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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0023
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Doktor, kein Sanitar, ein freiwilliger Kranken-
pfleger, der nicht pflegt und mit einem Auto herum-
fährt. Nun ja, mit einem Sanitätsauto. Man kann
auch mit einem Sanitätsauto herumfahren. Gute
Maschine, wie? Ganz neu! In dem Wagen waren
wohl nicht viel Verwundete? Nun ja, die Binde.
So eine Binde ist eben eine Binde. Ich soll doch,
s’il vous plait, meine Situation recht genau ex-
ponieren.

Er meint es natürlich nicht so, denkt gar nicht
daran. Wie käme er dazu? Aber es könnte ja
schließlich sein.

Ich muß lachen, weil einer der Zuschauer draußen
seine Nase an dem Fensterglas platt drückt. Die
Nase sieht wie ein Harzer Käse aus.

Der General reagiert nicht. Na, sei nur friedlich!
Darauf sagt er etwas Russisches zu mir, worauf
es hinten bei den Uniformen auf einmal still wird.
Er sagt noch etwas und hält mich so von unten
scharf im Auge. Feldherrnblick. Dann probiert er
es polnisch.

,,Jimno!(< sage ich plötzlich und grinse. Das war
gut. Er verzieht das Gesicht. Hinten lachen sie.
Die Nase am Fenster wird zu einem Camembert.
„Welcher Rang?“ fragt der General plötzlich auf
deutsch.

„Überhaupt kein Rang! Bin nie Soldat gewesen,
habe gar keine Beziehung zum Militär, bin lediglich
für Verwundete tätig gewesen, Führer einer frei-
willigen Sanitätskolonne.“

,,So, so!“

Hinten ist wieder Schweigen.

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