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Voss, Georg [Hrsg.]; Lehfeldt, Paul [Bearb.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 1,1): Kreis Meiningen: Amtsgerichtsbezirk Meiningen (die Stadt Meiningen und die Landorte) — Jena, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.19308#0403
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330 Dreissigacker. Meiningen. 330

vergolden haben. Ueber einen Rechtsstreit, der sich wegen der darauf ruhenden
Lasten unter den Lehnsbauern entsponnen hat, berichtet das Henneb. Urkundenb. VII,
264. — Demselben Stift zu Schmalkalden eignen später die gräflichen Brüder
Heinrich und Berthold von Henneberg die von ihnen zu Lehen gehenden Güter
zu Dreissigacker, welche Johann v. Haselbach dem Domherrn Konrad Griesel ver-
kauft hat, um aus dem Ertrag eine Vicarei zu stiften. 1435 ist Hans vorn Berg
im Besitz eines gräflichen Lehnsgutes. Wenige Jahre später finden wir den reichen
Ritter Karl Truchsess v. Wildberg hier begütert: er verkauft der Liebfrauenkirche
zu Christes eine Hube Landes.

Von sonstigen Ereignissen meldet die Chronik noch Folgendes: 1350, als das
„grosse Sterben" Deutschland heimsuchte, soll Dreissigacker gänzlich verödet ge-
wesen sein; 1418 wurde es durch eine gewaltige Feuersbrunst verwüstet. Im
Bauernkriege scheinen die Einwohner, meist arme, vielgeplagte Frohnbauern,
sich lebhaft an den Unruhen betheiligt zu haben, mussten aber ihren Freiheits-
drang schrecklich büssen; viele Aufrührer wurden hingerichtet, wie denn der
Scharfrichter überhaupt hier blutige Arbeit hatte: mehrere hundert Bauern sollen
insgesammt ihm verfallen sein. - ■ Die schlimmsten Zeiten jedoch erlebte Dreissig-
acker während des dreissig jähr igen Krieges (vgl. Heller, Schriften d. Ver. f.
meining. Gesch., Heft 46, S. 152 ff.). Nachdem schon im Herbst 1640 von räuberischen
und grausamen Schweden mehrere Gebäulichkeiten niedergebrannt worden waren,
wurde zu Anfang des folgenden Jahres der Rest mit den herrschaftlichen Ge-
bäuden und der Kirche durch den Hauptmann Tarras, eine Bestie in Menschen-
gestalt, niedergebrannt: der Ort war nahezu in eine Wüstenei verwandelt, und nur
langsam erholte er sich nach dem Friedensschluss von seinen Leiden. Bessere
Zeiten sah er, als die Bernhardsche Herrscherlinie das nahe Meiningen zu ihrer
Residenz erkor. 1710 erbaute Herzog Ernst Ludwig I. hier oben, auf luftiger,
weitschauender Höhe ein Jagdschloss, in dem er, wie auch seine Gemahlin Doro-
thea Maria, sich gerne aufhielt. An der Absicht, ein grösseres Lustschloss
daselbst aufzuführen, wurde er durch seinen frühzeitigen Tod gehindert. Karl
Friedrich, der zweite der überlebenden Prinzen, weilte ebenfalls oft in Dreissig-
acker und liess sich von den Dienern gern in den Alleen herumfahren. —
Irrungen, die sich ob des Schlosses und Kammergutes zwischen den fürstlichen
Häusern S.-Gotha und S.-Meiningen entsponnen hatten, wurden 1785 beigelegt.

Die Glanzzeit Dreissigackers fällt, in die ersten vier Jahrzehnte des 19. Jahr-
hunderts. Herzog Georg I. ersah den Ort als Heimstätte des im Jahre 1801
begründeten Forstinstituts. Kaum konnte man einen günstigeren Platz für
eine derartige Lehranstalt finden, als das Jagdschloss zu Dreissigacker. Das
massive, zweistöckige Gebäude bot bequemen Raum für die Hörsäle, ein Naturalien-
cabinet, ein mathematisch-physikalisches Cabinet, ein Laboratorium, Lehrerwohnungen
und Zimmer für Akademiker. Die Lage des Schlosses ist hoch und frei: gegen
Osten ist der langgestreckte Zug des Thüringerwaldes sichtbar, südwärts erheben
sich über dem niedrigen AValdkranz die Kuppen der ruinengekrönten Höhen
Henneberg und Hutsberg und die der Gleichberge bei Römhild. Nach Westen
steigt imposant die Hohe Geba auf, und nach Norden begrenzt die Kette der
Rhönvorberge die Fernsicht. In geringer Entfernung umschliesst den Ort ein
nicht ganz geschlossener Kreis mannigfachen Gehölzes, die Hassfurth nach Norden,
 
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