Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
L. Meggendorfers tzumoristische ZZlät'er.


Linche» vappelmeier.

hakit, mit mehr Dernunft gebraucht haue. Daß sie
sich nicht kriegten, kam nämlich fo.

Iin Städlchen gehörte cs zum gnlen Ton, daß
man des Lonnlags nachmiitags aus den Äabnhof
ging, um sich „sehen" zu lasseu, und es ist selbstver-
ständlieh, daß sich das neue Lrautpaar diesem Ärauche
erst recht fügen mußte. Linchen mar also nn neuen
Rleide, Robert im imponiereudsten Zylinder gekom-
men uud so wandelten sic glückstrablend den Perron
auf uud ab. Ta wurde Robert plötzlich von einem
Bahnbediensteten ersucht, weun es ibm möglich wäre,
auf cinen Aprung beim Herrn Lxpeditor einzu-
trelen, der eine wichtige Krage an ibn hätte. Robert
ing also, nachdem er sich bei Linchen Urlaub er-
eten, um zu sehen, wäs es gäbe, und seine Braut
wollte die paar Augenblicke an der Thüre auf ihn
warten.

Lr blieb indes länger aus, als Liuchen vermutet
hatte, und sie war sehon recht mißgeslimmt, wurde
aber dadurch wieder ui die beste Laune versetzt, als
sie in einem der Toupüsenster eines eben einfahren-
den Auges ihre Iustiluts-Heindin Lmma Wachtel
erkannte, auf die sie nun sofort mit gcäffneten Rrmen
und in der Absicht losstürzte, derselbeu ihre ver-
lobung mit dem „schönsten rlkanne des Ztädtchens"
auf möglichst schonungslose tVeise beizubringen.
Lmma Alachlel beglcirete die rprzählung Linchens
mit unzähligen „Ach's!" und „Vh's!", welche freudig
klingen sollteu, wobei aber ihr ohnehin nicht sehr
zarter Ceint einen grünlichen Achimmer annahm,
weil es ihr, dem so reichen Nädchen, nicht gelungen
war, sich eher zu verheiraten als diese Pappel-
meier, deren Lärvchen und — Albernheit schon im
Institute zu dem Verse:

„Bekannt ist es dem Publikum,

Daß du zwar schön, doch furchtbar dumm . . ."
veranlassung gegeben hatte.

Tas dumme Linchen aber, die diesen Aerger,
sie hätte sonst kein Hrauenzimmer sein müssen, sehr
wohl sah, schwelgte mit einer Raivetät und Wonne
in Lmma's Nißbehagen, als ob die Rache noch nicht
geboren wäre — was konnte sie ihr denn anhaben,
diese Lmma Wachtel, die schon im Institut so ver-
hutzelt aussah, daß der vers entstand:

„Lrst sechszehn zählt zwar Lmma Wachtel

Und doch ist sie schon alte Achachtel . . ."

An dieser Achönheit verdarb das bischen Aerger
auch nichts mehr! „tzierher, liebster Robert," rief
sie, als sie dieseu, der suchend nach ihr umherblickte, ent-
deckte, „sieh' dies ist meine teuerste Instituts-Kreun-
din Lmma Wachtel — liebste Lmma, mein Rräutigam!"

Lmma erblaßte noch mehr, sie fand den Rräu-
tigam ihrer Heindin in der Lhat hübscher und statt-
licher, als sie es bei deren Nitgist von sünfzehn-
tausend Mark hätte annehmen zu dürfen geglaubt
— der hätte entschieden ein besseres Los verdient!
Linchen nützte die Lituation bis zum Abgange von
Lmma's sZuge noch auf das Aleidlichste aus, und als
die letztere endlich nach noch vielmaligen Umarm-
ungen abfuhr, sank dieselbe schachmatt und mit
einem Racheschwur auf den Lippen in die Aammet-
kissen ihres Loupös.

Linchen kam auf dem ganzen Heimwege nicht
aus dem Lachen heraus; endlich hatte sie dieser
Lmma einmal heimgezahlt, was diese an ihr im In-
stitute verbrochen, wo sie ihr ständiger Äuälgeist ge-
wesen. Linchen, die überhaupt gerne sprach, über-
traf sich auf dem Nachhausewege selbst. Nachdem
ihr Bräutigarn ihr mit wenigen Worten erklärt hatte.

daß es sich bei dem Lxpeditor um die Lnträtselung
eines Rezcptcs gehandelr habe, öffnete sich ihr hüb-
scher Nund und ihr Bräutigam kam bis zum Ab-
schiednehmen nicht mehr zum Worte.

Linchen Pappelmeiers Eepappel verursachte dem
Provisor Aobert Lchwung cine schlaflose Nacht.
Lr bedachic, welch schwacher Nensch er sei, daß er
sich da in dem klcinen Neste so knall und fall fest-
ankerle und schließlich versauern wollte. „Nein
Eotl," sagte er sich, „Schönheit thut's heut zu Tage
wahrlich nicht allein und die lumpigen fünfzehn-
tausend Nark, die noch d'ranhängen, erst recht nicht,
da kann man höchstens zeitlebens Provisor dabei
bleiben! Ia, wer bei sZeilen so eine Lmma Wachtel,
von der ihm seine . . . seine . . . Braut erzählt
hatte, daß sie Doppelwaise wäre, ein Haus in der
Residenz und dreimalhunderttausend Nark bar habe —
erobert hälle, der konnte lachen, da gab's später weder
Reue noch Not. Not! Ibn schauderte; durfte er ein
Alesen für immer an sich ketten, wenn sich ihm einmal
eine solche Perspektive eröffnen sollte? Nein, nimmer
mehr! Lieber ein solches Äerhältnis bei sZeiten lösen,
das mit gutem Hewissen nicht für die Tauer geknüpft
werden konnte! — S du dummes Lenchen, was
mußtest du auch von den Dreimalhunderttausend
und der Residenz pappeln, nun war der leichte Vogel
lüstern danach!

Bald entstand Lrkältung zwischen den sver-
lobten — Linchen rang die schänen Hände, es nützte
aber alles nichls mehr, in kurzem war der Vogel
wirklich ausgeflogen-nach der Residenz.

Dort stand er ein paar Lage darauf am Re-
zeptiertisch der clegantesten Apotheke, zu deren stän-
digen Aunden Lmma Alachtel gehörte, und es dauerte
nicht lange mehr, so stand er mit ihr vor dem Altare.

Ia, mein Tolt, man muß eben seinem Bräu-
tigam in unserer aufgeklärten Aeil auch nicht unbe-
dacht von einer Anderen vorpappeln, die eine solch'
brillante Partie wie Lmma Wachtel ist, und dabei
freventlich darauf pochen, daß ein bischen Lchönheit
dreimalhunderttausend Aiark äuf die Dauer über-
strahlen könnte! Th. Müller.

d

^akalist.

Schutz'mann: „Ietzt sind kamn acht Tage verstrichen, daß
Sie wegen Landstreichens arretiert wurden, und.nun
treffe ich Sie schon wieder an!"

Angeklagter: „fferr Schutzmann, ick kann nich anders,
der Zug des fferzens ist des Schicksals Stimine!"
 
Annotationen