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Meier-Graefe, Julius
Die weisse Strasse — Berlin, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.30357#0051
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dabei zu sein, wo andere waren! Bodenloser Unsinn!
— Die Gemeinheit der ganzen Geschichte hatte sich
in dieser Nacht, in diesem pestilenzartigen Dunkel,
in diesem glitschigen Boden gesammelt. Alles
andere war Fiktion. Ein fauliger Sumpf mit Kälte,
Hunger und Dunkel. Ich stieg als letzter Über-
lebender mit zitternden Knien am Rande des Sumpfes
herum und wartete, bis es mich fressen würde.
Langsam ließ ich mich mit dem Rücken an den
Latten zu Boden gleiten, saß da, den Kopf auf den
Knien, und wollte mir verhehlen, daß es da sehr
gut war, daß man so vorzüglich sitzen konnte, daß
es ein Vergnügen war, die Entspannung in den
Knien zu spüren, eine Wollust, die alles je erlebte
Schöne übertraf. Aber allmählich fing das Dunkel
zu murren an. Aus dem Boden kamen giftige Dünste.
Die Kälte stieg langsam vom Gesäß ins Rückenmark.
Die Beine schliefen ein. Es war nicht gerade unan-
genehm. Selbst der Gestank der gefrorenen Exkre-
mente war nicht gerade unangenehm. Ich erinnerte
mich einer Stelle in meinem ersten Roman, wo der
Held in einem überhitzten Kastenbad sitzt und ihn
ein Delirium abhält, den Hahn zu schließen und den
Wärter zu rufen.

Nun geschah wieder eine Übertreibung. Schritte
kamen, ein Mann, ein Offizier in einem feinen Pelz-
mantel, natürlich der Retter. Mit ihm kam ein
Soldat und trug eine ungeheuer große Laterne. Die
Laterne torkelte betrunken auf mich zu. Sie hatte
käferhafte Beine. Unter der Last knickten die Beine
nach allen Seiten ein.

Eine himmlische warme Stimme erklang hoch oben

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