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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0022
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L. Me g g e n d o r fe rs ^ u nio r i stis ch e Blätter.

22


Brot z» erarbeiten, daß er nach Vollendmig seiner Studien von
Lrcingott Forster als Sekretär cngagiert murde.

„Lr soll ein bischen wunderlich sein, HLro ich, »icin alter
Arthurl" nieinte Tante Ursula als cr abreisen wollte, „aber
dein kluger Aopf wird dich schon zurecht finden lasscn . . ."

„Denke anch, bcstes Tantchen l" lachte Arthur zuriick, „bleibe
niunter, behalte deinon Arthur eiu lnsscl licb und nochmals
tausend Dank fnr alle dcine Giite, du bcstes Zuckcrtantchen I"
Daniit preßte cr cin paar herzhafte Aiisse auf die noch innner
frischen Lippen dcr gnten Tante Ursula, nnd diesc wischte sich
ein paar wehmutsthränen aus den Augen. Dann rciste Zlrthur ab.

Traugott Forster hatte sich nach dem Todc seines Sohncs
von der Bcrwaltniig sciner Fabriken zuriickgezogcn, um auf cinem
kleinen abgelegeneu Giitchen, dem Taterubcrge, derRuheznpflegen,
jcner Ruhe, die dem vornehmen Geistc im Altcr zum Bediirfnis
wird nnd keineswegs im Richtsthun bestcht. Diese Ruhe griind-
licher zu genioßcn sollte 2lrthur ihm behilflich sein, indem er
ihm einen Tcil seiner Aorrespondenzen nach und nach abnahm.

Ls war Abend, als Arthur auf dem Taternborge anlangte.
Tiu weiter, urwaldartig verwilderter und von einer hohcn Akauer
cingefriedeter park umgab ein altes, mettergraues Schloß mit
Spitzbogenthüren und -Fenstern iu Sandsteiufassung, reich ver-
schnörkclten Lrkern, Arkaden und spitzen Türmen, auf denen die
rostigeu Wetterfahnen nnheimlich im winde kreischten.

Arthur lics; den schwercn motallcneu
Alopfer gegen das jdortal erdröhncn.

Tin schlürfender Schritt wurde laut. Die
Thüre öffnete sich. Lin alter Diener, in
der lhand oine Lcuchte, crschien.

„Ich bin wolzendorf, der neue
Sekretär des lherrn Forster, guten Abend I"
„Ah — ha — jal" der Diener legte
die welke lhand über die Augcn und blickte
Arthur musternd an, „dcr lscrr Sckrctär!
bitte, kommen Sie, es ist alles bercit."

Arthur folgte. Bald befand cr sich in
ciuem mit altertümlichcr Lleganz ausge-
statteten Gemach vor eincm Abendbrote,
das dem Tische eincs lliillioncirs alle Lhre
machte. lvährcnd cr sich's schmccken ließ,
gieng dcr Dicncr ab nnd zu nnd Arthur
wollte bemerken, daß ihn derselbe ver-
stohlen beobachte.

„Gicbt cs noch etwas zu sagen, alter lNeergreis?" fragte
cr deshalb lachend.

Der Diencr schrak sichtlich znsammcni „Iuiigcr lherr-

ja! — Schlafen Sie wohll"

„Danke — —I Gleickfalls 11" Arthur mußtc lustig auf-
lachcn, so komisch hastig, verlegcn nnd abgcrisscn klangen dio
lvorte des alteu lliannes, dann war er allcin. In wenigeu
lNinuten lag er schon im ticfsteu Schlafe, dcr bis zum hclleu
lllorgen anhielt, als ihm der Diener den Aaffee und gleichzcitig
die llioldnng brachte, daß ihn lserr Forster in einer halbcn
Stunde sprechon wolle.

Arthur erhob sich schnell. Lr war begrciflicherweise auf
diese erste Begegnung mit seinem nunmehrigen Brotherrn ge-
spannt nnd machte deshalb schon während dcs Aaffeetrinkens
Toilette. Auch hierbci glaubte er sich wieder von dem Diener
verstohlen beobachtet. Lr blickte densclben deshalb fragend an:
„Nun . .?"

Der Diener räusperte verlegen: „— — lllas ich sagen
ivollto, lherr Sekrotär, habcn Sie nichts gehört die Nacht?"

„Ncin l"

„lvas ich sagen mollte — — unscr lherr nämlich-"

lhier tipptc der 2llte mit deu Fingerspitzcn an seine Stirn, —
„na, Sie werden ja sehen, es ist nicht schlimm, bewahre, nur
zuwcileii — — — —"

„Ia, ja, wciß schon — —l" Arthur dachte an die lvorte
der Tante Ursula: „Lr soll cin bissel wundcrlich seinl" und
schnitt dem Dicner damit das lvort ab.

Danu ließ er sich dcm lfansherrn zuführcn. Der war der
licbenswnrdigste, lebhaftcste und geistesfrischcste Grcis, den Ar-
thnr je geschcn hatte. „Und dcr soll wnndcrlich sciii?" flüstcrle
Arthur in sich hinoin, „Unsinnl"

lhcrr Forster hatte glcich nach der orstcn freundlichen Be-
grüßung eine lUenge Arbeitcn für ihn, Aorrcspondonzen, Aal-
kulationcn, Gcschästsberichte, — Arthur wnßte schließlich kaum
l noch, wo ihm der Aopf saß. Und bei allen diesen llrbeiton
beteiligte sich der alto lsorr mit scharfer, klarer und knapper
Direktive. Der Vormittag vergieng dem jnngcn Sekretcir wie
im Fluge.

plötzlich schob Ljerr Forster die Papiere bciseite, seiue
Geistesfrische schien vcrweht und ein fast müdes Lächeln lagerte
auf seincm faltigen llntlitz. In diesem Augenblick meldete der

Diener zum zweitcn malc, daß angerichtet sei. „Dann-wollen

wir gehenl" lherr Forster streifte mit einem verlegcnen Blick
 
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