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Hechberger, Werner
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0136

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132

Kapitel 2

Wurzeln hatte, und dabei die Bedeutung der IzMcccHanz im spätantiken Gallien
hervorgehobenW

2.3.3. Landnahme
Die Frage, wie die „Landnahme" der Franken im römischen Gallien beschrieben
werden kann, wirft prinzipiell ähnliche Probleme auf. Geht man von der Existenz
germanischer Stämme oder Völker aus, so wird der Prozeß als ein kriegerischer
Akt beschrieben, der mit Siedlungsprozessen verbunden war. Geklärt werden
mußte in dieser Perspektive, wie man sich die Landnahme konkret vorzustellen
hatte. Der Verweis auf Tacitus über die Gebräuche der Germanen ließ wieder zwei
grundsätzliche Möglichkeiten zu. Tacitus berichtet von einer genossenschaftlichen
Inbesitznahme eroberten Landes, bemerkt aber auch, daß das Land sgczzzidnzzz
dz'gzizYch'ongziz verteilt wurde. Als zusätzliche Schwierigkeit erwies sich die Verbin-
dung der Theorien über die Landnahme mit den Vorstellungen von Staatlichkeit:
Kann man von einem entstehenden Staat oder gar von einer staatlich organisierten
Maßnahme sprechen^? Erst in jüngerer Zeit ist ein weiteres grundsätzliches Pro-
blem thematisiert worden. Als problematisch erwies sich nämlich die Verbindung
der Deutung archäologischer Befunde, der Ergebnisse der Namenkunde und der
Ortsnamenkunde sowie der Linguistik. Gerade angesichts der Bedeutung, die
Ethnogeneseprozessen in diesem Zeitraum zuerkannt wird, stellt sich zunehmend
die Frage, ob ethnische Zuweisungen von Grabfunden überhaupt in jedem Fall
sinnvoll sind^A Die klassische These von Gustav Kossinna, daß archäologische
Fundgebiete identisch sind mit der Verbreitung ethnischer Einheiten, dürfte heute
keinen Zuspruch mehr finden.
In der älteren Forschung war, auf der Basis der Vorstellung eines von den Frei-
en getragenen Gemeinwesens, der genossenschaftliche Aspekt in den Vorder-
grund gerückt worden. Von einer Volkssiedlung und einer gemeinschaftlichen
Landnahme sprach etwa Georg Waitz^A staatsbegründend sei die Gemeinschaft
gewesen.
Dies traf auf Widerspruch, als sich die Ansicht durchzusetzen begann, man
könne schon für die Lrühzeit von Staat und Staatlichkeit sprechen. So meinte ins-
besondere Rudolph Sohm, daß das fränkische Reich - nicht die anderen germani-
schen Reiche - durch einen erobernden König gegründet worden sePA Die Inten-

164 Vgl. K.F. WERNER, Naissance, S. 422t.
165 Zum Begriff Landnahme vgl. R. SCHNEIDER, Problematik.
166 Vgl. ßRATHER, Identitäten.
167 Vgl. WAITZ, Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 106,113, passim.
168 Vgl. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung, S. 35.
 
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