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L. Neggendorfers Humoristische Blätter.
^arslrquins brben.
(Schluß.)
s^v^Toch der falsche Biagio dankte für alle Zuvor-
kommenheiten, indem er versicherte, er finde
die Ungeduld diefer Herren, das Testament
kennen zu lernen, erklärlich und wolle sie dabei nicht
nnnötig warten lassen. Bevor er jedoch dazu schreite,
müsfe er ein kleines Briefchen vorlesen, welches ihm
der selige Tomassini mit dem Cestament zugleich ein-
gehändigt habe. — Lange, sehr lange sucht er in
allen möglichen und unmöglichen Taschen seine Brille
und zieht endlich mit dieser einen großmächtigen
Brief hervor, dessen Adresse an die drei Bettern
Jgnazio Bicentini, Podesta, Ton Tornaro, Notar
und Annibale Torribio, Najor, lautet; er konstatiert
das unverletzte Liegcl Tomassini's, öffnet das Schreiben
nach erhaltener Lrlanbnis und beginnt in feierlichem
o.one:
„Teure Bettern! Während meines Tebens waret
Ihr mir unleidliche Verwandte; Ihr habt inich von
Luch gestoßen und Lure freundschaftliche ^Zärtlichkeit
so weit getrieben, daß Ihr mich ivolltet einsperren
lassen. Ich hatte geschworen, mich zu rächen! Tie
Religion lehrt jedoch, daß ivir Beleidigungcn ver-
zeihen follen. 5o habe auch ich mich entschlosfen,
alles zn vergessen, und verfasse mein Testament zu
Luren Kunsten; jedoch knüpfe ich eine Bedingung
daran: Line Stunde nach Lesung dieses Briefes mi'ißt
Ihr, mcine teuren Tousins, bci der Lröffnung nieines
Ccstamentes in vollständigem kqarlequinkostüm er-
scheinen. Tadurch will ich Luch zwingen, daß Ihr
nach ineincm Tode jenes Aleid wieder zu Lhren
bringt, welches Ihr bei meinen Lebzeiten stets ver-
achtctet. Wer von Luch sich diefer dentlich und be-
stimmt ausgefprochenen Bedingung nicht unterwirft,
wird von nieiner Erbfolge ausgeschlosseu und fällt
der Ceil desselben zu gleichen khälften denen zu,
welche nieinem lllunsche entsprechen. Zollte znr
festgesetzten Ztunde keiner von Luch in vorgeschrie-
bener Weise erscheinen, so setze ich nieine Mündel
Zerline zu meiner klniversalerbin ein. Gezeichnet:
Vicentini."
Ls ist wohl unnötig, zu erzählen, daß die ver-
lefung des Briefes von den drei lachenden Lrben
beinahe nach jedem Tatze zustimmend oder absprechend
unterbrochen wurde und daß nach Ichluß desfelbcn
alle drei in die abenteuerlichsten verwünschungen
ausbrachen. Ieder einzelne schivnr hoch und teuer,
er werde sich nicht soweit erniedrigen, ein Harlequin-
kleid anzulegen.
Alle diese Ltürme belächelte Aerline und als
sich die noch ininier grollenden Verwandten zum Ab-
zuge rüsteten, trat sie ihnen mit den Worten entgegen:
„Am die Lrfüllung diefer brieflichen Lestimmung
zn ermöglichen, will ich Ihnen gegen mein eigenes
Interesfe behülflich sein. Tie drci harlequinkostüme,
welche Lie mir heute aus dem Nachlaß des seligen
j)aten fchenkten, leihe ich Ihnen und werde, damit
Lie hier pünktlich erscheinen können, jedes in eines
der oberen Zimmer legen, wo 2ie sich umkleiden
können."
Tann ergriff sie die drei Pakete und fchritt
damit zur Thüre hinaus. Biagio, der Testaments-
vollstrecker, folgte diesem Beispiel, den Lrbschafts-
Aandidaten nur noch ratend:
„Vergessen nickt, Lignori, zwölf Uhr, sonst sein
su spät!"
T>ie letzteren zögerten auch nicht, das Haus zu
verlassen, dabei alle möglichen verwünschungen und
Beteuerungen ausstoßend, die Testamcntsbedingung
des vetters nicht zu erfüllen.
Tie Arist für die Testamcntseröffniing war noch
nicht verstrichen und schon schlichen drei Harlequins
die tlkaske vor dcm Kesicht in das Besuchszimmcr
Comassini's. Bald hatten sie sich als Podesta, Major
und Aotar crkannt und die ^Zeit verstrich unter gegen-
seitigen Lntschnldigungen, weshalb ein jeder von
ihnen das so verhaßte Aostüm angelegt habe. Auch
Biagio war erschienen, hatte die drei Mürdenträger
ihre ^kasken abnehmen lassen, um sich von der Iden-
tität der personen zu überzeugen, und schickte sich
soeben an, das Testament zu entsiegeln. Plötzlich
springt Aerline zur Thiire herein mit der Meldung:
„2e. Lxcellenz der tzerr Souverneur von Ber-
gamo!"
Achncll entwischt Aerline wieder, der falsche
Biagio ffolgt ihr und verschlicßt die Thüre von
außen.'s —' "Tie drei Harlcquins stehcn den erstcn
Noment wie versteinert, dann wollen sie fliehen,
finden jedoch die Thüre verschlossen. In ihrer Aot
kriechen Notar und Major unter je einen mit Tecken
überhangenen Cisch und nur der Herr Podesta bleibt
ratlos, die Maske vor dem Eesicht, in dAitte des
Zimmers stehen.
Ietzt öffnet sich die Lhüre; zwei reich livrierte
Tiener treten dem Eouverneur voran, dieser begrüßt
L. Neggendorfers Humoristische Blätter.
^arslrquins brben.
(Schluß.)
s^v^Toch der falsche Biagio dankte für alle Zuvor-
kommenheiten, indem er versicherte, er finde
die Ungeduld diefer Herren, das Testament
kennen zu lernen, erklärlich und wolle sie dabei nicht
nnnötig warten lassen. Bevor er jedoch dazu schreite,
müsfe er ein kleines Briefchen vorlesen, welches ihm
der selige Tomassini mit dem Cestament zugleich ein-
gehändigt habe. — Lange, sehr lange sucht er in
allen möglichen und unmöglichen Taschen seine Brille
und zieht endlich mit dieser einen großmächtigen
Brief hervor, dessen Adresse an die drei Bettern
Jgnazio Bicentini, Podesta, Ton Tornaro, Notar
und Annibale Torribio, Najor, lautet; er konstatiert
das unverletzte Liegcl Tomassini's, öffnet das Schreiben
nach erhaltener Lrlanbnis und beginnt in feierlichem
o.one:
„Teure Bettern! Während meines Tebens waret
Ihr mir unleidliche Verwandte; Ihr habt inich von
Luch gestoßen und Lure freundschaftliche ^Zärtlichkeit
so weit getrieben, daß Ihr mich ivolltet einsperren
lassen. Ich hatte geschworen, mich zu rächen! Tie
Religion lehrt jedoch, daß ivir Beleidigungcn ver-
zeihen follen. 5o habe auch ich mich entschlosfen,
alles zn vergessen, und verfasse mein Testament zu
Luren Kunsten; jedoch knüpfe ich eine Bedingung
daran: Line Stunde nach Lesung dieses Briefes mi'ißt
Ihr, mcine teuren Tousins, bci der Lröffnung nieines
Ccstamentes in vollständigem kqarlequinkostüm er-
scheinen. Tadurch will ich Luch zwingen, daß Ihr
nach ineincm Tode jenes Aleid wieder zu Lhren
bringt, welches Ihr bei meinen Lebzeiten stets ver-
achtctet. Wer von Luch sich diefer dentlich und be-
stimmt ausgefprochenen Bedingung nicht unterwirft,
wird von nieiner Erbfolge ausgeschlosseu und fällt
der Ceil desselben zu gleichen khälften denen zu,
welche nieinem lllunsche entsprechen. Zollte znr
festgesetzten Ztunde keiner von Luch in vorgeschrie-
bener Weise erscheinen, so setze ich nieine Mündel
Zerline zu meiner klniversalerbin ein. Gezeichnet:
Vicentini."
Ls ist wohl unnötig, zu erzählen, daß die ver-
lefung des Briefes von den drei lachenden Lrben
beinahe nach jedem Tatze zustimmend oder absprechend
unterbrochen wurde und daß nach Ichluß desfelbcn
alle drei in die abenteuerlichsten verwünschungen
ausbrachen. Ieder einzelne schivnr hoch und teuer,
er werde sich nicht soweit erniedrigen, ein Harlequin-
kleid anzulegen.
Alle diese Ltürme belächelte Aerline und als
sich die noch ininier grollenden Verwandten zum Ab-
zuge rüsteten, trat sie ihnen mit den Worten entgegen:
„Am die Lrfüllung diefer brieflichen Lestimmung
zn ermöglichen, will ich Ihnen gegen mein eigenes
Interesfe behülflich sein. Tie drci harlequinkostüme,
welche Lie mir heute aus dem Nachlaß des seligen
j)aten fchenkten, leihe ich Ihnen und werde, damit
Lie hier pünktlich erscheinen können, jedes in eines
der oberen Zimmer legen, wo 2ie sich umkleiden
können."
Tann ergriff sie die drei Pakete und fchritt
damit zur Thüre hinaus. Biagio, der Testaments-
vollstrecker, folgte diesem Beispiel, den Lrbschafts-
Aandidaten nur noch ratend:
„Vergessen nickt, Lignori, zwölf Uhr, sonst sein
su spät!"
T>ie letzteren zögerten auch nicht, das Haus zu
verlassen, dabei alle möglichen verwünschungen und
Beteuerungen ausstoßend, die Testamcntsbedingung
des vetters nicht zu erfüllen.
Tie Arist für die Testamcntseröffniing war noch
nicht verstrichen und schon schlichen drei Harlequins
die tlkaske vor dcm Kesicht in das Besuchszimmcr
Comassini's. Bald hatten sie sich als Podesta, Major
und Aotar crkannt und die ^Zeit verstrich unter gegen-
seitigen Lntschnldigungen, weshalb ein jeder von
ihnen das so verhaßte Aostüm angelegt habe. Auch
Biagio war erschienen, hatte die drei Mürdenträger
ihre ^kasken abnehmen lassen, um sich von der Iden-
tität der personen zu überzeugen, und schickte sich
soeben an, das Testament zu entsiegeln. Plötzlich
springt Aerline zur Thiire herein mit der Meldung:
„2e. Lxcellenz der tzerr Souverneur von Ber-
gamo!"
Achncll entwischt Aerline wieder, der falsche
Biagio ffolgt ihr und verschlicßt die Thüre von
außen.'s —' "Tie drei Harlcquins stehcn den erstcn
Noment wie versteinert, dann wollen sie fliehen,
finden jedoch die Thüre verschlossen. In ihrer Aot
kriechen Notar und Major unter je einen mit Tecken
überhangenen Cisch und nur der Herr Podesta bleibt
ratlos, die Maske vor dem Eesicht, in dAitte des
Zimmers stehen.
Ietzt öffnet sich die Lhüre; zwei reich livrierte
Tiener treten dem Eouverneur voran, dieser begrüßt