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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0058
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gekommen und hatten Nowo-Georgiewsk nicht be-
rührt. Das Ouartier war ein kleines Haus und be-
stand außer einem Vorraum für die Wachen aus
zwei hellen Räumen und einem Glasverschlag, einer
Küche mit Wasserleitung und Gasherd. Man konnte
soviel Wasser haben, wie man wollte, und es sich
heiß machen. In jedem der beiden Haupträume
standen sechs eiserne Betten mit Wolldecken, Tischen
und Holzschemeln. Die Fenster gingen nach der
Straße. Die Scheiben waren mit weißer Ölfarbe
zugemalt. Selbst im Vergleich mit dem Bureau in
Plonsk war das Ganze freundlich, hatte sogar etwTas
Intimes. Außerdem gab es Brot und Zucker im Über-
fluß, und man sprach sogar von einem Diener, der
Gänge in die Stadt übernahm und Einkäufe besorgte.
Mittags gab es warmes Essen.

Ich möchte nur einmal die Ventilation in Augen-
schein nehmen, ersuchte der Hauptmann. Es war
ein Klappfenster wie in allen einfachen Wohnungen
Rußlands. Eine in Holz gefaßte Scheibe saß oben
im Fenster des zweiten Ziinmers und ging nach
außen. Die Fenster selbst waren zugekeilt und ver-
kittet. Das entsprach den klimatischen Verhält-
nissen. Dazu müsse man das Verbot jeglicher Be-
wegung im Freien addieren, das unverdauliche
Brot, vor allem aber die Würdelosigkeit des ganzen
Systems.

Ich borgte mir seine Seife, machte mir heißes
Wasser und wusch mich ausführlich. Zweimal
wurde das Wasser erneuert. Seit ich an der Front
war, hatte ich keinen Gasherd gesehen, und die
letzten Tage war ich nicht zum Waschen ge-

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