Meier-Graefe, Julius: Die weisse Strasse (Berlin, 1930)

zu kommen, an ein Büffett zu gehen und sich eine
Semmel mit rotem Kaviar oder eine Pastete als
Hors d’oeuvre zu wählen, dann sich an einen ge-
deckten Tisch zu setzen und dem Kellner zu be-
stellen. Remken machte den Dolmetsch. Manch-
mal nahm man hinterher auch noch ein Kompott
und Kaffee. Große Sprünge waren mit den
iy2 Rubel Gage täglich nicht zu machen. Ich
besaß außerdem noch etwa 30 Rubel, die mir
unser Soldat in Warschau für mein deutsches
Geld gewechselt hatte. Die anderen waren etwas
reichlicher versehen. Die beiden Heinriche führten
gemeinsame Kasse.

Die Kälte war erträglich. Wenn ich ausstieg,
kletterte auch gewöhnlich der Leibhusar aus seinem
Wagen. Jedesmal gab er mir ein neues Detail über
die Art, wie er der Gefangenschaft hätte entgehen
können, wenn er nach dem Streifschuß ruhig liegen
geblieben wäre. Sie kochten sich Kartoffeln auf
ihrem kleinen Ofen. Es ging ganz gut.

Auf einer Station, wo wir am späten Nachmittag
eintrafen, fiel ich über eine Schwelle und riß mir
die Hose über dem Knie auf. Gerade an der denkbar
sichtbarsten Stelle und über die ganze Breite hin.
Das Lila klaffte heraus. Scholl erkundigte sich sehr
freundlich, ob ich mir weh getan habe. Mehlwurm
stand mit seiner Pfeife dabei und redete etwas
über den Stoff. Die Sache war natürlich ganz be-
langlos, aber erschien mir wie ein Schlag, der mit
einem Male alles Erniedrigende meiner Lage ent-
hüllte. Mehhvurm hatte Faden und Zwirn bei sich,
hatte sich in Warschau einen Knopf angenäht, hatte

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