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Hechberger, Werner; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter: zur Anatomie eines Forschungsproblems — Mittelalter-Forschungen, Band 17: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34731#0231

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Die Auflösung des Karolingerreichs

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Gerichtsbarkeit, die durch Grafen und Hcan'z repräsentiert worden und für die
Freien zuständig gewesen war, habe sich zwischen 1000 und 1030 aufgelöst. Die
juristischen Befugnisse seien von Burgherren usurpiert worden, Bannherrschaften
traten an die Stelle der öffentlichen Gerichtsbarkeit.
Daraus hätten sich Folgen für die Legitimationsbasis der Flerrschaftsbereiche
ergeben. Die gräfliche Flerrschaft habe sich nicht mehr von derjenigen anderer
Flerrschaftsträger unterschieden. Auch Duby sprach explizit von einer anarchie
feodale: Die Zersplitterung der Herrschaftsrechte habe dazu geführt, daß ein Ge-
flecht kleiner Herrschaftsträger festzustellen sei, während die übergeordneten
Gewalten ihre Stellung einbüßten.
Im Rahmen dieses Modells war die Bedeutung der Gottesfriedensbewegung
seit der Mitte des 11. Jahrhunderts erklärbar: Sie diente dazu, moralische Ver-
pflichtungen an diese neuen Herrschaftsträger heranzutragen. In Zusammenarbeit
mit dem hohen weltlichen Adel initiierten Bischöfe und Äbte auf Synoden Frie-
densbestimmungen, die dem Schutz der Kirchen und jener Menschen dienen soll-
ten, die sich selbst nicht verteidigen konnten^. Ausgehend von Aquitanien (975 Le
Puy in der Auvergne), wo die Machtverhältnisse sehr zersplittert waren, breitete
sich diese Bewegung seit dem Ende des 10. Jahrhunderts aus. Daß diese Entwick-
lung mit einem neuen Bild der Gesellschaft in Verbindung gebracht wurde und -
im Zusammenhang damit - auch die Entstehung des Rittertums erklären konnte,
sei an dieser Stelle nur angedeutet.
Mit Duby begann eine spezifische Tradition der französischen Mediävistik, die
bis heute lebendig ist: Die Abhandlung über das Mäconais war die erste einer
Reihe großer Regionalstudien mit dezidiert sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen
Fragestellungen. Das von Duby entworfene Modell diente mehreren Autoren als
Ausgangspunkt, und so wurden die Thesen im wesentlichen bestätigt, wenngleich
regionale Unterschiede für die Zeit des Wandels hervorgehoben wurden^.
Zugleich wurde darauf verwiesen, daß nicht in allen Teilen Frankreichs die politi-
sche Macht ähnlich zersplittert war wie in dem von Duby untersuchten Gebiet um
Mäcon. Die königliche, herzogliche oder gräfliche Macht blieb in diversen Regio-
nen erhalten; nicht überall kann man davon ausgehen, daß die chätelains die ei-
gentlichen Machthaber geworden sindA
In späteren Arbeiten hat sich Duby dann in einer Hinsicht deutlicher von
Blochs Modell distanziert, wobei seine Rezeption von Thesen der deutschen

49 Vgl. dazu nur GERNHUBER, Landfriedensbewegung; GOBTZ, Kirchenschutz; zur Diskussion vgl.
WADLE, Gottesfrieden.
50 Vgl. dazu etwa FOSSIER, Enfance, Bd. 1, S. 395-401; POLY/BOURNAZEL, Mutuation; WARLOP, Flemish
NOBIEITY; GENICOT, L'economie; DERS., Noblesse au Moyen Age; MARTINDALE, French Aristocracy, S.
10ff.; zusammenfassend HALLAM, Capetingian France, S. 10f.; GOETZ, Grundherrschaften, S. 84f. Zur
klassischen Sicht von der „Auflösung" und der Entstehung der „feudalen Anarchie" vgl. auch LE-
MARIGNIER, La dislocation.
51 Vgl. den Überblick von R. FOSSIER, Kastellanei, in: LexMA 5,1991, Sp. 1036f.
 
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