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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0450
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KAP SUNION

Sunion liegt von allen Tempeln am schönsten. Die
Fläche auf der Höhe ist viel kleiner als das Plateau der
Akropolis und konnte leichter gekrönt werden, und das
Terrain verbirgt den Tempel von weitem, wenigstens vom
Lande aus. Nächstens, auf der Fahrt nach Konstantinopel
wird man die Ansicht vom Meere aus kennenlernen. Erst
wenn man schon fast die Höhe erreicht hat, steht das Weiß
des Marmors als letzte Überraschung da. Die Landschaft
ringsum übertreibt die Mannigfaltigkeit weit über das ge-
wohnte Spiel hinaus. Die Romantik schließt mit einer dra-
matischen Szene. Man könnte glauben, der Schöpfer habe
sich plötzlich gewaltsam von dem Werk, das ihm das
teuerste war, losgerissen und, um nicht sentimental zu
werden, sich mit einer genialen Skizze als Finale begnügt.
Nirgends fällt es leichter, sich einen persönlichen Schöp-
fer vorzustellen. So natürlich in Griechenland die Götter-
welt der Antike erscheinen mag, so gut begreift man die
Inbrunst der christlichen Schwärmer.

Man steht auf dem weit ins Meer hinaus gebauten Pla-
teau, das eine Drehbühne sein könnte. Das Finale ist nicht
frei von Dissonanzen. Inmitten der schwimmenden, ver-
wehten, zerrissenen Formen, die uns umkreisen, findet
der Blick in den ragenden Säulen eine Stütze. Die Siche-
rung liegt nicht im Struktiven allein. Der Tempel istRuine,
ist es viel endgültiger als andre. Nie würde man wie auf

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