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Weinfurter, Stefan [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

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Laudage, Johannes: Gewinner und Verlierer des Friedens von Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0138

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Johannes Laudage

zu reverentia verpflichtet112, sein Verhältnis zu Alexander wurde als das eines erge-
benen Sohnes (devotus filius) zu seinem großmütigen Vater (benignus pater) be-
zeichnet113, und hieraus ergaben sich ganz konkrete Rechtspflichten: Der verlore-
ne Sohn< mußte dem Vater erst einmal Gehorsam versprechen und um
Verzeihung bitten. Erst danach wurde er von den Fesseln der Exkommunikation
gelöst und zum Friedenskuß zugelassen. Die Vorgänge vor den Toren von San
Marco brachten dies in zeichenhafter Form zum Ausdruck, aber sie markierten
nur den Beginn einer ganzen Reihe von weiteren Gesten. Das Ehrengeleit beim
Betreten und Verlassen der Kirche, die rituelle Wiederholung des Fußfalls wäh-
rend der Messe am Jakobus-Tag und das anschließende Steigbügelhalten: all das
war nichts anderes als eine Erfüllung vertraglich vereinbarter Feistungen, die das
Rangverhältnis zur Schau stellen sollten. Nicht von ungefähr hob Alexander her-
vor, daß der Kaiser ihm damit omnem honorem et reverentiam erwiesen habe114. Was
in diesen Worten zum Ausdruck kommt, ist vor allem die Tatsache, daß der Stau-
fer ihn in zeremonieller Form als Papst anerkannt hatte und in den Schoß der Kir-
che zurückgekehrt war.
Damit soll aber nicht gesagt werden, daß der Frieden von Venedig nun ein
voller Erfolg des Papsttums gewesen sei. Denn die Rituale zeigen uns offenkun-
dig nur die eine Hälfte der Medaille. Die andere aber bekommt man nur dann zu
sehen, wenn man auch den Vertragstext liest und seine Konsequenzen bedenkt.
Öffentliche Symbolhandlungen und redende Gesten sind daher keineswegs als
bloßes Spiegelbild schriftlicher Friedensvereinbarungen zu verstehen, sondern
bilden eher deren Ergänzung und partielle Umsetzung. Auf den Frieden von Ve-
nedig bezogen, bedeutet dies, daß man keinesfalls von einem Sieg des Rituals
über das Pergament sprechen sollte. Schrift und Pergament hatten sich vielmehr
einen Platz im Rechtsleben erobert, von dem sie nicht mehr verdrängt werden
konnten; zugleich aber bedurfte es immer noch einer langen Kette von zeichen-
haften Vorgängen, um den Frieden perfekt zu machen.

112 Vgl. dazu MGH DFI. Nr. 687, S. 203, Z. 28-30: Dominus imperator F(redericus) sicut dominum
papam A(lexandrum) in catholicum et universalem papam recepit, ita ei debitam reverentiam exhibebit,
sicut catholici sui antecessores suis catholicis antecessoribus exhibuerunt.
113 Vgl. dazu ebd., S. 203, Z. 41-44: Preterea impera[to]r et dominus papa ...se vicissim iuvabunt, domi-
nus papa ut benignus pater devotum ca[ris]simum filium et imperatorem christianissimum, dominus
vero imperator ut devotus filius et christianissimus imperator dilectum et reverendum [pat]rem et beati
Petri vicarium.
114 Vgl. dazu oben, Anm. 51, 58 und 61.
 
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