irgendwo vergnügen?"
„Na gewiß, bester — lserr — lserr lsochmeister.
Das meine ich ja! Sie sind doch bekannt hier —
gibt's nicht in der Nähe ein xaar Lhansonetten?"
Der lsochmeister überlegte. „Lsm — ich weiß
nicht — verzeihung — was für Netten?"
„Lhansonettenl lsübsche Dämchen, die
s^.oozL so charmante Licdchen singen — Sie
wissen doch?" —
Der Gelehrte machte ein würdevolles
Gesicht.
„Meine streng sittliche Lebensführung
verbietet mir, solchen Brettlerinnen zu-
zuhören, darin bin ich Peinling. Aber
vielleicht sehen wir uns eine gute lsand-
8s
)m Iabre 2002.
waren, so verursachte ihm doch der äußerst scharfe
Ton der Abhandlung einiges Unbehagen, denn die
,Fremdwortritter^ wurden als schwachsinnige, be-
dauernswerte Geschöxfe hingestellt. Nach einer
weile warf er die Ieitschrift heftig auf den Tisch.
„Euatsch! — Ich inöchte wahrhaftig einmal
wissen, wie weit der Blödsinn nach hundert Iahrcn
gediehen ist. Oa darf jedenfalls kein vernünftiger
Mensch mehr den Mund auftun!" Brummend legte
er sich auf die Seite, um ein kleines Nickchcn zu
machen. 5ein Wunsch wurde ihin vom Traumgott
erfüllt, und Goldstein stand plötzlich in einer präch-
tigen Straße einer riesengroßen Stadt — —
Lr fragte einen Oienstmann nach der ksaltestelle
für Taxameter.
„Taxameter?" wiederholte der Mann verwundert.
Lrst aus der ärgerlichen Lrklärung des kjerrn wußte
er, was dieser wollte. „Ah — 5ie meinen einen
Uhrwagen? Die stehen gleich hier oben an der
Lcke beim Strähler Lockenfeld?"
„Pardon — was ist der Uiann?"
„Strählerl — Lin großes Geschäftl"
„Strähler, Strähler ... hml . . . soll ich da-
runter einen Friseur verstehen?" — T>er Oienst-
mann lächelte.
„verehrter Ljerr, Sie spaßen wohl nur — wer
sagt denn heutzutage sol"
Goldstein gab ein reichliches Trinkgeld und ging
kopfschüttelnd weiter. An der Lcke stieg er in einen
eleganten wagen und war sroh, als er nach kurzer
Fahrt in einem vornehmen kjotel die Sxeisekarte
studieren durfte. Lin wütender ksunger xlagte ihn. —
Aomische Menschenl Auch der Droschkenkutscher
hatte ihn nicht verstehen wollen. Lr kannte nicht
ein einziges kjotel, nur Wirts- und SxeisehLuser. —
„Pikkolol" Der Aleine schien nicht zu hören.
„pikkoloooll"
„verzeihung mein kserr," bemerkte einer der zu-
nächst sitzenden Gäste — „das versteht niemand hier!
Sind Sie Italiener, wenn ich fragen darf?"
„Ium Donnerwetter, was sällt Ihnen ein —
wollen Sie foppen?" brauste Goldstein auf.
„Durchaus nicht, mein kserr! — Geh her, Bürschel,
der kserr will jedenfalls bedient sein!"
„Mas habt ihr denn für Zeug auf dem Alenu?"
fuhr der Aommerzienrat den Aellner an. „Das
sind ja alles unbekannte Gerichte? — Bring mir
ein Rumpsteak!"
„Bitte um Lntschuldigung — das haben wir
nichtl"
„Das — haben wir nicht? Rufe den ,Vber'I"
Das Bürschel verschwand. —
„Vber — sagen Sie mal — kriege ich ein Rump-
steak hier oder nicht?"
„Ich bitte — ich verstehe nicht — was wün-
schen Sie?"
„kseiliger Simson, sind Sie taub? Lin
Rumpsteak!"
Vber und Unter sahen sich ratlos an.
Dcm zorngeröteten Goldstein wurde bald übel
vor ksunger.
„Lin gebratenes Rückenstück vom Rinde
— kann ich das bekommen?" schrie er. Der
Vber atmete auf.
„Sehr wohl, mein kserr! Bürschel — ein Rind-
schnitzel für dcn kserrnl" Der Aommerzienrat
blickte den überfeinen Aellner nicht gerade sreund-
lich an. Rindschnitzel — so ein Blech! Ls war
also wirklich schon so weit, daß man durch die
Sprachreinigung langsam verhungern konnte.
„Geben Sie mir schnell den Adreßkalenderl"
„Tut mir leidl"
„U)as — da liegen ja drei dicke Adreßbücher vor
Ihrer werten Nase. — Iawohl, da — sehen Sie
denn nicht?"
„Sie dürften höflicher sein, bester kserrl — wir
nennen das wohnungsanzeigerl" — Goldstein be-
trachtete verdutzt die Aufschrift des ihm gereichten
Bandes.
„wohnungsanzeiger sür zweitausendundzwei?"
„Der neuestel"
Dem Aommerzienrat wurde sast unheimlich zu
Ulute, und er sah sich scheu in dem xrunkvollen,
mit großen, rätselhaften Gemälden ausgeschmückten
Gastzimmer um. — Als er gesxeist hatte, erhob sich
der kserr, der ihn vorhin angesxrochen hatte und bat
um die Lrlaubnis, bei ihm platz nehmen zu dürfen.
— Goldstein konnte nicht gut abschlagen, denn der
kserr war ausgesucht höflich und liebenswürdig.
„kjochmeister Borchardtl" stellte er fich vor.
„Aommerzienrat Goldsteinl — Sie nennen sich
lsochmeister?" begann Goldstein nach einigem Räu-
spern das Gespräch.
„Iawohl — ich leite eine Schulel"
„Ach so — Rektorl"
„So sagte man vor hundert Iahrenl — Ls
wundert mich, daß Sie die Lhrenbenennung Ihrer
Vorväter noch nicht umgetauscht haben. Sie sind
ksandelsrat, nicht wahr?" — Der Gefragte nickte
mit dem Aopfe. Lr kam sich immer dümmer vor.
„Sxielen Sie Augelbrett, kserr kjandelsrat?"
„Line Partie Billard?"
Der lsochmeister lächelte ein wenig spöttisch.
„Wenn Sie es so nennen wollen . . ."
„Nein, nein, ich dankel Ich bin heute gar uicht
disponiert, komme mir vor, als hätte ich mich in ein
neues Sakulum verirrt. Ich muß in eine andere
Atmosphäre — könnten wir nicht ein bißchen pro-
menieren und uns irgendwo amüsieren?"
„Bitte gütigst zu verzeihen, lserr lsandelsrat —
ich verstehe nicht recht . . Sie seufzen auch so —
sind Sie leidend? vielleicht ist es Ihnen angenehm,
wenn wir ein Stündchen spazieren gehen und uns
dann irgendwo vergnügen?"
„Na gewiß, bester — lserr — lserr lsochmeister.
Das meine ich ja! Sie sind doch bekannt hier —
gibt's nicht in der Nähe ein xaar Lhansonetten?"
Der lsochmeister überlegte. „Lsm — ich weiß
nicht — verzeihung — was für Netten?"
„Lhansonettenl lsübsche Dämchen, die
s^.oozL so charmante Licdchen singen — Sie
wissen doch?" —
Der Gelehrte machte ein würdevolles
Gesicht.
„Meine streng sittliche Lebensführung
verbietet mir, solchen Brettlerinnen zu-
zuhören, darin bin ich Peinling. Aber
vielleicht sehen wir uns eine gute lsand-