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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0398
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NATIONALMUSEUM

Sie nennen es Archäologisches Museum; böses Omen.
Augenmenschen haben hier wenig zu holen, aber Psycho-
logen können sich in Bocksprüngen üben. Die Ergebnisse
der Akropolis werden nach vielen Richtungen ergänzt.
Sonderbar der Auftakt in Mykene, diese verblüffende
Nichtigkeit. Die eindeutige, meinetwegen brutale Gebärde
eines heroischen Zeitalters, von dem die Sagen erzählen,
bleibt aus. Weder Götter noch Könige erscheinen, dagegen
hübsche Kleinigkeiten, Bibelots. Im allgemeinen pflegen
Kulturen so aufzuhören. Natürlich bestimmt der Zufall
die Funde, und man kann nicht die zerfallenen Ruinen
von Königsburgen aufbauen. Jede künstlerische Äußerung
aber trägt neben dem Zeichen ihrer Kategorie das Merk-
mal der gesamten Kulturstufe. Mykene bringt eine auf-
fallend frühe Blüte der Ornamentik. Man fing mit der
Oberfläche an und kümmerte sich nicht um die Form^
die man schmückte. Gleichzeitig mit einem raffinierten
Kunstgewerbe entstehen Skulpturen von verblüffender
Unfähigkeit. In den Resten der Wandmalerei behauptet
sich ebenfalls das Ornamentale, aber alles Bildnishafte
der Porträts ist von grotesker Verworrenheit. Ein boden-
los mißverstandener Einfluß Ägyptens. Man entnimmt
ihm einen Theaterstil und verwechselt Geschlossenheit
mit Erstarrung. Nichts von dem gesunden Realismus der
Vorbilder. (Freilich kann der von Dilettanten gesammelte

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