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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0411
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AUF DER SUCHE

nach dem Piräus kamen, und noch viel weniger die un-
endliche See an nordischen Küsten, die auf die Dauer lang-
weilig wird. Der große Ozean geht, wenn man darauf fährt,
nach den ersten Tagen in die mehr oder weniger ange-
nehme Materie über, zu der bei ruhigem Seegang das Ge-
döse auf dem Liegestuhl gehört, eine hygienische Ange-
legenheit zwischen Lunch und Dinner. Das griechische
Meer ist kein unendliches Element, sondern Gestalt, eine
Form von übersichtlichen Dimensionen, und der Reich-
tum beruht auf Vielheit der Ausdrucksmöglichkeiten. Die
flüssige Bläue, in dem Blau allen Varianten zugänglich,
bildet eine Kette von Seen, ein vielgliedriges Seengehänge,
und der Eindruck entsteht, die Erde samt den zahllosen
grünen Hügeln und rötlichen Tälern, samt dem Boden,
auf dem man selbst dahingleitet, werde von dem Wasser
getragen. Man glaubt, die Form schon gesehen zu haben,
quält sich, wo es gewesen sein könnte, rät auf Venedig, auf
Finnland, um plötzlich die Entdeckung zu machen, daß
das Erlebte in keinem anderen Lande, überhaupt in nichts
Sichtbarem, in dem man herumreisen könnte, lag, sondern
eher in einem rhythmischen Seengehänge enthalten war,
das sich an ein anderes Sinnesorgan wandte. Auf der
Fahrt kommen einem manchmal solche Ideen, hängen
vermutlich mit der Bewegung zusammen. Man bildet sich
ein, dieses Fliegen von Insel zu Insel, dieses Narren mit
dem Wasser, dieses Versteckenspiel hinter Felsen und
Klippen schon einmal im Gehör gehabt zu haben als eine
Art musikalischen Gehänges, und obwohl es so unsinnig
wie möglich ist, quält man das Ohr nach dem Rhythmus.

Babuschka liest, unbekümmert um meine Gedanken,
und wirft zuweilen pflichtgemäß einen Blick auf die Land-
schaft. So pflegen Engländer zu reisen. Sie hat die Odyssee
vor, stilgerechte Lektüre. Einmal erwische ich das Buch,
Rudi Schröders Übersetzung. Um das verdammte Gefoppe
im Ohr loszuwerden, erzähle ich von ihm. Wir wohnten,

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