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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0088
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L. e g g e n d o r f e r s l) u nro r i st i s ch e Blätter.

90


Geschmeickelt durch die Worte der Tante, schlng das jnnge
INädchen, wenn auch zögernd, in die Rechte derselben ein.

„Ia, ich will mir tNiihe geben, aber sage, bitte, Karl, daß
er mich am Sonntag nicht mit sdnck neckt, das darf er nicht!"

wo, darf er das" rief lachend der Vnkel, der eben mit
dcm Sohn draußen ain offenen Fenster vorübergieng, „ich stoxfe
dem Inngen cigenhändig den INund, wenn er sich untersteht
nnd den Namen ,j)nck' ansspricht!"

Nnd der Oettcr hielt Wort. 5chon am 5onntag friih er-
schien der jnnge Doktor, aber jetzt, wo sie schon zn NNttag
aßen, war noch nicht der gefährliche Rame gefallen. kielcne
war in der heiterstcn Stimmnng nnd sties; eben grade mit dem
Vetter'an, indem Letzterer sagte: „anf nene Frenndschaft,
Tousinchcn! — da hörte sie — bielene — den jnngen Doktor
zum Gnkel sagen: „Nein, kjerr jdrofessor, da 5ie gerade vom
Reisen sxrechen, fällt mir etwas ein; einem mciner Frennde,
I>u kennst ihn ja auch, Aarl, dein Assessor Forster ist nenlich
etwas zu Komisches anf dcr Reisc passiert. Linc ihm völlig
unbekannte, junge, hnbsche Dame hat ihm ihr Liebstcs — ihren
krummbeinigen Teckel anvcrtrant, da . . . "

Lin hellcr Aufschrei Velenens nnterbrach ihn; krampfhaft
den Arm des Doktors
ergrcifend, rief sie aus:

„INein jdnck, mein
jdnck, wo ist er? —

0, so sagcn §ie es
mirdoch,ichmnßgleich
zu ihm!"

Wahrhaft entsetzt
starrtederjnngeAIann
in das erregte Ge-
sicht des jnngen INäd-
chens, da legte sich
der Gnkel in's Mittel;
indem er die Nichte
auf ihrenStnhl zurück--
zog, von dem sie vor-
hin aufgesprnngcn,
erzähltecrdem Doktor
ihre Leidensgeschichte.

„Na, sovicl kann
ich Ihnen bestimmt sagen, gnädiges Fräulein," mcinte daranf
der Doktor, „das; es meinem Frennd sehr schwer werdcn wird,
den kjnnd wiedcr herauszugeben. ?lber ich werde ihn natnrlich
sofort benachrichtigen, daß er Ihnen jdnck wieder zustellt."

Rnd gleich am nächsten Tage kam er, d. h. nicht der kjnnd
allein, sondern Assessor Forster nnd mit ihm der Teckel.

lhelene ösfnete gerade selbst, als es klingelte — nnd wie ihr
da mit frendigem Gehenl ihr kleiner Rötcr entgegensprang, war
es fiir sie eins, ihn ans den ?lrm zn nehmen und mit dem Ruf:
„Akein jdnck ist wieder da!" in's Zimmer zn stiirzen.

Trst als der Gnkel erstaunt fragtc: „hat denn der wnnder-
bare Aöter den Weg allein zn Dir gesnnden?" erst da stel es
ihr ein, daß auch ein kfcrr dranßen vor der Thür gestanden,
aber wclcher Art, das hatte sie in ihrer Aufregnng gar nicht
gesehen.

Doch da erschien der Vetter mit Lerrn Forster schon an
der Thüre; nachdem die erstc Begriißnng vörnber, mcinte Trsterer
lachend: „So, also das ist der vcrflirte Aötcr, nm den Lousin-
chens Angen so bittere Thränen geweint, na, aber wißt Ihr,
ich finde, daß es ein niederträchtig häßlicher Aöter ist! voll-
koinmen nberbaut — cr kricckt ja förmlich ans dem Bauch herum,
nnd aus vollem kfalse lachend, beobachtete er j?nck, wie er
langsam im Zimmer hernmtroddelte.

„Davon verstehst Dn gar nichts," war kfelenens schnöde
Antwort, „der kfund ist echt!" nnd mit einem schelmischen
Seitenblick anf den Assessor „urecht, nicht wahr?"

„Rrecht, gnädiges Fräulein," bestätigte dieser, „und ich kann
Ihnen gar nicht sagen, wie schwer es mir wird, mich von dem
ihund zu trennen, — sehen 2ie, er kommt auch immer wieder
zn mir, er bleibt gar nicht bei Ihnen" und zärtlich streichclte
scine lhand das weiche Fell des ifundes, der zn seinen Fnßen
saß nnd ihn so klng ansah, als wolle er sragen: „zu wem ge-
höre ich nnn eigentlich?"

And so blicb es anch dcn ganzcn Nachmittag zu lfelenen's
größtem Acrgcr.

Als kferr Forster sich gegen Abcnd empfahl, war jduck so
in Vergesscnheit geraten, daß es kciner bemerkte, wie er geiniit-
lich hinter dem Asscssor herlief, nnd diescr selbst war auf dem
N)eg nach der Bahn so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß
er den krummbeinigen Bösewicht erst anf dem Bahnhof bemerkte.
Ganz erschrocken sah er den Röter an, indem die sehr wenig zu-
treffenden Worte: „Dlenschcnkind wo kommst du her?" seinen
Lippen entschlnpften. Aber j?uck, geschmeichelt dnrch diese An-
rcde, schien nnn erst recht stolz auf seine That, denn gehobenen
kfanptes, was bei seiner körperlichen Bcschasfenheit schwierig
war, eilte er dem jnngen Mann vorans anf den jderron. Tinen
Angenblick zögerte kferr Forster, sollte er den Ifnnd
wiedcr znrnckbringen? Tr zog die Ahr; ja, friih genng

war es noch, er
konnte dann mit
einem späteren Zuge
fahren, aber nein!
da kam ihm ein gnter
Gedanke, der Wter
wnrde mit nach Ber-
lin znrnckgenommen,
er, der Assessor, hatte
morgen dann einen
tristigen Grnnd,
wiedcr nach Friede-
nan zu fahrcn. lfätte
der jnnge Dlann ge-
ahnt, welch einen
5tnrm er dnrch seine
That heranfbeschworen, er hätte es wahrlich nntcrlassen.

Dcr Asscssor mochte eine Stnnde fort sein, lfelene saß am
Rlavier nnd spielte tränmerisch die INelodie eines Volksliedes,
das von hosfen und liebcn handelte, als plötzlich hinter ihr
die Stimme des Vetters vollkommen ernst sagte: „Dn Leni, es
ist doch vernnnftig von Dir, daß Dn dem Forster den Röter
gelassen, was willst Dn auch mit einem lfund I"

Lntsetzt fuhr kselene mit dem Ropf hernm: „Puck, wo ist
er? wieder mitgelaufen? das ist ja nicht möglich! das ist ja
schändlich von dem Menschen!" Alle wärmeren Gefiihle fiir
den Assessor waren ans ihrem bferzen wie fortgewischt „seht
Ihr, seht Ihr, ich hatte doch recht" und als sie jetzt erst gar
hinter sich im Schankclstnhl das vergnngte Gesicht ihres vetters
bemerkte, da kochte es vollends bei ihr über!

„Dn hast es gswußt, Ihr habt es verabredet," und knrz
entschlossen: „ich reise sosort ab!"

„Mnßt bis morgen wartcn" ertönte die lakonische Antwort
ans der Tcke „geht kein Zug mehr heute Abcnd."

And als jetzt die Tante in's Zimmer trat, rief der Sohn
ihr lachend zu: „INama, hilf tfelenen packen, sie will fort, ihr Pnck
ist wieder auf Reisen; aber Tonsine, weißt Du, ich würde doch
lieber dem Forster mit einem Rechtsanwalt anf die Bndc rücken!"

tfelene hörte nicht mehr, in heller Wut verließ sie das Iimmer.
 
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