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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0359

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Gleichrangigkeit in der Unterordnung

355

Noch die von Franz Josef Gail (1758-1828) begründete Phrenologie, die in
der Mitte des 19. Jahrhunderts die Phase ihrer größten Bedeutung erlebt hatte,
war davon ausgegangen, daß die soziale Bindungsfähigkeit des Menschen
von zwei komplementären Anlagen bestimmt werde. Während die Liebesfä-
higkeit (»amativeness«) den Menschen zur Vereinigung mit einem Partner
des anderen Geschlechts dränge, sei Anhänglichkeit (»adhesiveness«) die
Grundlage gleichgeschlechtlicher Freundschaften* . Auch im späten 19. Jahr-
hundert orientierten sich noch viele Mediziner - in einer mit mittelalterlichen
Vorstellungen weitgehend kompatiblen Weise - am Leitbild der sozial inte-
grierten »Normalsexualität« des selbstbeherrschten Individuums und stellten
dieser als pathologische Ausprägungen sowohl exzessive »Heterosexualität«
als auch die Grenze zu unerlaubtem Handeln überschreitende »Homosexua-
lität« gegenüber*'^. Die neu entstehenden psychologischen Erklärungsmodelle
dagegen reduzierten dieses dreigliedrige Wahrnehmungsmuster auf den bi-

Begehrens. Medizinische Definitionen und juristische Sanktionen im 19. Jahrhundert (Cam-
pus-Forschung 693), Frankfurt am Main/New York 1992, S. 57-60 und 75-81, zeigt auf, wie
der medizinische Flomosexualitätsdiskurs seit den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts in zu-
nehmendem Maße in das juristische Denken eindrang und die Praxis der Rechtsprechung
beeinflußte; vgl. jedoch ergänzend die kritischen Anmerkungen von M. Herzer in Capri 16
(1993), S. 45 f. Ulfried GEUTER, Homosexualität in der deutschen Jugendbewegung. Jungen-
freundschaft und Sexualität im Diskurs von Jugendbewegung, Psychoanalyse und Jugend-
psychologie am Beginn des 20. Jahrhunderts (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 1113),
Frankfurt am Main 1994 analysiert die Spannung zwischen »männlicher Freundschaft« und
»Homosexualität« als konkurrierenden Konzeptualisierungen gleichgeschlechtlichen Begeh-
rens in der deutschen Jugendbewegung. Die Ideologisierung mann-männlicher Bindungen
zu Beginn des Jahrhunderts skizzieren Nicolaus SOMBART, Männerbund und politische
Kultur in Deutschland, in: Männergeschichte - Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im
Wandel der Moderne, hg. v. Thomas Kühne (Geschichte und Geschlechter 14), Frank-
furt/Main 1996, S. 136-155 (Erstdruck 1988); Jürgen REULECKE, Das Jahr 1902 und die Ur-
sprünge der Männerbund-Ideologie in Deutschland, in: Männerbünde - Männerbande. Zur
Rolle des Mannes im Kulturvergleich 1, hg. v. Gisela Volger/Karin von Welck, Köln 1990, S.
3-10; Klaus von SEE, Politische Männerbund-Ideologie von der wilhelminischen Zeit bis
zum Nationalsozialismus, in: Männerbünde - Männerbande. Zur Rolle des Mannes im
Kulturvergleich 1, hg. v. Gisela Volger/Karin von Welck, Köln 1990, S. 93-102; vgl. auch
Harry OOSTERHUIS, Medicine, Male Bonding and Homosexuality in Nazi Germany, in: Jour-
nal of Contemporary History 325 (1997), S. 187-205; Imke JUNGJOHANN, Antifeminismus im
Diskurs der bürgerlichen Jugendbewegung (Edition Wissenschaft 48), Marburg 1996, S. 47-
53 und 69 f.
Zum Georgekreis und seiner Lyrik vgl. Karl SCHEFOLD, Freundeskreise um Stefan George,
in: Männerbünde - Männerbande. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich 2, hg. v. Gisela
Volger/Karin von Welck, Köln 1990, S. 385-390; Peter RAU, Lyrisch unmögliches Lieben.
Über den Zusammenhang zwischen Alterität und Autonomie bei Stefan George, in: Homo-
erotische Lyrik, hg. v. Theo Stemmler (Kolloquien der Forschungsstelle für Europäische Ly-
rik des Mittelalters 6), Tübingen 1992, S. 193-254; Marita KEILSON-LAURITZ, Von der Liebe,
die Freundschaft heißt. Zur Homoerotik im Werk Stefan Georges (Homosexualität und Lite-
ratur 2), Berlin 1987; vgl. auch James W. JONES, 'We of the Third Sex'. Literary Representa-
tions of Homosexuality in Wilhelmine Germany (German Life and Civilization 7), New York
1990.
207 Michael LYNCH, 'Here is Adhesiveness'. From Friendship to Homosexuality, in: Victorian
Studies 29 (1985-1986), S. 67-96.
208 Jonathan Ned KATZ, The Invention of Heterosexuality, New York 1995; Jonathan Ned KATZ,
The Invention of Heterosexuality, in: Socialist Review 20 (1990), S. 7-34.
 
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