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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0441
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MOSAIKEN

Der griechische Genius hört nicht mit den antiken Tem-
peln und Statuen auf. Die Antike bezeugt nur den ohne
weiteres greifbaren Teil seines Umfanges, den man den
materiellen nennen könnte. An Zeit und Raum gemessen,
erscheint er als kleinerer Teil. Das Ende der heidnischen
Kultur begrenzt ihn. Für Menschen unserer Tage ist die
nachantike Existenz Griechenlands das größere Wunder.

Auf dem Wege von Athen nach Eleusis liegt das einst
geräumige und reiche Kloster Daphni, in dessen Kirche
man byzantinische Mosaiken aus dem 11. Jahrhundert ent-
deckt und bloßgelegt hat. Leider nur einzelne große
Stücke. Sie ähneln denen in Venedig, zumal dem großen
Fassadenmosaik in Torcello mit dem schreitenden Chris-
tus, der die Toten erweckt, aber sind weniger streng und
dafür um einiges lebendiger. Man spürt in Daphni die an-
tike Herkunft der Mosaiken deutlicher als in Italien; eine
mildere Regsamkeit, ein verstecktes attisches Lächeln, das
vielleicht nur lebhaftere Farbe ist, eine mehr erzählende
als befehlende Gebärde. Nur die Rüste des bärtigen Chri-
stus in der Kuppel hat den ganzen unentrinnbaren Ernst
eines religiösen Rekennens, das den Menschen dem Traum
entriß und ihn vor Pflichten stellte.

Man reagiert auf solche Mosaiken fast automatisch und
unterwirft sich widerstandslos ihrer nicht geringen Zu-
mutung, während jedes gemalte Staffeleibild, aus welcher

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