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Mengs, Anton Raphael; Schilling, Gustav [Editor]
Anton Raphael Mengs' Sämmtliche hinterlassene Schriften (Band 2) — 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.6324#0103
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Copien dieses Bildes von Rubens im Palast, die mit der Ueber-
setzung eines Büches in's Flammändische verglichen werden können:
die Gedanken des Originals sind zwar beibehalten , aber die Grazie
ist verloren gegangen.

Die andern Werke von Titian sind grösstentheils von geringe-
rem Werthe, da er dieselben in hohem Alter malte und wohl wegen
Blodigkeit der Augen den Pinsel nicht mehr mit so viel Reinheit füh-
ren konnte: indessen sind die Tinten immer noch vortrefflich. Es
ist von Nachtheil für die Kunst, dass Titian mehrere solche unvollen-
det gearbeitete Bilder hinterliess, weil dadurch manche seiner Nach-
ahmer in den Irrthum fielen, als sey dies sein wahrer Styl, ohne
dabei zu bedenken, wie gross dieser Meister in seinen vollendeten
Werken, besonders aber im Colorit war.

Von Correggio kann ich nur wenige Stücke anführen. Wie
aber jede Art zu malen einen eigentümlichen Zauber der Kunst ent-
hält , so werden schon zwei der hier vorhandenen Werke genügen,
einen Begriff von der Grösse dieses Künstlers zu geben. Eine Jung-
frau, wie sie eben das Kind ankleidet, mit dem heiligen Joseph, von
nur geringem Umfang, aber dem herrlichsten Eindruck. Man staunt
mit Recht, wie die Gestalten, welche kaum einen Schub gross sind,
selbst auf eine beträchtliche Entfernung eine so ganz ausserordent-
liche Wirkung hervorbringen können. Diese Wirkung liegt aber
nicht sowohl in der ausserordentlichen Stärke des Helldunkels, als
vielmehr in den Mitteltinten, welche den Uebergang vom Licht zum
Schatten hervorbringen, wie in dem sonderbaren Kunstgriffe, durch
welchen er die Rundung und die Formen in einer solchen Manier
ausführte, dass man eine flache Tafel vor sich zu sehen glaubt.

Wenn Titian in seinen Tinten und Localfarben grosse Stärke
besass, so übertraf ihn Correggio wieder in einem besondern Hervor-
lieben der Schönheit der Körpertheile, so wie auch in der Luftper-
spective, und zwar nicht nur in Hinsicht auf Gegenstände, welche
durch Hülfe des Helldunkels nach ihren Entfernungen richtig abneh-
men , sondern hauptsächlich in Beziehung auf eine gewisse Einsicht
in die Beschaffenheit der Luft. Denn da die Luft, wenn sie beleuch-
tet wird, mehr oder weniger durchsichtig ist, so theilt sie auch dem
Körper ihr Licht an jenen Theilen mit, an welche der Hauptstrahl
nicht dringen kann, und bildet so gleichsam ein umgebendes Licht,
durch welches wir die Gegenstände auch im Schatten wahrnehmen
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