Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0312
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Natürlich reibt man sich bei der Arbeit. Ohne
das brächten wir nichts fertig, aber wir merken
beide, wie die Reibereien täglich besser werden, will
gar nicht sagen, abnehmen. Wir sind immer noch
nicht anf dem Punkt, wo jeder sein Maximum gibt,
noch lange nicht. Man muß immer noch zu viel von
Nebensachen reden, und manche zwingt, bei Adam
und Eva anzufangen.

Es kostet viel Zeit. Aber wir nähern uns ergiebigen
Friktionen. Es ist unglaüblich, was eine richtig
eingestellte Aussprache sofort an brauchbaren Dingen
zutage fördert. Wie dumm war man früher! Man
konnte sich unter fünfzig Millionen Menschen einen
aussuchen und sperrte sich ein. Das heißt, gemerkt
habe ich oft, was durch eine Diskussion, selbst durch
die dümmste, schon ganz allein durch die Bewegung,
die man dabei machte, zu gewinnen war. Nur wurde
man zu oft vor den Kopf gestoßen oder büdete sich’s
ein. Womöglich hielt man sich schon für prostituiert,
wenn man jemandem etwas vorlas. Du hättest
glauben können, ich wollte literarisch werden. So
etwas aber, Zusammenarbeit mit einem anderen wäre
einem wie der Gipfel des Blödsinns erschienen. Erstens
gab es keinen unter den fünfzig Millionen, der gewollt
oder mit dem man gewollt hätte, und hätte es einen
gegeben, hätte man sich selbst für überflüssig erklärt,
Infolgedessen wurde man erst recht überflüssig!
Dabei kann ich nicht einmal sagen, der Junge passe
zu mir oder ich zu dem Jungen. Wir haben nicht eine
Spur Ähnlichkeit, sind mehr als zwanzig Jahre aus-
einander. Er hätte mich nicht angesehen, ich hätte
ihn nicht angesehen. Gut, es ginge nicht, wenn

298
 
Annotationen