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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 12.1893 (Nr. 105-117)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20271#0100
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98

L. M e g g e n d o r f e r s H u in o ri st i s ch e Biätter.

Dorsorge.

ivas machen's deiin da, Lferr Förstcr?"

Na wissen's, hente fciern wir des jdfarrcrs Nameiistag imd da markier' ich inir den
kfeiniiveg.

Das iveeche unö das Harde N.

errn Rat Lehinaiins' sechzigster Gebnrtstag stand bevor
und rvie alljährlich, so hatte seinc treusorgonde Gattin zn
ciner mnrdigen Feier dcs Tages anch diosnial die nötigcn
Norbereitiingen getrosfen. bfcrr Lebniann war ein Fcinschmecker,
besonders in der Londitorei, nnd dioser seinor Neigung wnrde
denn auch bei festlichen Gelegenheiton gebiibrcnd Rechnung
getragen.

„So, niei' loerniännchen, nu kann's losgeh'n," sagte die
Fran Rat selbstbefriedigt am Nachinittage vor deni Geburtsfest
zn ihreni Gatten.

„Na, Dorthcc/ hast D'ch gewiß wiedcr änial g'heerig abge-
drascht, mei Gebnrdsdag macht D'r doch allcwoile viele Arbeot."

„Schtille, lherniäiincheii, ni'r weeß doch nich, rvie lange in'r
noch beisainnien sein, nir da niissen in'r uns 's bissel Läbon so
viclc wie meeglich versießen, nn nu gar den sechzigsten!"

„Ia, ja, niei Dorthee, ni'r werd' alt, 'ch nierk's, ni'r gann
nich niehr wie so ä jnnges Rehbeckel." —

Leises sdochen an der Thiire unterbrach den Sprechendcn,
cr sah erwartnngsvoll anf.

„lherr Rat, cin Telegrainin!" ineldcte die eintretende
Dienerin.

„Ac Dellegramin?" fragte dcr Rat verivlindert.

„Li hercheeses!" rief die Gattin, „was werd denn da
bassiert sein?"

Der Rat las:

ueure lliania!

Aoniiiie, bitte, sofort! Bemußtes Lreignis nahe; Ailguste
erwartet Dich sehnlichst.

Schwiegersohn Tarl.

„lveeß der bferre, das drifft sich
abor sähro schlecht; ninß das ooch g'rade
hcide losgeh'n," ninrmelte die Frau
Rat, und fast betrübt fiigte sie hinzu:
„nu is 's ausmit uns'rer ganzenFreide."

„lhilft nischt, hinreesen mußte, 's
werd wohl ä dobbelton Geburdsdag
geben, ihr feiort'n drieben nnd nür
hicben," crwidcrte der Rat lachend.

Nnn galt es, von den eben becn-
detcn Gebnrtstags- zu den dringend
gewordencn Reisevorbereitungen zn
schreiten.

„värz'n Dage werd's wohl dauern,"
brnmmte die (frau Rat.

Als sie am folgenden lNorgen ihr
lhermännchen begliickwiinscht, ihm die
Goschenke nberreicht hatte und ihn
verlassen, vcrreisen miißte, war ihr
recht eigen zu lNute.

„'s ärschte Mal seit fünfendreiß'g
Iahren, daß m'r gedheolt sein an
diesem scheenen Dage," klagto sie beim
Abschiode nnd, als habo dio Dienerin
all' das Leid verschnldet, fnhr sic dicse
in befehlendem Tono an: „Ricke,
biste denn immer noch derheeme? Na
ich mechte D'r glei — daß de m'r nnr's
Gebäck binktlich nach'm Bahnhofe be-
sorgst, HLrschte?"

„Ganz bestimmt, strickte nach Jn-
strnktionl" antwortete Ricke, eine erst
cinige lvochen in ihrem Diensto stehende
lfaiiiioveraneriii in ihrem ansgexrägt
heimischen Dialekt.

bfastigen Schrittes verließ dann die Fran Rat, welche unter-
wegs noch einigo kleine Linkänfe niachen wollte, nachdem sie
die Begleitnng ihres Gatten in Rücksicht auf desien Geburtstag
entschieden zurückgewiesen, das lhaus. lvährcnd kjerr Lehmann,
dem die Trcniiuiig auch ein wenig nahe gieng, sich botrübt in
sein Ziinmer znrückzog und dem gedeckten Gcbnrtstagstijch seine
ganze Anfmerksamkeit znivandte, schickte Ricke sich an ihrer
lherrin zn folgen. Die lctztere hatte den Bahnhof erreicht, sich
ein Billct gelöst nnd bereits in einem lvagen des bcreitstchcn-
den Anges jAatz genommen, doch wo blieb Ricke?

„'s is kee Nerlaß nich d'ruff, diese duselichten Mädels, se
dauchcn alle nischt nich," znrnte die Frau Rat, uach allen Soiten
ängstlich ausspähend, „bnssieren werd se, bnssiercn!"

Znm zweiten lNale crtönte das Ieichen zur Abfahrt und
schwebte oin Iornesausbrnch auf den Lixpen der ungediildiq
ihrcs Gepäcks bfarrendcn. Da endlich kam Ricke, einen mit
einem großen weißon Tuche bedeckten Gegenstand tragend,
kenchend nnd pustcnd dcn Bahnsteig entlang geranut; aber je
mehr sie sich dem lvagen näherte, in dem ihro lherrin saß, um
so entsetzter starrte diose sie zornigen Blickes an.

„lvas bringste denn da eegentlich, Ricke?" zischte sie.

„Das Gebäck, wie die Fran Rat befohlen," und znr
Bestätigung ihrer lvorte schlug Ricke das weiße Tuch anf, nnter
welchcm die schmackhaften Geburtstagskuchen und Stollen auf
einoni Brett vorborgen lagen.

„Dnnimes eefält'ges lNädel! lllei Gcbbbäck, härschte denn
nich, mci Gebbbäck sollste m'r bringen, du, dn —"

Da: Bim—bim—bim, cin schriller jdfiff und dcr Ing verließ
den böhmischen Bahnhof in Dresden, nachdcm Ricko noch im
 
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