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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0451
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FINALE

der Akropolis wünschen, ihn so zu sehen, wie er im Alter-
tum war, intakt und mit den Menschen von früher belebt.
Er hat erst als Ruine den Zustand größter Vollkommen-
heit erreicht. Nicht nur der Hügel wird von ihm gekrönt.
Auf den Hügel beschränkte sich der Bau, als er noch ganz
war. Jetzt krönt der leuchtende Marmor das ganze Pano-
rama. Die Farbe unterscheidet sich durchaus vom Stein
des Parthenons und spielt in dem Ensemble der Natur
eine ganz andere Rolle. Nicht die Form, sondern die Farbe
trägt den uns sichernden und beglückenden Rhythmus. Er
beginnt tief unter uns mit dem tiefblauen Meer, das ohne
die Bewegung ganz zu Schwarz werden könnte aber in
dem leichten Gekräusel bereits helle Töne enthält. Sie
scheinen nicht aus Blau, sondern aus Grün gewonnen und
werden am Ufer zu lichtestem Smaragd. Das Meer atmete
ruhig und ließ die Sonne gewähren, die alle Formen löste,
alle Farben außer dem Blau zersetzte und die Erde in ein
Geflimmer verwandelte, so daß man verführt werden
konnte, das Meer für das Feste und das Land für einen
Bestandteil des silbernen Himmels zu nehmen. Die Höhe
der Bühne über dem Meer schien bedeutender als die
Entfernung des Himmels, weil wir ihn auf dem Schädel
spürten und darin spazieren gingen. In diesem Geflimmer
gewannen die Säulen den reinsten Ton, gemischt aus ge-
bleichten Knochen und Schneekristallen. Man hat einen
in der Nähe gewachsenen sehr weißen Marmor verwendet,
der viel leichter als der des Parthenons verwittert, aber
nicht rötlich oxydiert, sondern unter dem Einfluß der See-
luft das Weiß noch gesteigert hat. Die Riefen der dorischen
Säulen sind breiter als sonst, und das Salz hat sie noch
breiter gefressen und den Kanten alle Schärfe genommen.
Die Brüchigkeit des Steins begünstigt hier wie in Segesta
die Vermählung der Form mit der Atmosphäre, nur ist
es hier hundertmal schöner. Das Licht steigert die Ab-
straktion des Tempels und befreit ihn von den Letzten

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