5. Meggendorfers Humoristische Blätter.
69
Der Privat-Dctectiv.
schwand in dcr Tiefe des iZinuncrs, um gegen
zehn Uhr ihrcn vorigen Platz wieder cinzunehmen.
„Aha," dachte Lpitzel, nachdcm er notiert hatte,
„jetzt kommt jedensaüs der Ticke!" tlnd so war es
anch. Langsam nnd würdig kain er um die unterc
Lcke der Äraße, in gleichmäßigem Tempo schob cr
sich nähcr nnd zog, unter dem Henster angckommen,
mit einer ticfen, etwas steifen vcrbeugung, seinen
Tylinder, setzte ihn nach angemessener Pause wiedcr
auf, gieng Achritt für Tchritt bis an's obere Ende,
kchrtc nm nnd wiederholte aus dem Rückwcge das-
selbe Aomplimcnt, um schließlich wicder um das untere
Ende der Ttraße zu verschwinden. Auch ihm ward
von Zeitcn des Hräuleins holdes Erröten, schämiges
Tanken und verstohlenes Nachschen zu Teil.
„Na, na," dachte sich Apitzcl, nachdem das Sräu-
lein wieder vcrschwunden war, „sie bevorzugt zwar
keincn, das ist zu merkcn, aber es ist mir unbegreif-
lich, wie ei» Krauenzimmer, so jung noch, mit solcher
Nuhe ihre Huld i» gleichem Niaßc an zwci Ver-
ehrer verteilen kann" — nnd das gieng so den
ganzen Tag fort - — nur daß dcr iiliagere alle
zwci Atunden kam, während der Tickc nur noch cin-
mal, nachmittags, sich sehen ließ.
Ten nächsten Tag ganz das Kleiche. Zpitzel
wurde die T>eschichte nachgerade langweilig und, als
er am dritten Tage wieder seinen Posten bezog, ivar
er mit sich einig, bcim heutigen Rapport dem einen
sowohl als dem andcrn der langweiligen Hrcier den
^.ienst zu künden — abcr die Tache sollte heute noch
und zu cinem von allen Parteien völlig uiivermuteten
Abschluß koinmen.
Pormittags gicng alles wic gewöhnlich, aus dic
iliinute kam der )Icagere angesaust, §>ruß, tlmkehr,
Truß, Vcrschwindcn und daraus Rückzug vom
^enster von Acite des ^ränleins — allcs wie sonst.
Auch der Tickc kam pünktlich um zehn Uhr und ab-
solviertc scine Henstcrpromcnade nach altcm UUister.
Aachmittags jedoch gestaltetc sich dic Sache wescntlich
anders.
Ter Ukagcre kam wicder mit der Aiinute — der
Ticke abcr mußtc, seinem Aussehen nach, diesmal
vcrschlafen haben; denn er kam statt um vier Uhr
crst um sünf, ctwas eiliger wie gewöhnlich, idas
^räiilein hattc um vicr Uhr sichtlich verstimmt das
Henster verlassen und war erst vor ein paar Aiinuten
wieder sichtbar gewordcn) und sast im selben Ulomente
bog auch der Uiagere im Lcmpo surioso um seine
Eckc — „das gicbtUiord und^otschlag!" dachte Spitzel.
Im erstcn Augenblicke, als sich die beiden Aivalen
crblicktcn, schien es, als wollten sie das Uerniinstigste
thun, was in diesem Kalle zu thun war, nämlich
umkehrcn, dann abcr, als sie sich durch eincn
Alick übcrzeugtcn, daß der gelicbte Tegenstand sie
schon gesehen — der übrigens, wie sich der Herr
Privat-Tetectiv iiberzcugcn konnte, ebenso iibcrrascht
wie die beidenVerehrer war, schossen sic auseinander los.
Ter lüiagere im Cempo furioso natürlich, dcr
Ticke aber mit unhcimlicher Auhe und einem solch
entschlossencn §>csichtsausdrnck, daß sich Zpitzel sagen
mnßte: „der ist auch nicht zu verachten — das kann
gut werdcn!"
Uterkwiirdigcrweise zögcrte der Uiagere >n dcn
letzten Augenblickcn, so daß sich die Aeiden dirckt
unter dem Henster trafen -- er mochte sich gedacht
haben, sie sollc Zeugin des Vorgangs sein, „sie" wiirde
dann vicllcicht entschcidend cingreifen und die Liebe
wiirde so den „Aichtigcn" bezeichnen.
Aic nahmen sich mit den Augcn wiitend aus's
Aorn, endlich kam es über die nervös zitterndcn
Lippen des LAageren: „Nein cherr, das muß aus-
hören, Sie belieben sich einer Dame, die ich verehre,
auszudrängen, Sie werden das künstig unterlassen!"
„A)as sällt 2hncn ein," wurde ihm vom Ticken
prompt erwidert, „wenn hier von iAudringlichkeit
dic Acde sein kann, so kann sich das nur auf Tie
beziehen, der Tie alle zwei Ttunden wie ein Aarr hier
aus nnd ablausen!" Ls vcrdicnte aus diese Lrwiderung
hin Anerkcnnung, daß der liliagere nicht sosort ans
der Haut fuhr — anschicken dazu schie» er sich aber
zu wollen.
Lchrr Lmanucl Tpitzcl hatte niit offenem !>Nunde
nnter scinem Thorcingange gestandcn und erwartungs-
voll von einem zum andern gcschcn und nnn erhob
er seine Augen nach dem vielgenannten ^enster, um
den Lffekt zu stndicre», dcn diese Tcene dort hervor-
brachte.
Was cr aber dort sah, war in diesem Augenblick
zu viel sür sein Hassungsvermögcn — er mußte sich
ein paarmal über die Augen wischen, um cs glauben
zu können, dann aber cilte er so rasch übcr die Straße,
wic er sich gewöhnlich nur in seincn ^ilzschuhcn bcwegtc,
schob sich trotz der Tcfahr, zermalmt zu werdcn,
zwischcn die beiden Aampfhähnc und begann, so eisrig
und rasch und seinen Vorteil wahrend zn piepsen
wie noch nie in scinem Lebcn.
„Aieine Herrcn, meine Herren, bitte, mache» Tie
doch kein Aufsehen — und gar hier, komnien Aie
mit unter jenes Hausthor — meinen rastlosen Ae-
nüihungen ist es gelungen, einc Lntdeckung zu machcn,
welchc Aie — jeden von Ihnen an das ersehnte
Ziel bringen i»uß, also Auhc . . . Auhc und bitte,
kommen Lie mit!"
T>a sich publikum zusammcnsand, so folgten dcr
Tünnc nnd der Ticke schließlich dcm Aate und ließen
sich von Lpitzel tief in den Hausflur hinciiiziehcn.
Apitzel stellte sich dort vor die Beidcn mit iiber-
einandergeschlagenen Armen hin, erhob sich auf die
iZehen »nd deklamierte:
„Akeiue Herrcn, was sollen Zank und Hadcr,
wo es doch jedem von Ihnen vergönnt ist, glücklich
zu werden! Ia, Apitzel, der scharssichtige Tpitzel,
hat einc Lntdecknng gemacht, die Lie in den sicbten
Himmel erheben muß — bedenken Sie, daß aber diese
Entdeckung auch Berge 8oldes wert ist . . ."
„Achießen Aie los, alter Esel!" unterbrach ihn
der Tünne barsch und „Aie sollen nicht zu kurz
kommen!" setzte der Ticke draus. Spitzel aber strecktc
sich noch um einen Zoll höher nnd slüsterte: „äie
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Der Privat-Dctectiv.
schwand in dcr Tiefe des iZinuncrs, um gegen
zehn Uhr ihrcn vorigen Platz wieder cinzunehmen.
„Aha," dachte Lpitzel, nachdcm er notiert hatte,
„jetzt kommt jedensaüs der Ticke!" tlnd so war es
anch. Langsam nnd würdig kain er um die unterc
Lcke der Äraße, in gleichmäßigem Tempo schob cr
sich nähcr nnd zog, unter dem Henster angckommen,
mit einer ticfen, etwas steifen vcrbeugung, seinen
Tylinder, setzte ihn nach angemessener Pause wiedcr
auf, gieng Achritt für Tchritt bis an's obere Ende,
kchrtc nm nnd wiederholte aus dem Rückwcge das-
selbe Aomplimcnt, um schließlich wicder um das untere
Ende der Ttraße zu verschwinden. Auch ihm ward
von Zeitcn des Hräuleins holdes Erröten, schämiges
Tanken und verstohlenes Nachschen zu Teil.
„Na, na," dachte sich Apitzcl, nachdem das Sräu-
lein wieder vcrschwunden war, „sie bevorzugt zwar
keincn, das ist zu merkcn, aber es ist mir unbegreif-
lich, wie ei» Krauenzimmer, so jung noch, mit solcher
Nuhe ihre Huld i» gleichem Niaßc an zwci Ver-
ehrer verteilen kann" — nnd das gieng so den
ganzen Tag fort - — nur daß dcr iiliagere alle
zwci Atunden kam, während der Tickc nur noch cin-
mal, nachmittags, sich sehen ließ.
Ten nächsten Tag ganz das Kleiche. Zpitzel
wurde die T>eschichte nachgerade langweilig und, als
er am dritten Tage wieder seinen Posten bezog, ivar
er mit sich einig, bcim heutigen Rapport dem einen
sowohl als dem andcrn der langweiligen Hrcier den
^.ienst zu künden — abcr die Tache sollte heute noch
und zu cinem von allen Parteien völlig uiivermuteten
Abschluß koinmen.
Pormittags gicng alles wic gewöhnlich, aus dic
iliinute kam der )Icagere angesaust, §>ruß, tlmkehr,
Truß, Vcrschwindcn und daraus Rückzug vom
^enster von Acite des ^ränleins — allcs wie sonst.
Auch der Tickc kam pünktlich um zehn Uhr und ab-
solviertc scine Henstcrpromcnade nach altcm UUister.
Aachmittags jedoch gestaltetc sich dic Sache wescntlich
anders.
Ter Ukagcre kam wicder mit der Aiinute — der
Ticke abcr mußtc, seinem Aussehen nach, diesmal
vcrschlafen haben; denn er kam statt um vier Uhr
crst um sünf, ctwas eiliger wie gewöhnlich, idas
^räiilein hattc um vicr Uhr sichtlich verstimmt das
Henster verlassen und war erst vor ein paar Aiinuten
wieder sichtbar gewordcn) und sast im selben Ulomente
bog auch der Uiagere im Lcmpo surioso um seine
Eckc — „das gicbtUiord und^otschlag!" dachte Spitzel.
Im erstcn Augenblicke, als sich die beiden Aivalen
crblicktcn, schien es, als wollten sie das Uerniinstigste
thun, was in diesem Kalle zu thun war, nämlich
umkehrcn, dann abcr, als sie sich durch eincn
Alick übcrzeugtcn, daß der gelicbte Tegenstand sie
schon gesehen — der übrigens, wie sich der Herr
Privat-Tetectiv iiberzcugcn konnte, ebenso iibcrrascht
wie die beidenVerehrer war, schossen sic auseinander los.
Ter lüiagere im Cempo furioso natürlich, dcr
Ticke aber mit unhcimlicher Auhe und einem solch
entschlossencn §>csichtsausdrnck, daß sich Zpitzel sagen
mnßte: „der ist auch nicht zu verachten — das kann
gut werdcn!"
Uterkwiirdigcrweise zögcrte der Uiagere >n dcn
letzten Augenblickcn, so daß sich die Aeiden dirckt
unter dem Henster trafen -- er mochte sich gedacht
haben, sie sollc Zeugin des Vorgangs sein, „sie" wiirde
dann vicllcicht entschcidend cingreifen und die Liebe
wiirde so den „Aichtigcn" bezeichnen.
Aic nahmen sich mit den Augcn wiitend aus's
Aorn, endlich kam es über die nervös zitterndcn
Lippen des LAageren: „Nein cherr, das muß aus-
hören, Sie belieben sich einer Dame, die ich verehre,
auszudrängen, Sie werden das künstig unterlassen!"
„A)as sällt 2hncn ein," wurde ihm vom Ticken
prompt erwidert, „wenn hier von iAudringlichkeit
dic Acde sein kann, so kann sich das nur auf Tie
beziehen, der Tie alle zwei Ttunden wie ein Aarr hier
aus nnd ablausen!" Ls vcrdicnte aus diese Lrwiderung
hin Anerkcnnung, daß der liliagere nicht sosort ans
der Haut fuhr — anschicken dazu schie» er sich aber
zu wollen.
Lchrr Lmanucl Tpitzcl hatte niit offenem !>Nunde
nnter scinem Thorcingange gestandcn und erwartungs-
voll von einem zum andern gcschcn und nnn erhob
er seine Augen nach dem vielgenannten ^enster, um
den Lffekt zu stndicre», dcn diese Tcene dort hervor-
brachte.
Was cr aber dort sah, war in diesem Augenblick
zu viel sür sein Hassungsvermögcn — er mußte sich
ein paarmal über die Augen wischen, um cs glauben
zu können, dann aber cilte er so rasch übcr die Straße,
wic er sich gewöhnlich nur in seincn ^ilzschuhcn bcwegtc,
schob sich trotz der Tcfahr, zermalmt zu werdcn,
zwischcn die beiden Aampfhähnc und begann, so eisrig
und rasch und seinen Vorteil wahrend zn piepsen
wie noch nie in scinem Lebcn.
„Aieine Herrcn, meine Herren, bitte, mache» Tie
doch kein Aufsehen — und gar hier, komnien Aie
mit unter jenes Hausthor — meinen rastlosen Ae-
nüihungen ist es gelungen, einc Lntdeckung zu machcn,
welchc Aie — jeden von Ihnen an das ersehnte
Ziel bringen i»uß, also Auhc . . . Auhc und bitte,
kommen Lie mit!"
T>a sich publikum zusammcnsand, so folgten dcr
Tünnc nnd der Ticke schließlich dcm Aate und ließen
sich von Lpitzel tief in den Hausflur hinciiiziehcn.
Apitzel stellte sich dort vor die Beidcn mit iiber-
einandergeschlagenen Armen hin, erhob sich auf die
iZehen »nd deklamierte:
„Akeiue Herrcn, was sollen Zank und Hadcr,
wo es doch jedem von Ihnen vergönnt ist, glücklich
zu werden! Ia, Apitzel, der scharssichtige Tpitzel,
hat einc Lntdecknng gemacht, die Lie in den sicbten
Himmel erheben muß — bedenken Sie, daß aber diese
Entdeckung auch Berge 8oldes wert ist . . ."
„Achießen Aie los, alter Esel!" unterbrach ihn
der Tünne barsch und „Aie sollen nicht zu kurz
kommen!" setzte der Ticke draus. Spitzel aber strecktc
sich noch um einen Zoll höher nnd slüsterte: „äie