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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0004
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L. Mcggendorfers L) u m o ri st i s ch e Blätter.

Das wiesel.

hatte, daß Gertrude nie lange stille sitzen kannte, nicht mit
der Spindel, nicht mit der Nadel, sandern ihr immer cntsprang
hinunter in den ksof, allwo die thnnde spielten, oder an den
Teich zn den Lnten, oder gar mit großer Behendigkeit den
hohen Apfelbaum im Garten erkletterte, und von dort oben
ihre glockenhello Stimme zuin Gesang dcr Vögel erschallen ließ.
Stille halten, das konnte sie nun einmal nic^t, da durfto sie noä,
lange beim tserrn vater zu tsause blcibenl

Doch der Ruf ihrer großen Schönheit verbreitote sich
mehr uiid mehr durch die Lande und manch ein flottor Gesello

allein keiner vormochte der gestellten ^orderung zn genügon und
alle mußten sie.unverrichteter 'Dinge wieder abziehen, zornig
oder betrübt, jo nachdem's ihnen zn kjerzen gieng.

Lines schönen Tags kamen gar der Froier drcie zumal
an, die sich auf dor kfeerstraße zusammon gesunden und oinander
vom Zicle ihrer Reise unterrichtet hatten. Oor eino §war ein
stolzer Reitersmann, der durch feincn hohon Rang und reichen
Besitz die kfand der schönen Iungfran zu gewinnen hoffte; der
andere, ein Sxielmann, wollte versuchen, ob nicht vielloicht die
Macht des Gesanges die bcwegliche Schöne zu fesseln vermöchte;
der dritte, ein schmucker Goldschmiedsgeselle, der eben seiner
wanderlust Genüge that, wollte, da cs ihm just am wege lag,
wenigstens des Anblicks der holdseligen Gertrude genießen; um
sie zu freien, d'rob mußt' er fast verzagen, angesichts der ge-
wichtigen Tugenden der beiden andern, denn was hatte er zu
bieten außer seinem frischen Mut und trouen Sinn?

Als die drei Freier ihre Absicht dem Ritter Stiofelsturm
kundgethan hatten, ließ cr sein Töchterlein herein in die Lfalle
rufen, damit sie der Reihe nach ihre werbung vorbrächten.

Dcr erste rühmte, wie groß und stark seine Burg sei, wieviele
Pferde im Stalle stünden, wie viele Rinder auf seinen wiesen
weideten, wie gefüllt mit Linnen seine Truhen, wieviel . . . ja
wo war denn die violholde Iungfran hingekommen? vor dem
Fenster hatten zwei Schmetterlinge ihr Sxiel getrieben und da
war sie hinaus in den Garten gehuscht, die Flüchtigen zu jagen.
Lrgrimmt sah dcr junge Ritter ihr nach, stamxfte auf den Boden,
daß dio Sxoren klirrten und sprach znm kjerrn vater: „Rufct sie
zuriick, denn sie soll mich hören und muß mein Lhegemahl werdenl"

„Nur nicht so hitzig I" antwortete der. „Ihr kennt die Be-
dingung; gebt Luch d'rum zusrieden! Nun komint der andre d'ran."

Da zog der Sxielmann slugs seine Laute hervor und sxiclte
darauf und sang dazu:

vielliobliche I»ngfrau so hold und so fein,

Ich lieb' Dich von kjerzen, ach wärst Du doch mein I
h: Larili, tarila l h:

So Du mir nicht lächelst; wird triib mir die welt,

Und jcdwede Fi'eude jst ohn' Dich vcrgällt.
chTarili, tarilalch

Die vöglein die fliegen dem Neste wohl zu,

Nloin lherze das findct an Dcinem nur Ruh.
si: Tarili, tarila l ch

vcrstehst Du mein Lied nicht und lachst mich gar aus,

So inach ich, Du Schönste, mir nicht so viel d'rausl '

Und mißmutig wandte er sich der jdforte zu, donn Gertrude,
durch dio Alänge angezogen, war trillernd hereingehüpft, hatte
ihren kjerrn Vater untergefaßt und war mit ihm horumgetanzt,
so gut es sein sdodagra erlaubte. Sie sangen und tanzten, und
tanzten und sangen: „tarili, tarila, so mach ich, Du Schönste,
mir nicht so viel d'raus," und es war eine große Lustigkcit. „kjaltl"
rief der Ritter Stiefelsturm dem Spiolmann nach, „verziehet
noch ein, woniges, Luer Lied ist wohl eines guten Trunkes
wert, laßt uns aber erst hören, was der Dritte vorzubringen weiß."

Doch dor sagt gar nichts und schaut nur unverwandt nach
der minniglichen Iungfrau hin und sinnt, wie er sie doch noch
zuin stillehalten zu bringcn vermächte. Da, mit einem Satze
sxringt er mit beidon Füßen zugleich auf ihre lange Schlexxe.
„Gewonnenl" ruft er aus, schlingt seinen Arm um die
holdselige Gestalt und drückt einen herzhaften Auß auf den
rosigen Mund. Ietzt muß sie stillo halten.

Alit Staunen sioht's der Ritter Stiefelsturm und bricht in
ein helles Gelachter aus, daß er sich don Leib halten muß: „Das
gilt nicht, jungor Geselle, das gilt nicht," so ruft er. Schön
 
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