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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0132

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128

Kapitel 2

Begräbnissitten als Ausdruck eines „Noblifizierungsprozesses" zu sehen sindW
Diese Zweifel beruhen nicht zuletzt auf Hassenpflugs Ansicht, daß „der Adel" im
früheren Mittelalter nicht als „Personengruppe mit festem Status angesehen wer-
den könne" und demnach auf einer anderen Einschätzung, wie sie Burzier und
Böhme vertreten.
Natürlich sind auch die archäologisch festgestellten Begräbnisse in Kirchen un-
terschiedlich interpretierbaPA Im Lichte der Adelsherrschaftstheorie ging man
davon aus, daß Adlige Eigenkirchen gründeten, in denen sie sich sog. „Stiftergrä-
ber" reservierten^. Besonders Karl Hauck hat diese Befunde, u.a. auf dem er-
wähnten Bonner Kolloquium, als Nachweis der Existenz eines Adels gewertet. In
Stiftergräbern oder nachträglich über Gräbern errichteten Kirchen werde „allein
archäologisch das rechtlich Relevante der Adelsstellung sichtbar"^". Dagegen ist
eingewandt worden, daß geplante Stiftergräber kaum nachweisbar sind und die
Zuweisung von Gräbern in Kirchen zu Familien oder gar Adelsgeschlechtern
enorme Probleme mit sich bringt^. Michael Borgolte schließlich hat darauf hin-
gewiesen, daß „Eigengrab und Stifterkirche" schon allein logisch keine sonderlich
sinnvolle Verbindung zweier Begriffe darstellt, da ein Stifter - im Gegensatz zum
Eigenkirchenherrn - über sein dotiertes Vermögen nicht mehr verfügen konnte.
Die Rechtsverhältnisse der Kirche seien nicht aus der Tatsache zu rekonstruieren,
daß jemand in der Kirche begraben wurdet Daß die Archäologie solche Fragen
nicht beantworten kann, hat auch Hans Nothdurfter an konkreten Fällen gezeigt^.
Anke Burzier wollte zunächst von „Gründergräbern" in Kirchen sprechen, ent-
schied sich aber letztlich für den Begriff „Kirchengräber", ohne von der herkömm-
lichen Interpretation abzuweichen: Diese seien ein überregionales Repräsentati-
onsmittel der „Adelsschicht"i44. Hassenpflug dagegen war skeptisch. Daß ein Ei-
genkirchenbesitzer als adlig zu bezeichnen sei, könne nur durch Schriftquellen
bestätigt werden^.
Deutlich wird an dieser nur rudimentären Bestandsaufnahme, daß die Inter-
pretation archäologischer Befunde schon aus prinzipiellen Gründen umstritten ist,
da sich der Archäologe auf die Terminologie und die Theorien der Historiker ver-
wiesen sieht, wenn er nicht unkritisch Begriffe aus schriftlichen Quellen über-
nimmt und damit der Interpretationsproblematik aus dem Weg geht. Gerade die

137 Vgl. HASSENPFLUG, Laienbegräbnis, bes. S. 229.
138 Vgl. CHRISTLEIN, Grabfunde.
139 Vgl. F. STEIN, Adelsgräber, Bd. 1, S. 3f., 211.
140 Vgl. K. HAUCK, in: IRSIGLER, Hauptprobleme, S. 49, vgl. auch F. PRINZ, ebd., S. 52; DONAT, Gentiladel,
S. 20.
141 Vgl. STEUER, Archäologie, S. 449.
142 Vgl. BORGOLTE, Stiftergrab; DERS., Bischofsstaat.
143 NOTHDURFTER, Hinweise, bes. S. 109.
144 Vgl. BURZLER, Beiträge, S. 40,171.
145 Vgl. HASSENPFLUG, Laienbegräbnis, S. 227ff.
 
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