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[Novalis an Schlegel]
124. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 8°. Datum: „W(eissenfels),
den 10. Dezember" (richtig: 10. I. 1797!).
Sehr trübe Stimmung. Sophie krank. Handverletzung. (Deshalb sehr schlechte Schriftl)
Erasmus krank.
„Untröstlich war ich über seinen Verlust und käm ich um
Solchen, so weiss Gott, was aus mir würde." —
Er erwähnt ferner seinen Onkel „Den Grosskreut z", Woltmann, Reich-
hardt „dessen Apologie von Richter (Jean Paul)... mir ihn sehr lieb gemacht
hat", „Urian", ein satyrisches Gedicht von M. Claudius „worüber mein Alter be-
sonders sein Fest hatte" und Schlegels Aufsatz über Schlosser „Du bist im frischen
Wachsthum des Annihilirens. — Der Schluss ist allein eine Hecatombe von Maulwürfen
wehrt . . ."
125. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. Datum: „W(eissenfels) 7. Feb-
ruar (1797)". 1 Seite 4°.
„Du musst meine Nachlässigkeit verzeihn — die Griechischen Gedichte kommen erst
jetzt mit. Zeither bin ich faul gewesen und kann Dir also nichts mitschicken. Überdem
hab ich Wilhelm Meister jetzt nicht — da ich ihn nach Gr.(üningen) geschickt habe.
Von daher, hab ich zu meinem grossen Verdrusse seit drey
Wochen keine Nachricht. Mit Erasmus gehts auch gar nicht
gut..."
126. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 8°. Datum: „W.(eissenfels)
14. März (1797)".
5 Tage vor Sophiens Tode: „Dein Brief hat mich in einer trostlosen Lage getroffen.
Ich bin aus Grüningen mit der fast a p o d i c t i s c h e n Gewisheit
zurückgekommen, dass Sofie nur noch wenige Tage zu leben
hat. Wenn ich nur immer weinen könnte ... Es ist eine Verzweiflung in mir, deren Ende
ich nicht absehe . . . jetzt erst fühl ich, wie sie, mir selbst unmerklich, der Grundstein
meiner Ruhe, meiner Tätigkeit, meines ganzen Lebens gewesen ist . . . Ich hoffe, die
Wissenschaften sollten mir einen Ersatz bieten — aber alles ist auch hier todt, wüste, taub,
unbeweglich . . . Dich sah ich doch gern. — Du würdest mich doch vielleicht mit Deinen
kräftigen Ansichten der Dinge und Wissenschaften beleben — ach! nur ein Funken Lebens-
geist."
127. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 4°. Datum: „Tennstedt:
den grünen Donnerstag 1797" (13. April).
Novalis hat Weissenfeis verlassen, da er den Tod des Erasmus, von dem er als vollen-
deter Tatsache spricht, nicht mit ansehen kann (ebenso floh er vor dem Sterben Sophiens).
Es heisst in dem Brief:
„. . . Du kannst denken, wie es mir in dieser Gegend, der alten Zeugin meiner und
Ihrer Herrlichkeit, vorkommt. Dennoch hab ich eine geheime Freude, so nah ihrem Grabe
zu seyn. Es zieht mich immer näher, und dieser Zug macht jetzt zuweilen mein unaus-
sprechliches Glück. Mein Herbst ist da und ich fühle mich so frey, gewöhnlich so kräftig
— es kann noch etwas aus mir werden." Sophies Tod wird ihm zum himmlischen Zufall „ein
Schlüssel zu allem. — Ein wunderbar schicklicher Schritt. Nur so konnte so manches eine
gelöst, nur so manches Unreife gezeitigt werden . . . Meine Liebe ist zur Flamme ge-
worden, die alles Irdische nachgerade verzehrt ... 4 Jahre war ich auf Aca-
demien und Ein Jahr hab ich studirt — 25 Jahr bin ich alt ge-
worden und nur ein halb Jahr hab ich gelebt..." „. .. Der Tod
von Erasmus hat eher eine wohlthätige, als nachtheilige Wir-
kung auf mich gethan. Er hat meine Kräfte eher vermehrt..."
128. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 3 Seiten 4°. Datum: „Tennstedt,
3. May 1797". Mit Anschrift nach Jena und schwarzem Siegel.
N. bittet Schi., um Agnes, den Roman von Karoline v. Wolzogen, der anonym in
den Hören erschienen war, „und um einige Nova, besonders von Dir . . • Ich habe hier
gar nichts und es finden sich doch Stunden, wo ich einer ermunternden, wieder reitzenden
Erholung bedarf. Unthätig bin ich gar nicht — ich nähere mich jetzt auf einer anderen
Seite meinem alten Ziele . . . Ich will mich nicht übereilen und langsam Eins voll-
enden, um mich selbst vollenden zulernen. Ich lebe hier sehr glücklich,
denn alles ist ruhig um mich her, und ich habe mein Heiligthum nicht
fern.
S c h e 11 i n g s Philosophie der Natur findet in mir einen sehr neugierigen Leser . . .
Ich bin Dir immer herzlich gut gewesen und, wenn ich auch zuweilen mit Dir unzu-
frieden war, so habe ich doch nie von Dir lassen können und sicher nehme ich Dein An-
denken mit Innigkeit hinüber in jene Welt mit . . . Ist von F i c h t e etwas Neues da
— so bitt ich Dich darum . . ."
[Novalis an Schlegel]
124. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 8°. Datum: „W(eissenfels),
den 10. Dezember" (richtig: 10. I. 1797!).
Sehr trübe Stimmung. Sophie krank. Handverletzung. (Deshalb sehr schlechte Schriftl)
Erasmus krank.
„Untröstlich war ich über seinen Verlust und käm ich um
Solchen, so weiss Gott, was aus mir würde." —
Er erwähnt ferner seinen Onkel „Den Grosskreut z", Woltmann, Reich-
hardt „dessen Apologie von Richter (Jean Paul)... mir ihn sehr lieb gemacht
hat", „Urian", ein satyrisches Gedicht von M. Claudius „worüber mein Alter be-
sonders sein Fest hatte" und Schlegels Aufsatz über Schlosser „Du bist im frischen
Wachsthum des Annihilirens. — Der Schluss ist allein eine Hecatombe von Maulwürfen
wehrt . . ."
125. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. Datum: „W(eissenfels) 7. Feb-
ruar (1797)". 1 Seite 4°.
„Du musst meine Nachlässigkeit verzeihn — die Griechischen Gedichte kommen erst
jetzt mit. Zeither bin ich faul gewesen und kann Dir also nichts mitschicken. Überdem
hab ich Wilhelm Meister jetzt nicht — da ich ihn nach Gr.(üningen) geschickt habe.
Von daher, hab ich zu meinem grossen Verdrusse seit drey
Wochen keine Nachricht. Mit Erasmus gehts auch gar nicht
gut..."
126. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 8°. Datum: „W.(eissenfels)
14. März (1797)".
5 Tage vor Sophiens Tode: „Dein Brief hat mich in einer trostlosen Lage getroffen.
Ich bin aus Grüningen mit der fast a p o d i c t i s c h e n Gewisheit
zurückgekommen, dass Sofie nur noch wenige Tage zu leben
hat. Wenn ich nur immer weinen könnte ... Es ist eine Verzweiflung in mir, deren Ende
ich nicht absehe . . . jetzt erst fühl ich, wie sie, mir selbst unmerklich, der Grundstein
meiner Ruhe, meiner Tätigkeit, meines ganzen Lebens gewesen ist . . . Ich hoffe, die
Wissenschaften sollten mir einen Ersatz bieten — aber alles ist auch hier todt, wüste, taub,
unbeweglich . . . Dich sah ich doch gern. — Du würdest mich doch vielleicht mit Deinen
kräftigen Ansichten der Dinge und Wissenschaften beleben — ach! nur ein Funken Lebens-
geist."
127. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 4 Seiten 4°. Datum: „Tennstedt:
den grünen Donnerstag 1797" (13. April).
Novalis hat Weissenfeis verlassen, da er den Tod des Erasmus, von dem er als vollen-
deter Tatsache spricht, nicht mit ansehen kann (ebenso floh er vor dem Sterben Sophiens).
Es heisst in dem Brief:
„. . . Du kannst denken, wie es mir in dieser Gegend, der alten Zeugin meiner und
Ihrer Herrlichkeit, vorkommt. Dennoch hab ich eine geheime Freude, so nah ihrem Grabe
zu seyn. Es zieht mich immer näher, und dieser Zug macht jetzt zuweilen mein unaus-
sprechliches Glück. Mein Herbst ist da und ich fühle mich so frey, gewöhnlich so kräftig
— es kann noch etwas aus mir werden." Sophies Tod wird ihm zum himmlischen Zufall „ein
Schlüssel zu allem. — Ein wunderbar schicklicher Schritt. Nur so konnte so manches eine
gelöst, nur so manches Unreife gezeitigt werden . . . Meine Liebe ist zur Flamme ge-
worden, die alles Irdische nachgerade verzehrt ... 4 Jahre war ich auf Aca-
demien und Ein Jahr hab ich studirt — 25 Jahr bin ich alt ge-
worden und nur ein halb Jahr hab ich gelebt..." „. .. Der Tod
von Erasmus hat eher eine wohlthätige, als nachtheilige Wir-
kung auf mich gethan. Er hat meine Kräfte eher vermehrt..."
128. An Friedrich Schlegel. Eigh. Brief m. U. 3 Seiten 4°. Datum: „Tennstedt,
3. May 1797". Mit Anschrift nach Jena und schwarzem Siegel.
N. bittet Schi., um Agnes, den Roman von Karoline v. Wolzogen, der anonym in
den Hören erschienen war, „und um einige Nova, besonders von Dir . . • Ich habe hier
gar nichts und es finden sich doch Stunden, wo ich einer ermunternden, wieder reitzenden
Erholung bedarf. Unthätig bin ich gar nicht — ich nähere mich jetzt auf einer anderen
Seite meinem alten Ziele . . . Ich will mich nicht übereilen und langsam Eins voll-
enden, um mich selbst vollenden zulernen. Ich lebe hier sehr glücklich,
denn alles ist ruhig um mich her, und ich habe mein Heiligthum nicht
fern.
S c h e 11 i n g s Philosophie der Natur findet in mir einen sehr neugierigen Leser . . .
Ich bin Dir immer herzlich gut gewesen und, wenn ich auch zuweilen mit Dir unzu-
frieden war, so habe ich doch nie von Dir lassen können und sicher nehme ich Dein An-
denken mit Innigkeit hinüber in jene Welt mit . . . Ist von F i c h t e etwas Neues da
— so bitt ich Dich darum . . ."