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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0353

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Gleichrangigkeit in der Unterordnung

349

ne Anstrengungen unternahm, seine Ehe mit Berengaria von Navarra annul-
lieren zu lassen, als diese kinderlos blieb, ist sicherlich mitbedingt durch poli-
tische Rücksichtnahme'^.
Gleichwohl drängt sich der Eindruck aut, daß Richard aus irgendeinem
Grund wußte, daß er keine Kinder haben würdet Daß er im Vertrag von
Messina vom März 1191 Regelungen für etwaige legitime Nachkommen trifft,
spricht nicht gegen diese Annahme, denn diese Bestimmungen sind lediglich
die komplementäre Entsprechung der Absprachen, die für den Fall eines To-
des Philipps mit oder ohne legitime Nachkommen getroffen wurden: Das Ve-
xin soll Richard und seinen legitimen männlichen Nachkommen verbleiben.
Falls Richard ohne legitimen männlichen Erben stirbt, fällt es zurück an Phil-
ipp; falls Philipp ohne legitimen männlichen Erben stirbt, fällt es zurück an
den Besitzer der Normandie oder dominum Norztzzzzuzzzzc). Auch die
in der folgenden Klausel des Vertrages vorgesehene Aufteilung des Fest-
landsbesitzes für den Fall, daß Richard mehrere Söhne haben würde, ist keine
Absichtserklärung Richards, sondern ein Zugeständnis an Philipp; die Funk-
tion der Klausel ist es sicherzustellen, daß in einem solchen Fall das Izozzzzzgz'zzzzz
der nachgeborenen Söhne unmittelbar dem französischen König zusteht (und
nicht etwa ihrem älteren Bruder)'^. Sie belegt allenfalls, daß Philipp mit der
Möglichkeit rechnete, daß Richard mehrere Söhne geboren werden könnten,
sagt aber nichts über Richards eigene Erwartungen aus.
Wenn wir annehmen, daß Richard davon ausging, daß er keine eigenen
Kinder haben würde, klären sich zudem einige offene Fragen. Daß Richard
Philipp im Vertrag von Messina in der Frage des /zozzzzzgz'zzzzz etwaiger ehelicher
Söhne entgegenkam und für diesen Fall in die Aufteilung seines Herrschafts-
gebietes einwilligte, ist leicht verständlich, wenn man davon ausgeht, daß er
wußte, daß es solche Söhne nicht geben würde. Ferner klärt sich unter dersel-
ben Voraussetzung auch eine erstaunliche Ungenauigkeit in der Zusammen-
fassung der Vertragsbestimmungen bei Roger von Howden. Roger schreibt
zunächst zutreffend, Philipp habe Richard von seinem Versprechen entbun-
den, seine Schwester Adelheid zu heiraten. Die übrigen Regelungen faßt er
jedoch, wie es scheint, falsch zusammen, wenn er schreibt, Richard habe ihm
als Gegenleistung die Rückgabe des Vexin, der Mitgift Adelheids, zugesagt.
Es ist zwar nicht auszuschließen, daß Roger von Howden in seiner Dar-
stellung die Bestimmungen des Vertrags von Messina mit den Forderungen
Philipps auf Herausgabe des Vexin während der Gefangenschaft Richards
verwechselt. Möglicherweise kannte er den Text des Vertrages nur in der ver-
fälschten Form, in der ihn Philipp den normannischen Amtsträgern Richards
vorlegte, als er während dessen Gefangenschaft die sofortige Übertragung

182 GlLLINGHAM 1999, S. 263 f.; GlLLINGHAM 1980.
183 Ann TRINDADE, Berengaria. In Search of Richard the Lionheart's Queen, Dublin 1999, S. 130.
184 Diplomatie Documents (ed. Chaplais), Nr. 5, S. 14 f.; vgl. GlLLINGHAM 1999, S. 142; LANDON
1935, S. 228-232; CARTELLIERI 1899-1922, Bd. 2, S. 164-166 (Übersicht über die Vertragsbe-
stimmungen).
 
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