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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0225

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Die Auflösung des Karolingerreichs

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liehen yctücs gewesen seiend; durch die umfassende Arbeit von Reinhard Wenskus
wurde die Auffassung etabliert, daß Stämme nicht die unveränderlichen Grund-
einheiten der Politik gewesen sind, sondern als Ergebnisse politischer Prozesse
verstanden werden müssen. Wenkus selbst hatte daraus zwar noch den seinerzeit
gängigen Schluß gezogen, daß das deutsche Volk bereits „vor seiner staatlichen
Ausgliederung aus dem fränkischen Gesamtreich (bestand)"^; gerade seine The-
sen konnten allerdings in der folgenden Zeit dazu verwendet werden, den Zeit-
punkt der „Volkswerdung" immer später anzusetzen.
Hans-Werner Goetz wandte sich in einer grundlegenden Untersuchung gegen
die Vorstellung von einem „jüngeren Stammesherzogtum". Das „Fürstentum" des
9. Jahrhunderts habe keine ethnische Basis besessen, sondern sei lediglich als eine
Erscheinungsform adliger Eigenherrschaft zu verstehen, die nachträglich durch
das Königtum legitimiert worden sei. Goetz betrachtete die Herzogswürde als ein
königliches Amt; eine gentile Grundlage sei kaum erkennbar. Der Quellenbegriff
dux sei nicht immer ohne Probleme als Herzog zu übersetzen; die dhccs im Reich
seien zunächst comücs mit bestimmten dukalen Funktionen gewesen^. Als Verwal-
ter eines Gebietes waren sie stets königliche Verwaltungsorgane^. Erst Quellen der
späteren Ottonenzeit erschien der Titel dux für „die sog. Herzoge" sinnvoll zu
seinA Der Stamm sei eine politische Schöpfung, die auch erst durch eine fortdau-
ernde Herzogsherrschaft entstehen konnte. Unter den führenden Adelsfamilien
bildete sich eine kleine Gruppe aus, deren Mitglieder unter den ersten Ottonen
amtliche Stellung und dux-Titel erhielten. Damit sollte die Abhängigkeit vom Kö-
nig demonstriert werden. Qstlich des Rheines habe es seit dem 9. Jahrhundert
keine Stammesbindung mehr gegeben, die Stämme seien nur noch geographische
Einheiten gewesen und die Bezugnahme auf yetües nur Herkunftsbezeichnungen.
Konkrete, spezifische Herzogsrechte seien schwer nachweisbar; von einer Herr-
schaft über den ganzen Stamm könne man nicht sprechen. Das Fürstentum be-
trachtete Goetz demnach als eine typische Adelsherrschaft größeren Ausmaßes,
dessen Inhaber durch die Könige später zum dux ernannt wurde. Nicht zuletzt mit
Hilfe dieser Überlegung konnte der „Sonderfall" Lothringen erklärt werden, wo
tatsächlich nicht von einem „Stamm" als Basis des Herzogtums die Rede sein
kann. Noch in der Salierzeit bezeichnete der Titel dux nach Goetz den Inhaber
eines Amtes, über das der König verfügteA
Als Folgen dieser Entwicklung in der Forschung stellte Gerd Tellenbach 1979
zusammenfassend fest: Daß duccs im 9. Jahrhundert keine Stammesherzöge mehr

16 Vgl. STEINBACH, Studien; zur Bedeutung dieser Feststellung vgl. PlTZ, Methoden, S. 493.
17 WENSKUS, Stammesbildung, S. 574.
18 Vgl. GOETZ, Dux, S. 283.
19 Vgl. GOETZ, Dux, S. 289.
20 GOETZ, Dux, S. 296.
21 Vgl. GOETZ, Herzogtum im Spiegel.
 
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