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Lothar Meggendorfers humoristische Blätter — 15.1893 (Nr. 144-154)

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https://doi.org/10.11588/diglit.20273#0098
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t. H7eggendorfers ^umoristische Blätter.



zu — — da läutet er schon an — — geh hinaus Mali, und
frag ihn, was er will."

Das folgsame Töchterchen eilte schlennigst von Neugierde
getrieben hinaus, während die Alten in einer gewissen tlnruhe
ihre Rückkehr erwarteten, denn jede polizeiliche Interveution
erweckt auch beim solidesten Staatsbürger ein kleines Unbehagein
wer kann denn jede kleine Unterlassungssünde wissen?!

Mali kam später als man dachte, zurück uud nüt ziemlich
verlegenem Gesichtsausdrnck. „Ls, geht unsern Larli an,
Papa," rief sie ein wenig ängstlich, „ach Gottl wenn der nur
nichts angestellt hat I" „Angestellt? der Larl?" frugen Vater und
Niutter wie aus eineiu llluiide, „uiiser braver 5ohn? ja wieso
denn?" „Der Schutzmann," berichtete Nali betrcteii, „hat mich
gefragt, wann der Larli geboren sei, wann er znm Militär
gekommen und wie lange er schon wieder zn lhause sei nnd was
er jetzt für eine Beschäftigung habe. Das hat cr sich alles in sein
Büchel notiert und dann gesagt: „Na, ich Üaukc! es ist schon
gutl" Und dann ist cr wieder gegangen."

„Seltsam l"- ineinte lherr F. etwas beunruhigt, „wozu diese
geheimnisvolle Fragerei? Sollte uns Larl aus seiner lNilitärzeit
irgend eine Dummheit verschwiegen haben? Gder liegt eine
infanie anonyme Deniinziatioii vor? hat sich der Innge jemand
zum Feind gemacht?" „Ach, ängstige Dich nnr nicht gleich," bo-
schwichtigte ihn feine Gattin; „vielleicht ist es wegen dcr volks-
zählnng !" ,„§ächerlich, die erst N'ächstes Iahr istl und soll unser
Tarl allein gezählt werden?" brummte lherr F. „Nein, das
Ding kommt mir nicht geheuer vor: da liegt irgend eine Lnmp-
erei vor; ich will doch lieber mal gleich aufs Bürgermeisteraint
gehen und meinem alten Freund S., dem Bürgermeister, dio Sache
erzählem" .

Gesagt, tzethan; da deü Monsieur Tarl, den diese Sache
zunächst berührte, auf einer kleinen Reise begriffen nnd seine
Adresse für eiuige Tage unbekaunt war, so entschloß sich sein
etwas nervöser j?apa, der Asfaire gleich felbst nachzuspüren und
trug seinem guten Freund, dem Bürgermeistor, den er noch im
Bnreau traf, den Fall vor.

„§s ist mir amtlich hierüber nichts bekannt," sagte das
Gemeindeoberhaupt mit würdiger Freundlichkcit; „es gicbt aber
so vicl schlechte lllenschen auf dieser lvelt — — wer weiß,
was sie Deinein braven Iiingen andichten wolleii; weißt Du
was: „geh' mit auf's Polizeikommissariat, da werden wir ja gleich
auf don Grund der dunimen Goschichte kommen."

Dem auf dem fdolizeibureau dienstthuoii.deii Bcamten war
aber von irgend ciner gegen löerrn F. junior angeordncteii
Amtshandliing auch nichts bekannt. lllau wollte also den be-
treffenden Schutzmann, lNayer mit Namen, welcher zn der an-
gegcbenen Stunde in der Nähe des F.'schen lsauses Straßcn-
dienst gehabt hatte, eruiren und befragen. Derselbe war jedoch
inzwischen abgelöst worden nnd nnn als dienstfrei nicht zu stndcn;
eine Nachfrage in seiner lllohuung ergab, daß er dort nicht längcr
gewesen, als er zuin illblegcn seiner llniform gebrancht habe;
er sei dann in Livilkleidern init seiner Frau wahrscheinlich in
die Residenz gefahren.

„Da fällt mir ein, daß heuto früh von der Polizeidirektion
ein geheimes Telegramm an den lferrn Gbcrkommissär gekommen
ist," nieinte jetzt der Bcamte nachdenklich wordend; „der lferr
Gberkommissär hat dann wie mir scheint dem Mayor einen
Auftrag gegeben; vielleicht HLngt das mit dem Vorfalle hier
zusammen — — ich will den lferren ja keinen Schrecken ein-
jagen, aber möglicherweise ist ein geheimer verhaftbofehl gogen
den jungen lllanii direkt von der Direktion aus in vorbereitung,

-am besten ware es, wenn die lferren, da der lferr Gber-

komiiiissär leider auch abwesend ist, gloich solbst beim lserrn
jdolizeipräsidenten eine private, durch die llngewöhnlichkeit des
Fallos ja gerechtfertigte Aufrage vorbrächten!"

„Geheimer Verhaftbefehl — — direkt von dcr polizei-
direktion I G grundgütiger lfimmel l lllein Sohn I llnd mir
das?I lllir, dem alten F., der seit 30 Iahren hier in Lhren
lebt? G, mein Gott, inein Gott — — mir zittern die Aniel
Aber Sie habcn Recht, lferr Rommissär, iu diese fürchterliche
Geschichte muß rasch und ohne einen llugenblick versäumnis
volle Alarheit kommcn l" —

Eine halbe Stunde später rasto lierr F., begleitet vom
Bürgermeister, in Frack und woißer llravatte, im Fiaker in die
Residenz. Trotz der vorgerückten Stunde empstng dor fdolizei-
präsident, durch die dringende Bitte des angeseheneu Bürger-
meisters veranlaßt, den Besuch der beldeu alten lferron mit lfuld.

„Von mir xersönlich ist kein Befehl nach T organgen und
da jetzt die Bureaux bcreits geschlossen siud, so ist es kaum
möglich, heute noch zu erfahren, von welcher Dienststelle aus der
Auftrag ergangen ist; ich will aber morgen früh sogleich nach-
forschen lassen. Sollton freilich gegcn Ihren lferrn Sohn gra-
virende Nomente vorliegen, so wird es mir zn meineni Bedauern
nicht möglich sein, die llmtshandlnngcu in irgond einer lveise
zu ftören! —' Güten Abend, meine lserren l" — — — —

Das war eiu trauriger Abeud für die Familie F. Dio bciden
Damen saßen lcise schluchzend über ihre Näharbeit gebeugt und
der lferr Papa, welcher halbtodt vor Aufregung und Lrmüdung
aus dor Residenz znrückgekehrt war, lag, den Aopf mit einer
Lompresse umwickelt, stöhnend auf dem Sofa. Ulrike, die llöchin,
räumto ebeufalls weinend das uiibcrührt gebliebene Nachtessen
wieder hinaus, dann lief sie rasch auf eineu Augenblick in das
nebeuan gelegene'Gasthaus zum blauen Affen, wo ihr Liebster
als 'llellner dieute. Denn dem wcnigstens mußte sio doch diese
entsetzliche Geschichte mittcilon, sonst hätte es ihr ja das lserz
abgedrückt. — Der Gargon, hocherfreut, seinen Gästen als will-
kommene Beigabo zum Bier eine solche sensationolle Nenigkeit
anstischen zu köuiien, erzählte natürlich ohne einen Augenblick
zu verlioren die Mär nnter Iugabe einigen Aufputzes mit
fliegendem Athcm: Der junge F. hat sich, als er noch beim
Uiilitär stand, dort eine verdammte Sauce eingerührt, wogen
der er erst jetzt „hopp genommeii" wcrden soll l Die jdolizei habe
ihu schou heute „aufheben" wollen, «r sei aber vcrschwunden.
lvahrscheinlich habe er schon Lunte gerochen gehabt und wer
weiß, ob er überhaupt noch mal zurückkäme. Sein Vater sei
sofort mit dem Bürgermeister bis znm jdolizeipräsidenteu ge-
drnngen und habe kniefällig um Gnade und Schonung gebeten
— — alles iimsonstl sowie der Delinqnciit zu' Stande gebracht
iväre, wird er cingesperrt und wer weiß, was ihm dann noch
geschieht! — — —

llnter den Gästen befand sich auch lherr M., ein wohlhabender
Bäckermeister, zu desscn Töchterlein Llvira Monsienr Tarli F.
schon seit einiger Zeit in zarten aber noch nicht ofstziell sanotio-
nirtcn Bezichnngen stand, da der Bäcker an dem noch so sehr
jugendlichcn Schwiegersohn in sps keinen rechten Gefallen zu
finden vermochte. — cherr M. verließ nach der Lrzählung des
Aellners soglcich ostentativ das Gasthaus, cilte nach lfause und
widmete seiner darob znm Tode erschrockenen Tochter folgenden
angenehmoii Nachtgrnß: „Dein Liebster ist eiu Lump, mein
Täubchenl Morgeu wird er eiugesperrt, wenn er nicht schon
irgendwo im lvasser liegt! Also aus dem Aopf den Aerll

verstanden? I" — — —-Gefnhlvoller Leser I Gerne wirst

Du dcr unseligen „Lxbraut" mitleidsvolle Thräneu opfern!
 
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