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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0058
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L. Meggendorfers k)urnoristische Blätter.

L. INeggendorfers L) u m o risti s ch e Blätter.

59

Im Brautstaat.


Angesichts der Folgen seines Tbuns kam ihm die Besin-
nung, und mit der Nuene eines Lcichenbitters begann er sein
Schicksal zu erzählen. Ltwas INitleid mit dein Armen, mehr
noch aber die reichliche vcrgütung, welcho dem tvirte zu teil
wurde, bewogen den Aellner zu dem Anorbieten, dcn tserrn
mit Lrlaubnis des jdrinzixals zu seinem Isotel zu geleiten,
welches Ancrbietcn mit Dank accextiert wurde. — Die Wander-
ung dorthin nahm, da der unglnckliche BrLutigam in ein ganz
entgegengesetzt gelegenes Stadtviertel geraten war, eine volle
Stunde in Anspruch. Lndlich am heißersehnten Ziele angelangtz
gab es für den Garyon ein reichliches Trinkgcld und unser
kseld trat in's ksaus.

Lin vielstimmiges: „Ah l da ist or l" empfing ifin.

Im Lsausflur stand ^cino Grnppe von personen um scine
Lhehälste gcschart, die laut schluchzend, im Unterrock und sei-
dener Taille, die Geschichte von dem durchgebrannten Lhemann
znm so und sovielten male erzählte.

Lin vorwurfsvoller Blick empfing ihn nnd erst eine ein-
gehende Schilderung von dem Unglnck, das ihn bctrosfen, stimmte
sie vorsöhnlichor; die tlmstehenden entfernten sich lachend und
die beiden begaben sich nach Nr. 8. Gebietcrisch forderte nun
aber auch der Akagen unseres jdeter sein Recht und währcnd
seine noch etwas schmollende Lhehälste Toilotte machte, verzehrte
er die sür beide bestimmte jdortion Brödchen samt Butter, Aaffee
und Ulilch. Seine Frau, wohl den Sprnch: „Mann und U)eib
ist ein Leib" bedenkend, schwieg zu diescm Lingriff in ihre Rechte,
ihn crmahnend, doch an die Abreise zu denken.

Den Aellnor beauftragend, die Rechnung zu bringcn und zu
sehen, wann der nächste Zng nach Aöln fahre, machte anch
sich reisofertig. Bis zur Abfahrt des nächsten Zuges blieb gerade
noch Zeit, znm Bahnhof zu gelangeu, zu wolchem Zwecke die
beiden auf den Rat des jdortiers den tsotelwagen benntzten.

Bald führto das Dampfroß sie dcnn auch dom Ziele der
ksochzeitsreise zu. Als jdeter nun auf der Fahrt seinor anderen
ksälste den Grund seines heutigen Außgeschickes mittcilte, da
schmolz das letzte Lis und eben im Begriff, dem Liobsten ihren
Dank in Form cines „Näulchens" abzustatten, überraschte sie
der Schaffner mit dem Rufe: „Station Aölnl"

Anfangs standen nnsere Reisenden ratlos vor dem Bahnhof,
nicht wissend, wohin sie ihre Schritte lenken sollten.

Lin Glück für sie, daß sie den Aölner Dialokt nicht ver-
standen, denn schon machten sich die Droschkenkutscher und Dienst-
leute mit dem dcn Aölnern eigenon bsumor über sie lustig.

„R)ir wollen in die Stadt gehen nnd den Dom besichtigen,"
sagte endlich Peter und beide marschierten diesem zu.

„Ach, wie schön I" ries Lisettchen beim Anblick des herrlichen
Bauwerkcs begeistert aus und in ihrer Freude achteten die bciden
nicht der sie verwundert beschauenden Passanten. Auch das
Innere des Domes wurde besichtigt und es war beroits tltittag,
als sie denselben verließen.

Durch die Straßen schlendernd, gewahrten sio bald eine andere
Airche, welche sie auch nach kurzer Boratung botraten. Langsam
durch diesolbe nach oben schreitend, gewahrto sie der Aüster, trat
auf sie zu und begrüßte sie. Dieso unerwartcto Frcundlichkeit
berührte dio beidcn angonehm. Freundlich fragte dann der Aüstor:
„tvo sind denn die Zeugen?"

„Aha," dachte Peter, „andere Brautpaare nehmen diese
wohl init auf die Reise," und kurz entschlossen antwortete er:
„Ia, die konnten nicht mitkommen, die hatten kpine Zeit."

Da werden wir Lrsatz schaffen müssen," murmolte der Aüster
vor sich hin und lud das Brantpaar ein, mit in die Sakristei
zu gehen.

ließ froh, daß die Sache kcine wciteren scugen gehabt, die
Airche.

Lisettchcn vcrspürte Appetit und gab den wnnsch nach
einem Mittagessen zu erkenncn und da ihr Lhegespons auch
seinon tltagon knurren fühlte, betraten beide cin tsötel-Restaurant.

Dom Acllncr gab er den Auftrag für ein Zimmer und
Aiittagesscn, dieser sührte die Gäste auf Zimmer 2-?. nnd dort
wurde denn anch diniert.

tvährend des Lffens begann es draußen recht mnnter zu
schncien, so daß an einen Ausgang, der sür den teuern Braut-
staat dcn Ruin bedeutet hätte, nicht gcdacht wcrdcn konnte.

Wohl oder übel mußte der Nachmittag mit Plaudern aus-

„Nicht?" fragte dieser gcdehnt.

„Ncin," nahm Peter, der sich vom erston Schrocken orholt,
das IDort, „wir sind gctrant."

„Aber was wollcn Sie denn hier?" platzte der Aüster heraus.

„Wir sind auf der Brautreise und wollten die Airche bc-
sohcu," gab petcr zurück.

Lin dreistimmiges „Aha" erfolgte.

Dcr Aüster zog sich, um nicht laut aufzulachen, zurück,
hinter ihm verschwand kichernd dcr Zeuge und auch dem jdfarrer
mochte das Lachen wohl nahe liegen, denn er verduftete ebenfalls.

Unser, bald zum zweitenmal kopuliertes Brautpar abor ver-

Dort ist wohl etwas Besonderes zu sehen, dachte Liscttchen,
konnte den Momont ihrcr Befriedigung kaum erwarten und zog
ihren etwas widcrftrebenden Gatten mit sich fort.

„Bitte sotzen Sio sich," sprach der Aüster auf einige Stühle
deutend und vorschwand durch cine Seitenthüre.

Lin Raum, fast so groß wie die kalterherbergcr Airche
umfing das Brautpaar. 2lntike Gemälde und Schränke bildeten
die Ausstattiing und unser Brautpaar, welches wohl von dem
Wert der Antiquitäten gehört haben mochte, staunte dieselben
pflichtschuldigst an.

Line ziemlicho Wcile hatte die Besichtigung gedauert, als

„was ist's denn mit unseren jungen bserren, daß sie mit so
„Sie hatten sich alle tsoffnung auf ihre tsaud gemacht, nun
(d. h. gezwungene Gratulation.)

der Aiister erschien, ein „Pst" machte und mit dem Finger winkte.

„lfiier gibt es noch mehr zu sehen nnd du wirst dem Aüstcr
ein Trinkgeld geben," raunte Lisettchen dem jdcter in's Ghr.
„bsabe ich mir auch schon gedacht," war die Antwort.
Darauf traten dio Beiden wieder in die Airche. Abor o
Schrecken: Lin Blick genügte, uni ihnen klar zu machen, in wolch'
neue, drollige Situation sio geraten waren.

Die Lichter brannton, der Pfarrer stand im Drnat, vor ihm
und bei ihm ein anderer Ljerr, wohl um mit dem Aüster als
Zeuge zu fungieren.

„Das sind doch nicht die Richtigen," fuhr unwirsch der
Pfarrer den Aüster an.

Nienen bei der kleinen Diillionärin vorüberdefiliercn?"
aber geftern verlobt und heute ist deshalb — C.rauerparade,

gefüllt werden und Lisettchen wurde von ihrem Gatten, da sic
meist Schuld an der beinahe vollzogenen zwciton Trannng war,
nicht wenig genockt. Sie gab die Lylinder-Geschichte zuriick und
so verstrich die Zeit unter Neckereien mit obligatcm tserzen
und Aüssen.

Ls bogann zu dunkeln nnd da dio Beiden schon oft über
dio flotten lltaskcnbälle Aölns hatten reden hören, regte sich die
Tanzlust mächtig in ihnen.

Nit dor Bcftimmung der tfaustelegraphen noch unvertraut,
holte jdeter beim Aellner im Rcftaurationssaale Auskunft über
cinen Maskenball, gleichzeitig „Abendessen" bestellend. bjoch-
erfreut teilte er seinem Weibchen mit, daß in einem gegenübor-
liegenden Lokale dcr Ball der „Aölner Fiinken" stattfinde
und es wurdo der Besuch dessclben beschlossen.

Nach eingenommenem Lssen, es mochte wohl 7 Uhr sein,
traten dio tsochzeitsreisenden in den reich dekoricrten Saal.
Noch war dor Bosuch nicht allzustark und sie konnten sich ein
bequemes jdlätzchen aussiichen,

2lllmählich bogann sich jedoch ein echtes kölnor Larnovalsleben
zu entwickeln. In bunteni Trubel bewegten sich Maskcn aller
Art durchcinander nnd nur wenn zum Tanz aufgespiclt wnrde,
kam einige Grdnung in den Lhaos. Dem Tanzo huldigten
unsere Aalterherberger sehr und nebenbei that j)etcr auch dem
vortrefflichen Niersteiner alle Lhro an. Llf Uhr elf Utinuten
war's. Lin Trompctensignal ertönte, ohrerbietigft wich die
Utenge und durch die jdforte des Saales zog, von glänzcndem
lhofstaat iimgcben, jdrinz Larneval ein.

Nach einem Umzuge durch dcn Saal bestieg er eincn dort
aufgeschlagenen Thron und es bogann eino jdolonaise, an welche
sich die preisverteilung für die gelungenste Gruppe und Linzol-
maske anschließcn sollte.

Auch Peter und Lisettchen schloßeu sich den jdaaren an.
Nach verschicdenen Figuren fand der vorbeimarsch vor dem
Prinzen statt.

Lange haftete das Augenpaar Sr. Tollität anf unserem
Pärchen und verfolgto os bis zu seinem Platze. Nachdem der
Zug beondet, sammelte sich dor bsofstaat um don Prinzen, um
über die Preisvertcilung zu beraten.

Nach etwa jO Utinuten trat der Lermonienmeistcr an die
nichts ahnendcn Aalterherbcrger heran und fragte freundlich
nach ihren Namen. Ghne eine Ahnung von dem Zweck zu
haben, gaben sie die gewünschte Auskunst. Der Lermonien-
meistcr kehrto znm Throne zurück und die beiden ergiengen sich
in allorlci vermutungen, als ein abermaliges Signal Ruhe ge-
bot nnd der Lermonienmeister begann:

„Närrisches publikuml

So. Tollität unser allernärrischter prinz haben allernärrischt
geruht, den vom Generalstab der „Aölner Funken-Armee"
für die bcste Gruppe der heutigen Uiaskenparade gestifteten
Preis dom närrischen UUtbruder ^errn Peter yeinrich und seiner
ebenso närrischen Frau, welche ein ländliches Brautpaar dar-
ftellen, zuzusprechen. Im Auftrag Sr. Tollität bitte ich die
Ausgezeichneten, Ihre Preise an den Stufen des Thrones in
Lmpfang nehmcn zu wollen."

Dio Ulusik spielte einen Marsch, etwa ;o Porsonen vom
kjofstaat init eincr Funken-N)ache holten die Preisgokrönten ab,
welch letztere sich, der Dinge die da kommen sollten, harrend,
zum Throne führen ließen.

U)ic groß aber war ihre freudige verwunderung, als sie
dort mit eincr goldenen Damenuhr und oincm foineu Lristall-
Stammglas beschenkt wurden. Die Ukusik spielto Tnsch und die
beidc dicht umstehende Ukenge brach in wicderholto lfiochs aus.
Nachdcm diese verklungen, wnrden die Glücklichen von der U)ache
 
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