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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0373

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369

de, als er ihn in ßenevent besuchte^' . Ähnliches wird über den Kleriker Tam-
no um 1000 berichtet, der - so Petrus Damiani in seiner »Vita Romualdi« -
»dem Kaiser Otto III. so vertraut und lieb war, daß oft eine Schüssel ihrer bei-
der Hände beim gemeinsamen Mahl vereinte«^. Auch in der volkssprachli-
chen Dichtung (etwa der Artusepik) ist es ein gängiges Motiv, daß ein Gast-
geber seinen Gast ehrt, indem er mit ihm aus einer Schüssel ißt ".
Belege aus historiographischen Quellen, die eine konkrete politische, nicht
in persönlicher Freundschaft oder allgemeiner Höflichkeit begründete Funk-
tion erkennen lassen, sind allerdings selten. Als Zeichen der arglosen Treue
und vollkommenen Aussöhnung nach einem politischen Konflikt erscheint
das gemeinsame Essen aus einer Schüssel 1234, als Friedrich II. soeben Frie-
den mit Papst Gregor IX. geschlossen hatte und von ihm in demonstrativer
Vertraulichkeit in seinem Elternhaus in Anagni empfangen wurde: »Der Kai-
ser gab«, so die »Vita Gregorii IX«, »nach mannigfachen Verhandlungen und
Vergleichen, nach einem vertraulichen Mahl, bei dem derselbe Tisch und die-
selbe Schüssel beiden Fürsten zugleich gemeinsam gedient hatte, um noch si-
cherer zu täuschen, obendrein seinen Sohn als Bürgen«^.
Hier deutet sich bereits an, weshalb das gemeinsame Essen aus einer
Schüssel sonst kaum erwähnt wird: Politisch relevant wurde es nur, wenn ei-
ner der Vertragspartner später grundlos die Treue brach und man ihm die
Verwerflichkeit seines Tuns Vorhalten konnte, indem man ihn auf die demon-
strativen Gesten hinwies, mit denen er in betrügerischer Absicht öffentlich
bekräftigt hatte, was er nicht zu halten gedachte.
Roger von Howden nennt das gemeinsame Essen aus einer Schüssel in ei-
nem Atemzug mit dem gemeinsamen Schlafen in einem Bett. Offensichtlich
hatten beide Gesten für ihn dieselbe oder doch zumindest eine ähnliche oder
komplementäre Bedeutung.
Rogers Bericht über den Besuch Richards in Paris 1187 ist in der Tat kei-
neswegs singulär. Gregor von Tours berichtet ein auffällig ähnliches Aussöh-
nungsritual als Abschluß einer langen Fehde zwischen Sichar und Chramne-
sind, zwei jungen Adligen im Gallien des 6. Jahrhunderts. Sichar hatte mehre-
re Verwandte Chramnesinds getötet. Die Eskalation der wechselseitigen Ra-
cheakte wurde durch gütliche Einigung und Zahlung einer Entschädigungs-
summe beendet. Sichar, so Gregor von Tours weiter, schloß sogar eine enge
Freundschaft mit seinem früheren Gegner (magnam cum co atnz'cdz'atn pafra-
vzsscf) und »sie liebten einander so sehr, daß sie gewöhnlich gemeinsam aßen
und auf demselben Lager ruhten« (m fantnm sc can'fatc wafaa adzgczvnf, td

250 Johannes Sarisberiensis, Metalogicon (CChrCM 98; ed. Hall), S. 183 (IV.42): Et cam Romaaas
poatz/ex esset, me in propn'a measa gaaztebat Zzabere coapz'pam et eaaztem czptzam et ztzscam sz'bz et
anTzz potebat et Jäcz'ebat me reaz'teate commaaem; vgl. JAEGER 1999, S. 129.
251 Petrus Damiani, Vita beati Romualdi (Fonti per la storia d'Italia 94; ed. Tabacco), Kap. 25, S.
52 (= MGH SS 4, S. 849, Z. 31-33 = PL 144, 975C): za taatam regz's Jamz'Zz'arz's et caras exz'terat, at
atrz'aszyae pestes atramzyae coategereat et amboram maaas aaa parobsz's commaaz sepe coapz'pz'o sotz-
aret; vgl. JAEGER 1999, S. 128.
252 RUCK 1991, S. 115 (O-c-16: Guest shares host's bowl/cup).
253 RI V.l, Nr. 2047c.
 
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