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Hechberger, Werner
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0156

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152

Kapitel 2

2.3.6. Immunität
In Verbindung mit der Vorstellung von den autogenen Herrschaftsrechten steht
das Problem der Immunität für weltliche Große. Der älteren Forschung erschienen
Immunitätsverleihungen als Ausgliederung aus der Reichsverwaltung^. In fol-
genschwerer Weise sei so die öffentliche Gerichtsorganisation durchlöchert wor-
den. Noch Georg von Below wies der Immunität eine verhängnisvolle Rolle im
Prozeß der „Durchbrechung des allgemeinen Untertanenverbandes" zmW Diese
Sicht warf allerdings mehrere Probleme auf. Zum einen lassen sich solche Maß-
nahmen des Königs konkret kaum nachweisen; ausdrückliche Immunitätsverlei-
hungen an weltliche Adlige sind nur aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts
bekannt und blieben selten. Für die frühen Verhältnisse ist die Forschung im
Grunde auf die Interpretation der Urkundenformeln angewiesen. Die Formulae
Marculfi, die wohl vom Ende des 7. Jahrhunderts stammen, enthalten auch eine
Besitzbestätigung für Laien^b Eine Einschätzung, wie häufig eine solche Maß-
nahme in der Praxis vorgenommen worden ist, lassen die Formulae natürlich nicht
zu. Dasselbe gilt für die im Pariser Edikt Chlothars 614 erwähnten Immunitäten
weltlicher Herren.
Zum anderen ist schwer einzuschätzen, welche konkrete Bedeutung die Ver-
leihung der Immunität im Hinblick auf das Verhältnis zum Grafengericht hatte.
Daß damit schon in fränkischer Zeit die Ausgliederung aus der Grafschaft ver-
bunden war, ist nicht erst seit Seeliger mehrfach bezweifelt worden^ und gilt
heute noch als ungeklärte Fraget Nicht zuletzt die Unterschiedlichkeit der Auf-
fassungen über die Durchsetzung der Grafschaftsverfassung zeigt dies deutlich.
Eine einfache Lösung einiger dieser Probleme bot die Theorie von der autoge-
nen Immunität des Adligen, die von Hermann Aubin für die spät- und nachkaro-
lingische Zeit und von Alfons Dopsch schon für die frühfränkische Zeit formuliert
wurde; vereinbar war diese Sicht auch mit den Ausführungen Dungerns über den
Herrenstand oder Adlers über den adligen Grundbesitz^?.

292 Vgl. die klassische Arbeit von KROELL, L'immunite. Heute vertritt etwa FOURACRE, Eternal light, die
These, daß Immunitätsverleihungen an Kirchen ganz konkreten wirtschaftlichen Zwecken dienten.
Die Bedeutung der Immunität für Schwäche oder Stärke der öffentlichen Gewalt werde weit über-
schätzt.
293 Vgl. BELOW, Staat, bes. S. 259f.
294 Marculfi Formulae, hrsg. v. K. ZEUMER, in: MGH Formulae, Hannover 1886 (ND 1963), lib. 1, c. 17, S.
54f.
295 Vgl. SEELIGER, Grundherrschaft, S. 95f. Zum Problem vgl. schon BRUNNER/SCHWERIN, Rechtsge-
schichte, S. 399f.; A. DOPSCH, Staat, S. 117; DOLLINGER, Bauernstand, S. 64; STÖRMER, Früher Adel,
Bd. 2, 398ff.; H.K. SCHULZE, Grafschaftsverfassung, S. 338f.; P. SCHMID, Regensburg, S. 21 lf.; HOLZ-
FURTNER, Grafschaft, S. 52f.
296 Vgl. R. SCHNEIDER, Frankenreich, S. 49.
297 Vgl. ADLER, Rechtsgeschichte, S. 145.
 
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