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Eickels, Klaus
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0166

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162

Kapitel H

sein nationaler Abgrenzunggerecht wurde und die aus dem Hochmittelal-
ter tradierte, in den Kategorien der sich ausbildenden modernen Staatlichkeit
nicht mehr faßbare Überlagerung der Herrschaftsansprüche beider Könige
endgültig beendete^.

1. 1. Die Fortdauer und das späte Ende des Mittelalters.
Der Titel »König von Frankreich« als Bestandteil der englischen
Herrscherrepräsentation in der Neuzeit
Als gedankliche Möglichkeit allerdings bestand die Verbindung beider Reiche
zumindest auf englischer Seite weit über das Ende des Mittelalters hinaus
fortDer Anspruch der englischen Herrscher auf die französische Krone

304 Hierzu umfassend BEAUNE 1985; zu den hochmittelalterlichen Grundlagen vgl. EHLERS 1980.
305 Calais blieb zwar bis 1558 in englischer Hand, wurde jedoch zunehmend als englischer Vor-
posten auf dem Kontinent in die Strukturen des Königreichs England eingegliedert und ent-
sandte seit 1536 sogar Vertreter in das englische Parlament; CURRY 1993, S. 119.
306 CURRY 1993, S. 119.1484 nutzte Richard III. in seiner Propaganda gegen Heinrich VII. dessen
Bereitschaft, auf den französischen Königstitel zu verzichten, als öffentlichkeitswirksames
Argument; Stanley Bertram CHRtMES, Henry VII, London 1972, S. 36. Heinrich VIII. unter-
nahm 1513 und 1544 Versuche, französisches Territorium zu erobern und plante 1523 mögli-
cherweise eine Krönung in Paris; S. J. GUNN, The Duke of Suffolk's March on Paris 1523, in:
English Historical Review 101 (1986). Noch Shakespeare konnte im späten 16. Jahrhundert
Heinrich V. die Worte in den Mund legen »No king of England if not of France«; William
Shakespeare, Henry V, act II, scene 2.
Der kontinuierlich tradierte Anspruch der englischen Könige auf die französische Krone
verhinderte allerdings keineswegs einen protokollarisch entspannten Umgang, wenn dies
aus Gründen politischer Opportunität geboten schien, so etwa beim Treffen Heinrichs VIII.
und Franz I. auf dem »Camp de drap d'or« 1520; Calendar of State Papers and Manuscripts
Relating, to English Affairs Existing in the Archives and Collections of Venice And in Other
Libraries of Northern Italy 3 (ed. Brown), Nr. 60, S. 45 f.; vgl. Joycelyne Gledhill RUSSELL,
The Field of Cloth of Gold. Men and Manners in 1520, London 1969, S. 103: »A Genoese ac-
count States that Wolsley first had read out the articles and conventions between the two
Kings .... There was then a dispute as to the King of England's title to the crown of France,
and King Henry offered to expunge this title from the documents being read. Francis is
made to to reply gallantly that Henry is now King of France, as he is now Francis's friend.
Setting friendship aside, however, he acknowledges no King of France but himself. Henry
then expostulates that, although he has been deeply in love, he never had so strong a wish
nor desire to gratify any of his appetites, as that of seeing and embracing Francis. He would
never love anyone as he loved the French King, he swore he would not fail in this love, but
should he do so, he was willing to be accounted the most base and sorry prince and gentle-
man in the world.« Die verbalen Freundschaftsbekundungen wurden ergänzt durch Gesten,
die den informell-freundschaftlichen Charakter der Kommunikation trotz des prunkvollen
festlichen Rahmens betonten: Unmittelbar vor der Verlesung der Vertragstexte zogen sich
die Könige in ein Zelt zurück und tranken dort Wein aus einem Becher; als Heinrich ihn zu
einem Ringkampf herausforderte, nahm Franz an et Je jette per terre et Ny donne Mny merrez't-
ieux sardt (was ihm Heinrich allerdings als Unhöflichkeit übelnahm); schließlich überraschte
Franz Heinrich sogar, indem er ihn eines frühen Morgens in seinem Schlafzimmer besuchte:
»A few days later, therefore, King Henry visited Ardres, finding Kings Francis either in, or
just out of, bed. They dined without ceremony and then proceeded to the lists«; RUSSELL
1969, S. 103,131,168 f. Die ostentativen Freundschaftsbekundungen der Könige stehen in ei-
nem auffälligen Kontrast zum ausgeprägten Mißtrauen und zur starken Konkurrenz aller
Beteiligten; RUSSELL 1969, S. 169: »As Florange notices, the French and English had great dif-
 
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