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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Rogge, Jörg [Bearb.]
Fürstin und Fürst: Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter ; [Referate, die vom 20. bis 23. März 2002 im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Fürstin und Fürst. Rollenverständnis, Handlungsspielräume und Konfliktverhalten in den Geschlechterbeziehungen des hohen und fürstlichen Adels im Mittelalter und am Beginn der Frühen Neuzeit in europäischer Perspektive" im Erbacher Hof (Mainz) vorgetragen und diskutiert worden sind] — Mittelalter-Forschungen, Band 15: Ostfildern, 2004

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Walsh, Katherine,: Die Fürstin an der Zeitenwende zwischen Repräsentationsverpflichtung und politischer Verantwortung
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https://doi.org/10.11588/diglit.34729#0273

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Katherine Walsh

stellt sich hier die Frage: Inwieweit hatte die Klischeevorstellung von einer Fürstin
als einer »Landesmutter«, als Repräsentationsfigur und als Mäzenatin, als modische
Erscheinung, die Macht und Reichtum des Fürsten zur Schau stellen sollte, als
gütige Friedensvermittlerin und fromme Stifterin, aber auch als »brave« (solide)
Ehefrau und Mutter möglichst zahlreicher lebensfähiger, vor allem männlicher Kin-
der im wirklichen Alltag Gültigkeit? Eine moderne historische Frauenforschung ist
daher geneigt zu fragen: Soll das wirklich alles gewesen sein?
Da angeheiratete Fürstinnen zu eigenen herrschaftlichen Aktivitäten in der
Regel als nicht qualifiziert galten, war ein Einfluß ihrerseits auf die Regierung nicht
vorgesehen. Dies verhinderte allerdings nicht, daß sie dennoch einen solchen aus-
übten. Das Leben zahlreicher Fürstinnen an der Zeitenwende dokumentiert eine
Vielfalt von Strategien dieser Frauen, um doch an Mitspracherecht zu gelangen -
nicht selten mit beträchtlichem Erfolg. Mit Hilfe von Familienkorrespondenzen, die
immer wieder eine Verschmelzung offizieller wie auch familiärer Angelegenheiten
aufweisen, ist es u.a. oft möglich, die Ebene hinter den dokumentierten Beschlüssen
zu rekonstruieren. Was in der Regel als offizielle und als inoffizielle Strukturen
bezeichnet und voneinander getrennt wird, erweist sich als eng verzahnt. Erst dann,
wenn man beide gemeinsam betrachtet, ergibt sich ein Bild von den Regierungsge-
schäften dieser Zeit. Angesichts des Fehlens einer allumfassenden Verwaltung
beruhten viele Initiativen und Entscheidungen auf rein persönlichen Aktivitäten,
die keinerlei offiziellen Charakter hatten.
Grundvoraussetzung für das erfolgreiche Wirken einer angeheirateten Fürstin
in der neuen Heimat war - bei Bedarf - das Erlernen der neuen Landessprache, um
dort im familiären wie im politischen Ambiente mitreden zu können. Da die mei-
sten dieser Fürstinnen über eine gut funktionierende Kanzlei verfügten, die für die
Ausfertigung von Urkunden und Akten sowie für die Korrespondenz sorgte, läßt
sich aufgrund derartiger Schriftstücke nur selten eine Aussage über die Sprachbe-
herrschung der Fürstin erzielen. In der Tat gab es Frauen, wie die zweite Gemahlin
Kaiser Maximilians I., die Mailänderin Bianca Maria Sforza, welche die neue
Sprache nicht erlernten und somit zu Kontaktarmut und politischer Bedeutungslo-
sigkeit verurteilt waren. Weitaus wichtiger hingegen ist die Aussagekraft von eigen-
händig verfaßten Briefen in der Sprache der neuen Heimat, welche eindeutig bewei-
sen, daß die Fürstin in der Lage war, hier mitzureden und sogar das politische
Umfeld zu beeinflussen. Ebenfalls aussagekräftig sind konkrete Beweise für das
mündliche Einschreiten der Fürstin in Verhandlungen, Schlichtungsverfahren und
diplomatischen Angelegenheiten.
Diese Form des politischen Eingreifens von Fürstinnen soll nun anhand von
einigen Fallbeispielen näher betrachtet werden. Der Einfachheit halber werden
diese in chronologischer Reihenfolge vorgestellt - eine Vorgangsweise, die keines-
wegs als Aussage über die relative politische Gewichtung der zur Diskussion
gestellten Frauen zu verstehen ist. Es handelt sich dabei zunächst um Anna von
Böhmen, eine Tochter Kaiser Karls IV., die seit ihrer Vermählung im Jahre 1382 mit
dem jungen englischen König Richard II. bis zu ihrem Tode (1394) als Königin von
England wirkte. Danach geht es um Barbara von Brandenburg (1422-1481), also
um eine Hohenzollerin, die bereits im Kindesalter als Braut für den künftigen
Markgrafen von Mantua, Ludovico Gonzaga, vorgesehen war und zur Erziehung
und Vorbereitung auf ihre Aufgaben in der neuen Heimat dem Hof der Gonzaga
 
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