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Meier-Graefe, Julius
Manet und sein Kreis: mit 2 Photogravüren u. sieben Vollbildern in Tonätzung — Berlin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.25425#0019
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JULIUS MEIER-GRAEFE

8

bis in die Hundert. Aber hergeben will er kein
einziges. Es seien alles nur Skizzen, — er will sie
sämmtlich noch fertig machen; — wenn man in
zehn Jahren mal wieder vorsprechen wolle —
momentan ist er in den Siebzigern. Wenn nur
die Augen nicht alt würden. Je ne vois plus
rien! Aber er sieht immer noch unerhörte Dinge.

Und Pissarro, der Veteran mit dem langen,
weissen Bart, ein orientalischer Weiser, der
schönste alte Jude, der je einem Rembrandt sass
und der gar. nichts Rembrandtisches hat, mit
klugen Worten im Munde und stets vergnügten
Blicken in den listigen Äuglein, zumalseitdem
seine grossen Strassenbilder gekauft werden und
sein Sohn Lucien so schöne Erfolge in Eng-
land hat.

Puvis empfing bis zuletzt morgens zwischen
7 und 8 in dem bekannten Bademantel, der ihn
abhielt, viel in Gesellschaft zu gehen. Auch
die anderen sind nie die Zierden der Salons ge-
wesen, und sind langweilig zum Sterben, wenn
man mit ihnen ästhetisieren will. Als sie noch
ausgingen, vor dreissig Jahren, — schon damals
malten sie so verrückt — traf man sie in einer
bedenklichem Spelunke auf dem Montmartre,
abends, wenn keine Sonne mehr war. Es war die
Zeit, wo man noch das Bedürfnis hatte, zu reden.

So sind diese weitverschrienen Modernen.
Nun freilich, der Schein trüg't zuweilen. Aber
dass sie just alle so sind, so gar nichts Ge-
 
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