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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 51.1902 (Nr. 514-526)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16553#0088
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8^

llteggenborfer-Llätter, 717 ü n ch e n

Die lchle Weltc.

Lsseu war beendet und man ging auf die hübsche Altane »nt der
herrlichen Aussicht auf den Fluß hinaus zum Raffee, den der Lammwirt
dort auf einem schönen, neuen Tisch servieren ließ.

„Aber der Tisch ist wirklich ein recht sauberes Stück Arbeit," wandte sich
der kserr läauptmann von Schlagdrauf, der gerne einen 5paß machte, an den
Lammwirt; „nur schade, daß er etwas zu hoch istl" —

„Zu hoch?" entgegnete dieser; „ich finde ihn im Gegenteil etwas zu niederl"
„Lserr Lammwirt, da irren Sie sich; er ist Lber fünfunddreißig Zoll hoch
und das ist zuviel! Glauben Sie mir, ich habe ein gutes Augel"

„Und ich bin überzeugt, er ist nicht über vierunddreißig Zoll hoch, Lserr
Lsauptmann I"

„Wenn ich die Zache nicht genau wüßte, ich wollte für meine Behauptuiig
jede lvette eingehen; Aber so . . . I"

„So geht mir's gerade auch Ljerr ljauptmann!"

„T>as möchte ich bezweifeln, kjerr Lammwirt; ich sage noch einmal, der Tisch
mißt vom Boden an über fünfunddreißig Zoll Ljöhe und wette darauf zehn
Flaschen Lhampagnerl"

Die lehte wette.

„Und ich sage, der Tisch ist nicht über vier-
unddreißig Zoll hoch und halte die Wette, ob-
gleich ich meiner 5ache gewiß binl"

„Macht nichtsl Ich bin der meinen noch
gewisserl Die bjerren sind Zeugen meiner wortel"

Gegenseitiger Verzicht auf jede Einrede und
die wette rvird abgeschlossen. Ietzt ruft der
Lammwirt den Aellner herbei und gibt ihm den
Auftrag, einen Maßstab herbeizuholen.

„Das Messen können Sie sich ersxaren, kjerr
Lammwirt," sagt jetzt kjerr von Schlagdrauf mit
triumxhierender Miene, indem er seine Schreib-
tafel hervorzieht, „ich habe diesen Morgen in
der Frühmesse, während Sie sich drinnen rasieren
ließen, den Tisch gemessen und das Resultat
hier verzeichnot. Sehen Sie, meine kjerren, er
mißt vom Boden an über fünfunddreißig Zoll.
Was sagen Sie dazu, kserr Lammwirt?" Sxrach's
und lachte aus vollem kjalse.

„Mas ich darauf sage?" erwiderte dieser mit
schlauem Lächeln. „Li nun, ich sage: da haben
Sie diesmal die Rechnung ohne den Lammwirt
gemacht. Ich habe nämlich während des Ra-
sierens geschen, was Sie auf der Altane machten,
trotzdem ich Ihnen den Rücken kehrte. NAssen
Sio, kserr kjauptmann, der Spiegel . . ."

„Was ist's mit dem Spiegel?" unterbrach
ihn betroffen Lserr von Schlagdrauf.

„Li nun, der Spiegel ist Ihr verräter ge-
wesen I"

„Das ist ganz gleichgiltig, kjerr Lammwirt,
deswegen habe ich die wette doch . . ."

„Gewonnen? Nicht wahr, kjerr kjauptmann,
so wollen Sie sagen? Aber freuen Sie sich nicht
zu baldl Denn sehen Sie, als der kjerr kjaupt-
mann fort war, da ließ ich den Schreiner kom-
men und von jedem Tischbein etwas über einen
Zoll absägen."

„Daß Dich ... I" brauste der lherr kjauptmann
auf, während die ganze Gesellschaft in ein lautes
Gelächter ausbrach. Dann aber, sich zusammen-
nehmend, fragte er mit verlegenem Lachen: „Bei
wem sind denn eigentlich Sie in die Lehre ge-
gangen, Sie Malefizschwerenöter?"

„Bei den Franzosen drüben, kjerr kjaupt-
mann," antwortete schmunzelnd der Lammmirt.
„Wissen Sie, kjerr kjauptmann, diese trauen Luch
kjerren auch nicht, wenn Ihr bei ihnen Messungen
vornehmt! Und so ist mir's auch gegangenl"

„Und d.a haben Sie recht gehabt, kjerr
Lammwirt," lachte dicsmal kjerr von Schlagdrauf
und zwar aus vollem kjerzen. Meine kvette
habe ich verloren und heute abend wollen wir
den Lhampagner trinken, wenn's Ihnen und
den kserren recht ist!"

„Stets zu Diensten, kserr kjauptmannl" war
des Lammwirts verbindliche Antwort und so
geschah's auch.

Am andern Tage aber hatte der ksauptmann
von Schlagdrauf einen gehörigen Aatzenjammer
und gelobte sich, mit dem Lammwirt niemals
mehr eine kvette einzugehen." G. S.

Verantwortlicher Redakteur: Max Schreiber. Druck von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
In Desterreich-Ungarn für kjerausgabe und Redaktion verantwortlich: Robert Mohr in lvien I.
Vrrlag oon I. F. Schreibrr in Münchrn unb Etzlingrn.
 
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